Attraktive Gesichter bergen evolutionären Vorteil
Wien (universität) - Warum wirkt Schönheit anziehend auf uns? Mithilfe von Augenbewegungsmessungen
hat ein Forschungsteam rund um den Psychologen Helmut Leder von der Universität Wien herausgefunden, dass
im direkten Vergleich bereits kleine Unterschiede bei Gesichtern ausreichen, um unsere Aufmerksamkeit unbewusst
auf das schönere zu lenken. Diese Ergebnisse sind ein weiterer Schritt in Richtung der Annahme, dass sich
unser Empfinden für Schönheit im Zuge unserer evolutionären Vergangenheit als Vorteil erwiesen hat.
Schönheit ist ein alltägliches Phänomen, mit dem alle Menschen ihre ganz persönlichen Vorstellungen
verbinden. Neben der Philosophie, die sich schon seit Jahrtausenden mit diesem Thema beschäftigt, hat sich
Schönheit über die letzten Jahrzehnte auch zum festen Bestandteil empirischer Forschung entwickelt. Vor
allem das menschliche Gesicht spielt eine herausragende Rolle, womit als biologischer Archetyp im Bereich der Schönheit
gelten kann. Dabei besitzt (fast) jeder Mensch einen Sinn für Schönheit bei Gesichtern, welcher sogar
bei Neugeborenen nachgewiesen werden konnte. Warum Menschen einen solchen "Sinn" entwickelt haben, ist
aber nach wie vor noch nicht restlos geklärt.
Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in der evolutionären Vergangenheit des Menschen. Der Selektionsdruck
begünstigte dabei all jene Eigenschaften, die sich als nützlich für den Fortbestand der Spezies
erwiesen hatten. "Die Annahme liegt nahe, dass sich der Sinn für Schönheit deshalb entwickelte,
weil er einen evolutionären Vorteil bot", so Helmut Leder vom Institut für Psychologische Grundlagenforschung
und Forschungsmethoden der Universität Wien. Entsprechend dieser Annahme steht Schönheit dabei nicht
nur mit vorteilhaften Genen in Verbindung, sondern wirkt gleichzeitig belohnend und anziehend auf uns. Ein Mechanismus,
der schließlich die Fortpflanzung der Spezies sichert.
Individuelle Beurteilung
Das Forschungsteam hat sich mit diesem Mechanismus befasst, indem der Zusammenhang zwischen unserer Aufmerksamkeit
und der Schönheit von Gesichtern untersucht wurde. Dazu haben die WissenschafterInnen die Augenbewegungen
von Personen aufgezeichnet, während sich diese eine Reihe von Bildern ganz gewöhnlicher Straßenszenen
angesehen haben. "Dabei waren jeweils zwei Personen auf den Bildern abgebildet, die sich anhand ihrer Schönheit
auf natürliche Weise voneinander unterschieden. Anhand statistischer Verfahren konnte schließlich der
Zusammenhang zwischen dem Blickverhalten und den individuellen Schönheitsbewertungen analysiert werden",
erklärt Leder den Versuchsablauf.
Gesichter im Fokus
Einige der Ergebnisse bestätigen Befunde, die in ähnlicher Form bereits in vergangenen Studien gezeigt
wurden. So zeigte sich zum Bespiel, dass Gesichter überproportional oft und lange unsere Aufmerksamkeit auf
sich ziehen. Obwohl die beiden Gesichter durchschnittlich nur knapp sechs Prozent der Gesamtfläche der Szenen
einnahmen, fiel der Blick zu 71 Prozent auf eines der beiden Gesichter. Es zeigte sich ebenso, dass Frauengesichter
generell länger angesehen wurden als Männergesichter, sowohl von Männern als auch von Frauen.
Auch wenn in bisherigen Studien bereits gezeigt wurde, dass sehr schöne Gesichter den Blick auf sich ziehen,
so konnte die Forschergruppe erstmals zeigen, dass es sich dabei um einen sehr sensitiven Effekt handelt. Neu ist,
dass bereits sehr kleine Unterschiede in der Schönheit ausreichen, um einen Unterschied in der Betrachtungsdauer
messbar zu machen. "Obwohl wir uns dieser kleinen Unterschiede im Alltag nicht unbedingt bewusst sein müssen,
wirken sie sich dennoch unentwegt auf unser Blickverhalten aus. Unsere Aufmerksamkeit wird damit ganz automatisch
auf das gelenkt, was wir als schön empfinden – ganz ohne darüber nachdenken zu müssen", erklärt
die Co-Autorin Aleksandra Mitrovic.
Im Sinne evolutionärer Annahmen wirkte dieser Effekt bei Frauen stärker beim Betrachten von Männergesichtern,
während bei Männern Frauengesichter einen stärkeren Effekt hervorriefen. Mit dem gezeigten Zusammenhang
zwischen der Schönheit von Gesichtern und unserem Blickverhalten scheint damit eine weitere Bedingung dafür
gefunden zu sein, dass sich unser Sinn für Schönheit tatsächlich als evolutionäre Konsequenz
entwickelt hat.
Publikation in i-Perception
Leder, H., Mitrovic, A., & Goller, J. (2016). How beauty determines
gaze! Facial attractiveness and gaze duration in images of real world scenes. I-Perception, 1-11, 664355.
DOI:10.1177/2041669516664355
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