Aus dem Leben jugoslawischer GastarbeiterInnen – von 2. September bis 16. Oktober 2016 im Vollskundemuseum
Wien
Wien (volkskundemuseum) - Im Jahr 1966 wurde ein Abkommen zur Anwerbung von „GastarbeiterInnen“ zwischen Österreich
und der damaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFR) geschlossen, um den Arbeitskräftemangel
in Österreich auszugleichen. Anlässlich des 50jährigen Jubiläums dieses Anwerbeabkommens zeigt
der Grazer Verein JUKUS im Volkskundemuseum Wien von 2. September bis 16. Oktober 2016 die Ausstellung „Unter fremdem
Himmel“, die anschließend in Graz, Klagenfurt und Kapfenberg gastieren wird. Ein Vermittlungsprogramm für
Jugendliche und ein Rahmenprogramm mit ZeitzeugInnengesprächen in Form von Stadtrundgängen und Diskussionsrunden
verdichten das Thema.
An der Errichtung unserer Autobahnen, der Wiener U-Bahnen, der Uno-City und vieler anderer Bauten, die zur Modernisierung
Österreichs und Wiens beitrugen, waren zu einem nicht geringen Teil auch jugoslawische Arbeitskräfte
beteiligt, wie Juro B., der heute in Strebersdorf lebt. Als im Jahr 1966 zwischen der Republik Österreich
und der SFR Jugoslawien ein offizielles Anwerbeabkommen abgeschlossen wurde, waren bereits zahlreiche JugoslawInnen
hier beschäftigt. Neben der organisierten Anwerbung durch Firmen kamen in den Jahren danach aufgrund unkomplizierter
Einreisemöglichkeiten und geographischer Nähe viele Arbeitssuchende auf eigene Faust nach Österreich,
wo sie von der boomenden Wirtschaft in den unterschiedlichsten Branchen mit offenen Händen willkommen geheißen
wurden.
Bereits Anfang der 1970er Jahre waren in Wien JugoslawInnen, darunter Blaško P., Niko M. und Slobodan J., führend
mitbeteiligt am Aufbau selbstorganisierter Sport- und Kulturvereine, inklusive einer eigenen Fußballliga
und österreichweit durchgeführten Arbeitersportspielen. Auch Beratungseinrichtungen von Kommunen, Kirchen
und SozialpartnerInnen unterstützten MigrantInnen (wie etwa Zdravko S. beim ÖGB) JugoslawInnen bei rechtlichen
und alltäglichen Problemen.
Neben den jugoslawischen ArbeitnehmerInnen der 1970er und 1980er Jahre stellen die Erzählungen ihrer Kinder,
wie jene von Sandra M., Daniela G., Sonja M.-L., Davor S. oder Mato P. einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung
dar. Wie erlebten sie, als „Gastarbeiterkinder“, ihre Kindheit, das Aufwachsen in mehreren Kulturen und ihren sozialen
Aufstieg in Österreich?
Die präsentierten Zeitungsberichte und Ausschnitte aus ORF-Reportagen der 1960er bis 1980er Jahre zeichnen
ein differenziertes Bild davon, wie „Gastarbeiter“ medial in Österreich wahrgenommen wurden. Sie reichen von
Berichten über Lokalverbote bis hin zum 1973 österreichweit affichierten Kolaric-Antidiskriminierungsplakat
und kirchlichen Solidaritätsaktionen.
Und heute? Viele der damaligen ArbeitsmigrantInnen sind in Österreich geblieben, haben hier Familien gegründet
oder nachgeholt. Nicht wenige leiden jetzt im Alter an den gesundheitlichen Folgen der damals harten körperlichen
Arbeit. Immer noch leben viele, so wie das Ehepaar Ružica und Novak G., ein Leben in zwei Heimaten. Hier in Wien
und dort in ihren prächtig erbauten Häusern, die heute jedoch die meiste Zeit des Jahres leer stehen.
Nach der Ausstellung zur Arbeitsmigration aus der Türkei „Avustruya! Österreich! Jahre 2014 wird die
nunmehrige Wanderausstellung „Unter fremdem Himmel“ als erstes im Wiener Volkskundemuseum (Laudongasse 15-19, 1080
Wien) von 2. September bis 16. Oktober 2016 gezeigt, und zusammen mit dem Rahmenprogramm einen wichtigen Beitrag
zum heurigen Jubiläumsjahr in der Bundeshauptstadt darstellen. In der Folge macht die Wanderausstellung in
der Steiermark von 10. November bis 08. Jänner 2017 im Museum im Palais (Sackstraße 16, 8010 Graz) und
von 18. Jänner bis 10. Februar 2017 in Kärnten im Haus der Architektur (St. Veiter Ring 10, 9020 Klagenfurt)
Station.
Zur Ausstellung erscheint im Herbst eine Begleitpublikation (dt.) als Sammelband mit Fachbeiträgen von Sylvia
Hahn, Karin Maria Schmidlechner, August Gächter, Verena Lorber, Ljubomir Bratic, Regina Wonisch, Joachim Hainzl,
Sanja Banjeglav, Dr. Friedrich Hausjell, Bettina Gruber, Viktorija Ratkovic und Irina Lepenik-Karamarkovic.
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