Kern und Niedermühlbichler laden zur Diskussion über CETA und TTIP ein – Kern: „Gewicht
demokratischer Entscheidungen darf sich nicht zugunsten von Konzerninteressen verschieben“ - Niedermühlbichler:
„Mitglieder stärker einbinden"
Wien (sk) - SPÖ-Bundesparteivorsitzender, Bundeskanzler Christian Kern und SPÖ-Bundesgeschäftsführer
Georg Niedermühlbichler haben am 02.09. die Informationskampagne der SPÖ zu den Freihandelsabkommen CETA
und TTIP vorgestellt. Herzstück der Kampagne ist die erste österreichweite Befragung aller SPÖ-Mitglieder.
Auch alle anderen Interessierten sind eingeladen, daran teilzunehmen. Kern betonte: „Auf komplexe Fragen wie die
Freihandelsabkommen CETA und TTIP sind keine einfachen Antworten zu finden. Daher starten wir heute einen breiten
Meinungsbildungsprozess. Ich lade dazu ein, mit uns zu diskutieren und ein Stück des CETA/TTIP-Weges mit uns
zu gehen.“ Niedermühlbichler betonte, dass „in unserer ausgewogenen Kampagne Befürworter und Gegner zu
Wort kommen“.
TTIP habe noch einen niedrigen Reifegrad, man sei daher noch nicht in der Lage, sich ein finales Urteil zu bilden.
Zum CETA-Abkommen, das seit 2011 verhandelt wurde, liege hingegen schon der Vertragstext vor. Handel sei für
ein Exportland wie Österreich von großer Bedeutung. „Die Komponenten von Handelsabkommen, die sich rein
auf den Handel, auf Zölle beziehen, unterstützen wir auch“, so Kern. Allerdings sei CETA ein Abkommen
neuen Typs, in dem es auch um Regulierungsfragen geht.
In Österreich gebe es bereits eine breite Diskussion zu CETA und TTIP, wies Kern etwa auf den Entschließungsantrag
des Parlaments und einen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz sowie Beschlüsse von Gemeinden zu den Freihandelsabkommen
hin, die die kritischen Punkte aufgreifen. „Mit dieser Kritik haben wir uns auseinanderzusetzen. Das ist kein populistischer
Reflex für die kurze Schlagzeile, sondern eine breite Bewegung, mit der wir eine seriöse, intensive Diskussion
führen wollen.“ Wichtig bei aller Skepsis sei die Differenziertheit.“ Daher sollen im Diskussionsprozess Gegner
und Befürworter zu Wort kommen – vom Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Kapsch, dem Industriellen
Hannes Androsch, Spar-Chef Gerhard Drexel über Wifo-Chef Badelt bis hin zu BürgermeisterInnen und Landeshauptleuten,
aber auch die Zivilgesellschaft, Greenpeace, Attac usw. wird miteinbezogen.
„Wir legen besonderes Augenmerk darauf, ob das Abkommen einen Beitrag leistet, den Handel gerechter zu machen und
Wohlstand gerecht zu verteilen“, so der Kanzler. Zudem dürfe sich das Gewicht demokratischer Entscheidungen
nicht zugunsten der Interessen global agierender Konzerne verschieben, das betreffe besonders den Investitionsschutz.
CETA sei zwar ein Fortschritt gegenüber bestehenden Abkommen, so sei etwa das „right to regulate“ für
Staaten verankert, allerdings seien die Bestimmungen zur sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit nicht ausreichend
abgesichert. Sorge bestehe auch bezüglich eines erhöhten Liberalisierungs- und Privatisierungsdrucks,
insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge. Beim Investorenschutz gebe es zwar Fortschritte, aber dennoch sei
die Einrichtung von Sondergerichten „schwer zu verstehen, wenn es ordentliche Gerichte und vorhandene Schutzmechanismen
für Investoren gibt“, sagte der Bundeskanzler. Zur Absicherung von Sozial- und Umweltstandards gebe es zwar
ein Bekenntnis in CETA, aber ohne Sanktionsinstrumente – „was proklamiert wird, kann nicht eingehalten werden“,
gab Kern zu bedenken.
Der sauberste Weg, Verbesserungen im Abkommen mit Kanada zu erreichen, wäre, den Verhandlungsprozess wieder
aufzunehmen, dafür Verbündete zu finden, sei jedoch schwierig. Die zweite Option sei, möglichst
viele Teile des Vertrags in die nationale Zuständigkeit zu bringen. Die EU-Kommission hatte ja nach intensiven
Interventionen u.a. Österreichs entschieden, CETA als gemischtes Abkommen zu klassifizieren. Die „EU only“-Teile
gehen zwar in die vorläufige Anwendung, aber über die anderen Teile stimmen die Parlamente ab.
Kern hat am 02.09. in einer Telefonkonferenz mit der kanadischen Handelsministerin die Kritikpunkte aus österreichischer
Sicht dargelegt, ein Treffen ist für September anberaumt. Auch die SPD soll als Bündnispartner gewonnen
werden.
Hinter all dem stehe die Partizipation der Mitglieder: „Wir wollen die SPÖ ja öffnen und Entscheidungen
transparent machen“, so Kern. Die Diskussion über CETA/TTIP sei ein guter Punkt, da diese Abkommen „viel berühren,
was in der Sozialdemokratie eine Rolle spielt“. Diese Befragung sei „nur der Auftakt, in der Partei mitzustimmen.“
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler erläuterte, dass es zur Information
der Mitglieder und aller Interessierten die Website mitreden.spoe.at, eine Facebook-Seite (CETA/TTIP Unsere Meinung
zählt) und das „Österreich Magazin“ für Parteimitglieder gibt. Darin finden diese auch den Zugangscode
für die Teilnahme an der Befragung. „Darüber hinaus wollen wir auch Nicht-Mitgliedern die Gelegenheit
bieten, mitzudiskutieren und an der Befragung teilzunehmen“, so der SPÖ-Bundesgeschäftsführer.
„Die Befragung ist ein erster wichtiger Schritt, die Mitglieder stärker in Entscheidungen einzubeziehen und
an Prozessen zu beteiligen“, so Niedermühlbichler, denn „wir wollen die Offenheit leben. Ich hoffe auf rege
Beteiligung“. In weiterer Folge sollen sie auch zu vielen anderen Themen ihre Meinung kundtun können. Die
Kampagne und die Befragung laufen noch bis zum 18. September.
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