Tumorforschung: Neue Möglichkeiten in der Analyse von zirkulierender Tumor-DNA
Graz (universität) - Blutuntersuchungen entwickeln sich zu einem wichtigen Instrument in der Diagnose
und der Überwachung des Therapieverlaufs von KrebspatientInnen. Besonders vielversprechend sind neue Ansätze,
die auf der Analyse von kleinen Fragmenten des Erbgutes aus Tumorzellen, die von diesen in den Blutkreislauf abgegeben
werden können, beruhen. Das Erbgut von Tumorzellen unterscheidet sich von dem von normalen Zellen durch Veränderungen,
auch Mutationen genannt, welche die funktionellen Einheiten, die sogenannten Gene, so beeinträchtigen können,
dass sie ihre Aufgabe Eiweiße (Proteine) zu bilden, nicht mehr oder nur eingeschränkt ausführen.
Bisher erlaubten die Analysen aus dem Blut nur Rückschlüsse über Mutationen im Tumorerbgut zu ziehen,
nicht aber inwieweit dadurch auch die Funktion einzelner Gene verändert wird. WissenschafterInnen an der Med
Uni Graz und der TU Graz ist es nun erstmals gelungen, durch eine Blutuntersuchung die Genexpression einzelner
Gene im Tumorgewebe von Brustkrebspatientinnen vorherzusagen, was die diagnostischen Möglichkeiten deutlich
erweitert und künftig für Therapieentscheidungen von KrebspatientInnen mit eingesetzt werden könnte.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Journal "Nature Genetics" publiziert.
ctDNA: Winzige Bruchstücke des Tumorerbgutes im Visier der Wissenschaft
Die Analyse von Fragmenten des Tumorerbgutes im Blut, auch als zirkulierende Tumor-DNA (engl.: circulating tumor
DNA; ctDNA) bezeichnet, entwickelt sich aktuell rasant zu einem wichtigen Werkzeug in der Diagnose und Überwachung
von KrebspatientInnen. "Das kostengünstige Verfahren ist eine sehr gute Alternative zu aufwendigen und
teils invasiven Untersuchungsverfahren in der Krebsdiagnostik bzw. in der Therapiekontrolle", erklärt
Peter Ulz, Institut für Humangenetik der Medizinischen Universität Graz und Erstautor der Studie. Der
Hintergrund des Verfahrens ist, dass absterbende Tumorzellen winzige Erbgutbruchstücke in das Blut abgeben,
aus denen sich Tumor-spezifische Mutationen ablesen lassen. "Dabei liefert die Blutuntersuchung Rückschlüsse
auf das Erbgut des Tumors und dessen Entwicklung während der Therapie", so Peter Ulz. Jedoch hat die
Detektion von ctDNA auch Grenzen, da aktuell nur statische Veränderungen auf DNA-Ebene ablesbar sind, wie
beispielsweise Punktmutationen oder Kopienzahlveränderungen. Wichtige dynamische Marker, wie die Expression
einzelner Gene, konnten bis dato jedoch nicht analysiert werden.
Entdeckung: Erstmals Rückschlüsse über Genexpression in Tumorgeweben durch eine Blutuntersuchung
nachweisbar
Dieser Sachverhalt beschäftigte ein interdisziplinäres Team im Rahmen der interuniversitären Forschungskooperation
BioTechMed-Graz rund um das Institut für Humangenetik an der Med Uni Graz und das Institut für Molekulare
Biotechnologie der Technischen Universität Graz.
Ausgangslage ist der Prozess der Transkription, der erste Schritt in der Genexpression, also dem Prozess, wie die
genetische Information zum Ausdruck kommt bzw. sich der Genotyp ausprägt - z.B. gesundes Gewebe oder Tumorgewebe.
Die im Blut zirkulierende DNA stammt hauptsächlich von Zellen, die einen programmierten Zelltod durchlaufen
haben. Dabei wird die DNA von Enzymen gespalten und es entsteht ein typisches Fragmentmuster. Da bestimmte Proteine
in definierten Abständen an die DNA gebunden sind (Nukleosomen), werden Bereiche, die an Proteine gebunden
sind, nicht abgebaut. "Eine bestimmte Kontrollbereich Kontrollregion von aktiven Genen ist allerdings nicht
durch solche Proteine vor dem Abbau geschützt und wird somit von DNA spaltenden Enzymen bevorzugt verdaut",
beschreibt Peter Ulz den Vorgang. Die Transkription von Genen hinterlässt somit immer eine Spur auf der DNA
im peripheren Blut. "Durch die Sequenzierung aller Fragmente im peripheren Blut, kann nun auf Grund des Fehlens
einzelner Fragmente auf eine Genexpression rückgeschlossen werden", erklärt Peter Ulz.
In einem ersten Schritt haben die WissenschafterInnen gezeigt, dass im Blut zirkulierende DNA-Fragmente tatsächlich
mit Nukleosomen assoziiert sind und dadurch vermehrt für die Sequenzierung zur Verfügung stehen. In einem
weiteren Schritt ist es den ForscherInnen gelungen nachzuweisen, dass sich das Fragmentmuster in gesunden ProbandInnen
zwischen aktiven und nicht-aktiven Genen unterscheidet. Unterstützt durch maschinelles Lernen konnten die
WissenschafterInnen über das Fehlen dieser Fragmente Vorhersagen treffen, welches Gen aktiv exprimiert wird
und welches nicht, wobei die Vorhersage gut mit experimentell ermittelten Werten übereinstimmt.
Dynamischer Marker in der Krebstherapie
Die von den ForscherInnen entwickelte Analyse wurde zur Untersuchung von Blutproben von Brustkrebspatientinnen
herangezogen, um die Genexpression einzelner Gene in Regionen mit Kopienzahlerhöhungen vorherzusagen. "Durch
den Vergleich mit experimentellen Daten aus der Genexpressionsanalyse von Primärtumorgewebe der Patientinnen
konnten wir zeigen, dass unsere Analyse in der Lage ist, exprimierte von nicht-exprimierten Genen unterscheiden
zu können", fasst Peter Ulz zusammen. Dadurch könnte es in Zukunft auch in anderen Krebsarten möglich
sein, zusätzlich zu statischen Informationen des Tumorgenoms auch funktionelle Informationen, wie etwa die
Genexpression, aus Analysen der ctDNA abzuleiten. Dies könnte helfen, Änderungen im Tumorgenom, die im
Laufe einer Krebserkrankung entstehen, besser und umfassender zu verfolgen um einen größeren Einblick
in die Tumorbiologie zu bekommen. Welche Konsequenzen der Informationsgewinn auf die Behandlungsstrategien für
unterschiedliche Krebserkrankungen haben könnte, lässt sich noch schwer abschätzen, die Hoffnung
wäre allerdings, auf eine Veränderung im Tumor schneller und mit geeigneten, zielgerichteten Therapien
reagieren zu können. Langfristig gesehen könnte dieser Ansatz somit die personalisierte Medizin weiter
vorantreiben und den Nutzen der ctDNA Analysen weiter in den Vordergrund stellen.
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