Mehr als 20.000 Rehageld-Bezieher von Statistik ausgeblendet – Gleitsmann: „Menschen nicht
unter anderem Titel ‚verwalten‘, sondern wirksame Reintegrationsmaßnahmen umsetzen“
Wien (pwk) - Das Beschäftigungs-, Rehabilitations- und Pensionsmonitoring des Sozialministeriums weist
einen geringfügigen Anstieg des Pensionsantrittsalters im ersten Halbjahr 2016 um 2 Monate auf 60,3 Jahre
aus. „Die vermeintlich gute Nachricht hat jedoch einen deutlichen Schönheitsfehler: Die Bezieher von Rehabilitationsgeld
werden dabei ausgeblendet. Wenn man seriöses Pensionsmonitoring betreiben will, so muss auch diese große
Gruppe berücksichtigt werden, schließlich erhalten diese Versicherten auch Sozialleistungen aus dem
Pensionsbudget“, betont Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit der WKÖ.
Rechnet man die Bezieher von Rehabilitationsgeld in die Statistik mit ein - per Juli 2016 waren dies rund 20.100
Personen - so fällt das durchschnittliche Antrittsalter deutlich niedriger aus, nämlich geschätzt
59,3 Jahre (das Antrittsalter inkl. Rehabilitationsgeldbezieher wird immer nur zu Jahresende ausgewertet). 2015
betrug das Antrittsalter ohne Rehabilitationsgeldbezieher 60,2 Jahre, unter Berücksichtigung dieser Gruppe
59,1 Jahre. Die tatsächlichen Aufwendungen für Rehabilitationsgeld betrugen im Jahr 2015 gesamt rund
339 Mio Euro.
Kein Nachweis für Wirksamkeit von medizinischen Reha-Maßnahmen
„Der Sozialminister behauptet, dass die seit 1.1.2014 eingeführten verstärkten medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen
wirken. Dieser Befund lässt sich leider mit Fakten nicht belegen – im Gegenteil: So war mit Stichtag 31.12.2015
von insgesamt rund 18.600 Rehabilitationsgeldbeziehern lediglich für rund 500 Bezieher eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme
zweckmäßig, in beruflichen Maßnahmen befanden sich per 31.7.2016 gar nur 144 Versicherte. Das
politisch richtige Ziel, vorübergehend arbeitsunfähige Menschen durch Rehabilitationsmaßnahmen
wieder ins Erwerbsleben zu integrieren, wird auf diese Weise leider nicht umgesetzt“, so der WKÖ-Experte.
Invaliditätspension verfehlt Ziel der der Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt
Alarmierend ist der Umstand, dass die 2014 in Kraft getretene Reform der Invaliditätspension, eines ihrer
zentrale Ziele - nämlich die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt - gar nicht erreicht. Die Menschen werden
derzeit genauso im Transferbezug „geparkt“ wie früher in der befristeten Invaliditätspension - nur mit
dem Unterschied, dass sie statistisch nicht das Pensionsantrittsalter senken. „Die Wirtschaftskammer bekennt sich
zum Grundsatz Rehabilitation vor Pension. Entscheidend dabei ist es jedoch, Menschen nicht unter einem anderen
Titel zu verwalten, sondern sie durch gezielte medizinische und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen wieder
in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die tatsächlichen Zahlen sind meilenweit von den Prognosen des Sozialministeriums
entfernt ", kritisiert Gleitsmann.
Experten-Empfehlungen umsetzen
Als sinnvolle konkrete Maßnahme sollten die von den Sozialpartnern vorgeschlagenen Reformvorschläge
für vorübergehend arbeitsunfähige Menschen nach dem Motto „Reintegration vor Pension“ rasch umgesetzt
werden. Gleitsmann: „Die Sozialpartner haben der Bundesregierung ein Bündel an Maßnahmen vorgelegt,
leider hat das bis dato immer noch nicht in einem Gesetzesentwurf Niederschlag gefunden.“
Auch Empfehlungen internationaler Experten an die österreichische Pensionspolitik liegen teils seit Jahren
auf dem Tisch und fänden keine Umsetzung, kritisiert Gleitsmann und verweist etwa auf die von der EU-Kommission
empfohlene Koppelung des Antrittsalters an die Lebenserwartung – Stichwort Nachhaltigkeitsautomatismus sowie die
raschere Harmonisierung des Antrittsalters der Frauen. „So erfreulich die steigende Lebenserwartung für uns
alle auch ist, so alarmierend ist leider die Kostendynamik bei den Pensionsausgaben“, unterstreicht Gleitsmann
den Handlungsbedarf.
Die Pensionen fressen einen immer größeren Anteil am Budget: Nach dem Strategiebericht der Bundesregierung
steigen die Pensionsausgabenausgaben von 2013 bis 2019 um fast 5,5 Milliarden Euro, also dreimal so viel wie die
Ausgaben für die Zukunftsbereiche Familie, Jugend, Bildung, Wissenschaft, Forschung, Frauen in Summe.
Beschäftigungsquoten Älterer bereits erreicht
Erfreulich ist, dass dank der heimischen Betriebe die Beschäftigungsziele bei den älteren Arbeitnehmern
in greifbarer Nähe liegen. „Unsere Betriebe erfüllen gesetzliche vereinbarte Quote bereits bzw. sind
knapp dran. Das zeigt, dass Anreizsysteme besser wirken als jede Strafkeule. Es gibt also keinerlei Gründe,
hier weiter nachzuschärfen“, stellt der WKÖ-Experte klar.
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