Gemeinde Fliess in Tirol bei Champions-League der Dörfer als Beste der Besten gekürt
St. Pölten (landentwicklung) - Die Tiroler Gemeinde Fliess gewinnt den Europäischen Dorferneue-
rungspreis 2016, der von der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung unter ihrem Vorsitzenden
Landeshauptmann Erwin Pröll diesmal unter dem Motto "offen sein" ausgetragen wurde. Rund 1.000 DorferneuerungsakteurInnen
aus ganz Europa wohnten der stimmungsvollen Preisverleihung in der ungarischen Plattensee-Gemeinde Tihany, die
den Wettbewerb vor zwei Jahren gewonnen hatte, bei. Der Festakt war in ein buntes Rahmenprogramm eingebettet, das
sich vom 8. bis 10. September über drei Tage erstreckte und bei dem sich sowohl die Gastgeber als auch die
24 Wettbewerbsteilnehmer aus elf Staaten auf vielfältige Weise präsentierten und begegneten.
Das Motto des 14. Europäischen Dorferneuerungspreises lautete "offen sein" und war ein Signal dafür,
der "Kirchturm-Politik" den Rücken zu kehren, Scheuklappen abzulegen und einen offenen Blick für
das Neue, das Unbekannte und das Ungewöhnliche zu gewinnen. Dabei ging es gleichermaßen um die Offenheit
für innovative Ideen, Strategien und Perspektiven wie auch um die Offenheit für Menschen mit "anderen"
Lebenskonzepten, Religionen, Nationalitäten und gesellschaft- lichen Backgrounds. "Dorferneuerung, so
wie wir sie in der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung sehen, meint neben dem äußerem
Erscheinungsbild und sichtbaren oder in Zahlen messbaren Maßnahmen auch die ‚inneren', die ‚weichen' Qualitäten
einer Kommune, die es zu stärken gilt", erläuterte der Vorsitzende der ARGE, Landeshauptmann Erwin
Pröll, im Rahmen eines Talks, bei dem auch hochrangige Vertreter der ungarischen Regierung teilnahmen, die
Wettbewerbs- Intentionen. Es zeige sich deutlich: "Wer in seiner Heimat fest verankert ist, der kann auch
weltoffen anderen Menschen und Kulturen begegnen. Wer weiß, wo er steht, muss keine Angst davor haben, entwurzelt
zu werden." Menschliche Vielfalt stelle keine Bedrohung, sondern eine Bereiche- rung dar.
Die Herausforderungen für die ländlichen Räume Europas sind enorm, demografische Verände- rungen,
Stadt- und Landflucht, Klimawandel, Ressourcenknappheit, infrastrukturelle Ausdünnung und schrumpfende Wertschöpfung
zählen zu den zentralen Problemen, die es zu lösen gilt. Die finanziellen Mittel wie auch die strukturellen
Rahmenbedingungen dafür sind vielfach alles andere als optimal. "Umso wichtiger ist es für Dörfer,
Gemeinden und Kleinregionen, Offenheit für neue, zuweilen auch unkonventionelle Wege an den Tag zu legen",
zeigte sich der Vorsitzende der international und interdisziplinär besetzten Jury, der Luxemburger Charles
Konnen, überzeugt. "Wir erkennen einen deutlichen Vorteil für jene, die offen sind für Kooperationen,
die die Grenzen zu ihren Nachbarn als Übergänge ansehen und die sich mit diesen zu interkommunalen und
regionalen Allianzen und Verbänden zusammengeschossen haben."
Dorfführungen, Besichtigungen, ein Open Space mit den WettbewerbsjurorInnen, eine Ausstellung der Wettbewerbsprojekte
mit Verkostungen regionaler Produkte und ein mitreißendes wie auch berührendes kulturelles Programm,
das von Gastgebern und Gästen gestaltet wurde, ließen Tihany zum Schauplatz für ein grandioses
dreitägiges Fest der Begegnung werden, bei dem Europa nicht als abstraktes Gebilde, sondern als vielfältige,
pulsierende Gemeinschaft erlebt wurde.
Erstmals eine Tiroler Gemeinde als Siegerin
Die siegreiche Gemeinde Fließ, die den renommierten Europäischen Dorferneuerungspreis erstmals nach
Tirol holen konnte, beeindruckte die Jurorinnen und Juroren mit einem beispielhaften, von den Gemeindeverantwortlichen
initiierten, den Bürgerinnen und Bürgern getragenen, aufeinander abge- stimmten und von ExpertInnen begleiteten
Entwicklungsprozess - ein Entwicklungsprozess, der auf den vorhandenen Potenzialen aufbaut und durch regionale
wie auch überregionale Kooperationen bereichert wird. Ständige Begleiter sind ein hohes Maß an
Offenheit für neue Ideen und eine ausgeprägte Sensibilisierung für die eigene Geschichte.
Im Zentrum des vorbildlichen Entwicklungsgeschehens stehen
- eine ressourcenschonende Siedlungspolitik,
- eine zeitgemäße Baukultur zur Belebung der Ortskerne,
- die Schaffung bzw. Erhaltung von hochwertigen Einrichtungen und Dienstleistungen,
die auf die Bedürfnisse aller Generationen und Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sind,
- die Unterstützung von Landwirtschaft, Wirtschaft und Beschäftigung,
- die Förderung von Kunst und Kultur sowie
- die Pflege und Inwertsetzung von Natur- und Kulturlandschaft.
Als besonders mottogerecht wurden seitens der Bewertungskommission schließlich die gemeindeübergreifende
Zusammenarbeit im Naturpark Kaunergrat, die Hinwendung zu einer mutigen Architektur, die kreativen Wege in der
Schule oder die intelligente und integrationsfördernde Einbindung von AsylwerberInnen ins Treffen geführt.
Gemeinde Kirchberg an der Pielach, Niederösterreich, wird "Vize-Europameister"
Neben der Siegergemeinde Fließ haben es noch weitere sieben der insgesamt 24 teilnehmenden Dörfer, Gemeinden
oder Regionalverbände in die höchste Kategorie geschafft, die jene Teilnehmer umfasst, die sich durch
eine ganzheitliche, nachhaltige und mottogerechte Dorfentwicklung von herausragender Qualität auszeichnen.
Unter diesen "Vize-Europameistern" konnte sich auch die niederösterreichische Gemeinde Kirchberg
an der Pielach einreihen, die sowohl mit interkommunaler Zusammenarbeit, insbesondere im Rahmen der Marke "Dirndltal",
als auch mit kreativen, offenen Entwicklungsprozessen und Maßnahmen punkten konnte.
Erstmals wurde auch ein Sonderpreis der Jury vergeben, der die slowakische Gemeinde Spišský Hrhov für
das wertschätzende Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen belohnt.
Der Wettbewerb um den Europäischen Dorferneuerungspreis wurde 1990 von der Europäischen ARGE Landentwicklung
und Dorferneuerung mit dem Ziel, den Erfahrungsaustausch zu fördern, Europas Zusammenwachsen zu begünstigen
und die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der ländlichen Regionen der europäischen Öffentlichkeit
bewusst zu machen, ins Leben gerufen. Er wird seit 1990 im 2-Jahresrhythmus veranstaltet und bewertet neben der
äußeren Erscheinung vor allem die inneren Qualitäten der Dörfer und Gemeinden, also Aktivitäten
im Sinne einer Standort angepassten wirtschaftlichen Entwicklung, die Schaffung zeitgemäßer sozialer
Einrichtungen, die Auseinandersetzung mit Architektur, Siedlungsentwicklung, Ökologie, Ressourcenverantwortung
und Energieversorgung sowie kulturelle Initiativen und Weiterbildungsmaßnahmen. Wesentlich dabei sind ein
ganzheitlicher Ansatz, eine Orientierung in Richtung Nachhaltigkeit und eine von Bürgerbeteiligung, Eigeninitiative
und Kooperationsbereitschaft geprägte Methodik der Umsetzung.
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