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Diskussion im Nationalrat über Gefahren
und Chancen von CETA und TTIP
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erstellt am
15. 09. 16
11:00 MEZ
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Nationalratspräsidentin Bures eröffnet Parlamentarische Enquete – EU-Kommissarin
Malmström wirbt bei Parlamentarischer Enquete für CETA
Brüssel/Wien (pk) – Der Widerstand in Österreich gegen die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada
und den USA, CETA und TTIP, ist groß. Unter anderem befürchten KritikerInnen, dass die hohen österreichischen
Lebensmittelstandards in Gefahr geraten, der Privatisierungsdruck, vor allem im Bereich der kommunalen Dienstleistungen,
erheblich steigen wird und dem österreichischen Staat durch Investitionsschutzklauseln Klagen internationaler
Großkonzerne gegen missliebige Gesetze drohen. Zwar ist unwahrscheinlich, dass die TTIP-Verhandlungen, wie
ursprünglich von der EU-Kommission erhofft, noch heuer abgeschlossen werden, der CETA-Vertrag liegt aber fertig
ausverhandelt auf dem Tisch und könnte zumindest in Teilen schon in Kürze zur Anwendung kommen. Welche
möglichen negativen Konsequenzen dadurch drohen, aber auch welche Chancen CETA und TTIP für das Exportland
Österreich bieten, damit befasst sich eine prominent besetzte Parlamentarische Enquete des Nationalrats am
14.09. Ausdrücklich für CETA warb dabei der kanadische Botschafter Mark E. Bailey, während sich
Bundeskanzler Christian Kern nach wie vor skeptisch zeigte.
Eröffnet wurde die Enquete von Nationalratspräsidentin Doris Bures, die in ihren Einleitungsworten betonte,
dass es Aufgabe der Abgeordneten sei, die Chancen und Risiken von TTIP und CETA abzuwägen. Es gehe zudem darum,
die Mitwirkungsrechte des Parlaments und die Transparenz des Verhandlungsprozesses sicherzustellen. Die Enquete
ist für Bures in diesem Sinn ein weiterer Baustein in einem bereits jahrelang geführten Diskussions-
und Meinungsbildungsprozess. Der Nationalrat hat etwa bereits im September 2014 eine Entschließung zu CETA
und TTIP gefasst und dabei die Befürchtung geäußert, dass es durch die beiden Abkommen zu einer
Absenkung europäischer Standards kommen könne, und die Sinnhaftigkeit eigener Sonderklagsgerichte in
Frage gestellt. "Ich wünsche uns eine gute Debatte, viel Erfolg und eine aufschlussreiche Diskussion",
so Bures abschließend.
Kern: CETA hat drei gravierende Schwächen
Bundeskanzler Christian Kern stellte die Handelsabkommen CETA und TTIP in einen größeren Zusammenhang.
Die "Phase massiv beschleunigter Globalisierung" in den letzten Jahren und Jahrzehnten habe zwar beachtliche
Wohlstandseffekte gebracht, die Verteilung dieser Wohlstandseffekte funktioniere in Europa aber nicht so wie erwartet,
mahnte er. Die EU sei vor 60 Jahren mit zwei Versprechen angetreten: Sicherheit und Wohlstand. Das zweite Versprechen
sei aber brüchig geworden. Kern sieht es als Aufgabe der Politik, darauf entsprechend zu reagieren. Ansonsten
würden radikale Kräfte das Projekt Europa von innen zersetzen, warnte er.
Österreich habe unbestritten von Freihandel und offenen Grenzen profitiert, und CETA sei auch das beste Handelsabkommen,
das die EU jemals abgeschlossen habe, unterstrich Kern. Nach Meinung des Bundeskanzlers sind aber einige Grundsatzprobleme
offen geblieben, vor allem in drei Bereichen sieht er Nachbesserungsbedarf gegeben. Kern fürchtet etwa, dass
die vorgesehenen Investitionsschutzgerichte zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse von der Politik zu
Gerichten führen werden, auch wenn man mittlerweile von der Idee klassischer Schiedsgerichte Abstand genommen
habe. Außerdem erwartet er einen deutlich steigenden Druck auf die Privatisierung und Deregulierung von Leistungen
im Bereich der Daseinsvorsorge sowie eine Stärkung internationaler Konzerne zu Lasten der Politik und der
Parlamente durch die besondere Betonung ökonomischer Standards.
Mitterlehner will CETA nicht mehr aufschnüren
Anders als Kern wandte sich Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner allerdings dagegen, CETA
noch einmal aufzuschnüren. CETA sei ein fertig ausverhandeltes Abkommen, von dem nicht nur die Industrie,
sondern vor allem auch kleine und mittlere Betriebe sowie die Landwirtschaft profitieren werden, unterstrich er.
Mitterlehner wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die Exportwirtschaft einen Anteil von 60% am BIP
habe und damit auch zehntausende Arbeitsplätze betroffen seien.
Die von Kern geäußerten Bedenken teilt Mitterlehner nicht. Er machte geltend, dass im Bereich des Investitionsschutzes
nun internationale Handelsgerichtsverfahren mit professionellen Richtern und Berufungsmöglichkeiten vorgesehen
seien. Auch seien keine Standards in Gefahr, da das "right to regulate" ausdrücklich im Abkommen
verankert wurde. Es werde auch niemand gezwungen, Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge zu privatisieren, etwa
was die Wasserversorgung, Pensionen oder Spitäler betrifft. Um den Bedenken der KritikerInnen Rechnung zu
tragen, kann sich Mitterlehner eine gemeinsame Erklärung über die Intention einzelner Punkte des Abkommens
vorstellen.
Bei TTIP sprach sich Mitterlehner allerdings für einen Neustart der Verhandlungen aus. Der Verhandlungsprozess
sei nicht transparent genug aufgesetzt gewesen, kritisierte er, etliches sei schief gelaufen. Man solle daher das
Verhandlungsgefüge neu aufsetzen und neu durchstarten, um dem entstandenen Misstrauen zu begegnen. Mitterlehner
betonte aber, dass er nach wie vor zu einem gut verhandelten fairen Abkommen mit den USA stehe.
Bailey: CETA ist keine Hintertür für TTIP
Grußworte kamen von der Botschafterin der USA in Österreich, Alexa L. Wesner, und vom kanadischen Botschafter
Mark E. Bailey. Bailey betonte dabei ausdrücklich, dass CETA und TTIP nicht miteinander vergleichbar seien
und CETA nicht als Vorhut oder Hintertür für TTIP gesehen werden könne. Es gebe massive Unterschiede
zwischen den USA und Kanada, etwa was Arbeitsgesetze oder das Sozialsystem betrifft, bekräftigte er. Durch
das Abkommen blieben die hohen europäischen und kanadischen Standards in Bereichen wie Lebensmittelsicherheit,
Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte vollständig gewahrt. Etliche auch für KanadierInnen wichtige Bereiche
wie das Gesundheitswesen, das öffentliche Bildungswesen und andere soziale Dienstleistungen seien von CETA
ausgenommen. Man habe zudem sichergestellt, dass ausschließlich KanadierInnen und EuropäerInnen von
CETA profitieren können, erklärte Bailey, wollten die AmerikanerInnen ähnliche Vorteile, bräuchten
sie ein eigenes Abkommen.
Generell betone Bailey, dass CETA nicht einfach irgendein weiteres Handelsabkommen sei, sondern ein neuer Maßstab
gesetzt werde. Durch das Abkommen würden die langjährigen Beziehungen zwischen Kanada und der EU vertieft
und dieses werde dazu beitragen, dringend notwendiges Wachstum und Jobs zu schaffen. Baileys warnte auch davor,
immer lauter werdenden Rufen nach Protektionismus im Handelsbereich nachzugeben, dadurch werde man gesellschaftliche
Spannungen nicht lindern, sondern weiter verschlimmern.
Wesner: Mit vereinten Kräften globale Standards definieren
US-Botschafterin Wesner stellte die gemeinsamen Werte Europas und der USA in den Vordergrund ihrer Rede. Diese
Werte seien nicht global, sondern laufend in Gefahr, mahnte sie. Deshalb sei es unbedingt notwendig, eine gemeinsame
Vision von der Zukunft zu haben. Um die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa, schon jetzt die größten
in der Welt, weiter auszubauen, braucht es ihrer Meinung nach geeignete Verträge.
Wesner wies darauf hin, dass bereits seit drei Jahren über TTIP verhandelt werde. In dieser Zeit habe man
essentielle Verhandlungsfortschritte erzielt. Trotz noch bestehender Auffassungsunterschiede in einzelnen Bereichen
sollte man ihr zufolge rasch zu einem Abschluss der Verhandlungen kommen. Die USA seien offen für Diskussionen,
betonte Wesner, man solle das Abkommen nicht an Differenzen im Ein-Prozent-Bereich scheitern lassen.
Vorläufige Anwendung von CETA nur in Teilbereichen möglich
Die rechtlichen Grundlagen für die beiden Freihandelsabkommen erläuterten Andreas Kumin vom Außenministerium
und Gerlinde Wagner von der Parlamentsdirektion. Beide ExpertInnen betonten, dass es sich bei CETA und TTIP um
gemischte Abkommen handelt, für die zwar in weiten Bereichen ausschließlich die EU, in Teilbereichen
aber auch die EU-Mitgliedstaaten zuständig sind. Ihrer Einschätzung nach können in diesem Sinn Teile
des bereits ausverhandelten CETA-Abkommens erst nach einer Ratifikation durch das österreichische Parlament
in Österreich angewendet werden. Insbesondere geht es dabei um Verkehrsdienstleistungen, Investitionsschutzbestimmungen
und Steuerfragen. Gänzlich geklärt ist der Umfang der nationalen Zuständigkeiten aber nicht, derzeit
läuft, im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen der EU mit Singapur, zu dieser Frage ein Gutachtenverfahren
beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Eine Unterzeichnung von CETA durch die EU kann Österreich allerdings nicht verhindern. Dafür reicht eine
qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Rat.
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Unterschiedliche Expertenmeinungen zur Freihandelspolitik
Die aktuelle Freihandelspolitik der Europäischen Union, die insbesondere durch die "neue Generation"
von Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) zum Ausdruck kommt, stand sodann im Mittelpunkt von
vier Referaten von Wirtschaftsexperten. Während Fritz Breuss (WIFO) die ökonomischen Effekte als gering
einstufte, gab Verena Madner (Wirtschaftsuniversität Wien) zu bedenken, dass es im CETA-Vertrag zwar viele
Ausnahmen gebe, die aber teilweise beschränkt sind und zudem zu Rechtsunsicherheiten führten. Außerdem
werden den Schiedsgerichten nicht unbeträchtliche Spielräume ermöglicht. Bei CETA und TTIP gehe
es nicht mehr um bloße Handelsverträge, sondern um sehr umfassende Regulierungsabkommen, erklärte
Werner Reza (ÖFSE). Den zu erwartenden geringen Wachstumseffekten und Effizienzgewinnen stehen aber zum Teil
negative Verteilungseffekte und ökologische Kosten gegenüber. Eine gemeinsame Handelspolitik mache die
EU schlagkräftiger und glaubwürdiger in der Welt, meinte Jörg Wojahn von der EU-Vertretung in Wien,
und davon profitieren vor allem exportorientierte Länder wie Österreich und insbesondere die kleinen
und mittleren Unternehmen.
Breuss: "Viel Lärm um Nichts" bei CETA; TTIP ist wohl politisch tot
Globalisierung fördert Wachstum und Wohlfahrt, stellte Universitätsprofessor Fritz Breuss zu Beginn seiner
Wortmeldung fest, allein zwischen 1990 und 2014 konnte Österreich das BIP pro Kopf um real 880 € pro Jahr
steigern. Dass internationaler Handel auch einen wettbewerbsstimulierenden Effekt hat, beweise u.a. die Tatsache,
dass Österreich durch die schrittweise Öffnung seiner Volkswirtschaft (Osteuropa 1989, EU-Mitgliedschaft
1995 plus EU-Osterweiterung) bis zuletzt profitiert habe. Sowohl CETA als auch TTIP stehen nun für eine neue
Wirtschaftspolitik der EU, die auf einen umfassenden Abbau von Handelshemmnissen abzielt, erklärte der WIFO-Experte
Fritz Breuss. Ähnliche Verträge habe man bereits mit Südkorea und Japan abgeschlossen bzw. verhandelt,
die aber interessanterweise keinen Niederschlag in der öffentlichen Debatte gefunden hätte.
Seiner Einschätzung nach sei CETA grundsätzlich ein guter Vertrag, der (fast) alle gegenseitigen Wünsche
berücksichtigt, aber aufgrund der geringen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Kanada und Österreich
seien die ökonomischen Effekte mit der Lupe zu suchen. TTIP wiederum sei ein Abkommen zwischen den zwei größten
globalen Handelsregionen und würde somit 54% des gesamten Welthandels umfassen. Da auf EU-Seite die höheren
Schranken bestehen (sowohl in Bezug auf Zölle als auch bei nicht-tarifären Hemmnissen), werde die Union
durch das Abkommen weniger profitieren als die USA. Politisch umstritten seien überdies die institutionellen
Rahmenbedingungen (Streitbeilegungsverfahren, regulatorische Kooperation etc.), gab Breuss zu bedenken, außerdem
stehe gerade die österreichische Bevölkerung dem Vertrag negativ gegenüber (70% Ablehnung). Möglicherweise
sind die genannten Freihandelsabkommen zu ambitioniert angelegt, um auf ausreichend Akzeptanz in der Bevölkerung
und in der Politik zu stoßen, urteilte er. Wenn man schon so komplexe Verträge haben will, dann hätte
man auch das Wettbewerbsrecht inkludieren sollen, regte Breuss an, um einen unfairen Standortwettbewerb und somit
Steuergeschenke für multinationale Konzernen vermeiden zu können. Mitdenken müsse man auch die Auswirkungen
des Brexit, da Kanada und die USA sicher weniger Interesse an einem Abschluss der Verträge haben, wenn Großbritannien
nicht mehr dabei ist.
Madner: Handelsabkommen werfen Fülle von rechtlichen Interpretationsfragen auf
Universitätsprofessorin Verena Madner (WU Wien) bezeichnete TTIP und CETA als ehrgeizige und weitreichende
Abkommen, die vor allem in den Bereichen Daseinsvorsorge und Investitionsschutz die bisher ambitioniertesten Regelungen,
die jemals von der EU ausverhandelt wurden, enthalten. Öffentliche Dienstleistungen nehmen eine besondere
Rolle im europäischen Gesellschaftsmodell ein, ihr Stellenwert ist im EU-Primärrecht ausdrücklich
verankert, betonte sie. Allerdings enthalte gerade der CETA-Vertrag, der in allen Details bereits vorliegt, eine
Reihe von Ausnahmen, wie z.B. für die Abfallwirtschaft oder für öffentlich finanzierte Dienstleistungen
in den Sektoren Gesundheit, Soziales und Bildung. Was auf den ersten Blick als ausreichender Gestaltungsspielraum
aussieht, ergebe bei näherer Betrachtung ein etwas differenzierteres Bild. Einerseits sind nämlich die
Ausnahmen in ihrer Reichweite beschränkt und andererseits bestehen Rechtsunsicherheiten, analysierte Madner.
Im Besonderen hob sie hervor, dass Investoren auch im Bereich der Daseinsvorsorge auf Schadenersatz klagen können.
Außerdem zeigen die Erfahrungen in der Vergangenheit, dass die öffentlichen Interessen bei Schiedsgerichtsverfahren
oft nicht angemessen berücksichtigt wurden. Offen sei ihrer Meinung auch, ob die CETA-Klarstellungen nicht
umgangen werden können. Auch wenn einige Reformvorschläge auf dem Tisch liegen, wurde die entscheidende
Grundsatzfrage nicht beantwortet, weshalb Sonderklagebefugnisse für ausländische Investoren ein notwendiges
Rechtsschutzinstrument darstellen. Warum enthalte CETA zwar Verpflichtungen zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards,
aber keine Klage- und Sanktionsmechanismen? Weshalb sieht der Vertrag explizit vor dass BürgerInnen und inländische
Unternehmen sich vor Gerichten und Behörden nicht auf CETA berufen können? Generell müsse Europa
aber klären, welche Werte es bei der Mitgestaltung der Globalisierung einbringen möchte. Dies sei in
erster Linie eine politische und weniger eine rechtliche Entscheidung, so Madner.
Raza drängt auf eine nachhaltige Handelspolitik und warnt vor sozialen und ökologischen Kosten
Über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Effekte von CETA und TTIP referierte Werner Raza
von der Österreichischen Forschungsstiftung für internationale Entwicklung (ÖFSE). Er schickte seiner
Wortmeldung voraus, dass es sich bei dieser neuen Generation an Handelsverträgen im Grunde um Regulierungsabkommen
handelt. Das heißt, dass es dabei um die Angleichung, die Harmonisierung, die gegenseitige Anerkennung und
Vereinfachung von innerstaatlichen Regeln geht. Was die Wachstumseffekte betrifft, so pflichtete er Breuss bei,
dass diese zwar positiv sind, aber als klein bis sehr klein (zwischen 0 und etwas über 1%) eingestuft werden
können. Der Hauptgrund dafür sei, dass die durchschnittlichen Zollsätze im bilateralen Handel ohnehin
schon sehr niedrig sind. Auch der Abbau nicht-tarifärer Handelsbarrieren - also die Angleichung unterschiedlicher
Standards in sehr vielen Bereichen – bringe nur geringe Effizienzgewinne. Schließlich ging Raza noch auf
die möglichen Anpassungskosten am Arbeitsmarkt ein, wobei einige Sektoren verlieren und andere wieder profitieren
werden. Eine aktuelle Studie der Kommission kommt zum Schluss, dass möglicherweise über 1 Million Jobs
betroffen sein werden, was in Bezug auf TTIP hochgerechnet zu Kosten von etwa 24 Mrd. € führen wird (bei CETA
2, 4 Mrd. €). Daher müsse in diesem Bereich gegensteuern, forderte Raza, er bezweifle aber, dass der EU-Globalisierungsfonds
dafür der geeignete Mechanismus sei. Weniger qualifizierte Arbeitskräfte müssten zudem mit geringen
Reallohnverlusten rechnen. Bedauern äußerte Raza darüber, dass die ökologischen Aspekte in
der Diskussion zu wenig Berücksichtigung finden, denn eine starke Ausweitung des Handels führe zu einem
Anstieg der Emissionen insbesondere im Flug- und im Schiffverkehr.
Wojahn: Gemeinsame Handelspolitik sichert Wohlstand und Schlagkraft der EU in der Welt
Die Republik Österreich ist schon vor etlichen Jahren einem Freihandelsabkommen beigetreten, das "über
TTIP und CETA unendlich weit hinausgeht" erinnerte Jörg Wojahn, der Vertreter der Europäischen Kommission
in Wien, und bezog sich damit auf die EU-Mitgliedschaft. Die Debatten, die im Vorfeld des Beitritts stattgefunden
haben, sind den heutigen, die über CETA und TTIP geführt werden, nicht unähnlich, meinte er. Auch
damals war oft von Untergangsszenarien die Rede, die sich aber alle nicht bewahrheitet hätten. Da die WTO-Verhandlungen
ins Stocken geraten sind, musste sich die EU andere Wege überlegen, um den Außenhandel, der zu mehr
Wohlstand und einer Absicherung der Arbeitsplätze führt, voranzutreiben. Wojahn widersprach Aussagen,
wonach CETA und TTIP nur den großen Staaten nütze. Es mache viel mehr Sinn, wenn alle EU-Mitgliedsstaaten
gemeinsam an einem Strang ziehen; dies zeige etwa auch der Konflikt mit dem Apple-Konzern in Irland. Davon profitieren
dann wieder die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in einem geschützten Rahmen ihre Produkte
in andere Länder exportieren können, war Wojahn überzeugt.
Parlamentarier: Mehr Chancen für KMUs oder zu viele Nachteile für Umwelt, Soziales und Arbeitsmarkt?
In einer ersten Debattenrunde meldeten sich zahlreiche VertreterInnen der Parlamentsfraktionen zu Wort. SPÖ-Klubobmann
Andreas Schieder etwa bedauerte, dass im Fall von CETA dem Wunsch nach Einrichtung eines eigenen Handelsgerichtshofs
nicht entsprochen wurde. Nachbesserungen wären zudem in Bezug auf den Schutz der Daseinsvorsorge notwendig.
Wesentlich wichtiger als diese zwei Abkommen seien eine Regulierung der Finanzmärkte, europäische Wachstumsinitiativen
oder ein Investitionspakt mit der USA als Antwort auf den Klimawandel.
ÖVP-Abgeordneter Peter Haubner bekannte sich dazu, den globalen Handel aktiv mitzugestalten und nicht nur
zuzusehen. Gerade Österreich sei als kleines exportorientiertes Land davon abhängig, dass es Freihandelsabkommen
gibt, die den Zutritt zu Märkten erleichtern und Rechtssicherheit schaffen. Jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich
sei direkt oder indirekt vom Export abhängig, stellte er mit Nachdruck fest.
Im Sinne der Generationengerechtigkeit müssten in der Frage des Freihandels, der Wohlstand schafft, nun die
nächsten Schritte gesetzt werden, verlangte NEOS-Vertreterin Claudia Gamon. Auch sie sah bessere Chancen für
kleinere und mittlere Unternehmen, wenn ein gemeinsamer Rechtsrahmen geschaffen wird, weil dann für alle freie
und faire Marktbedingungen herrschen.
Natürlich sei Handel, den es schon seit der Steinzeit gibt, zu begrüßen, meinte Werner Kogler von
den Grünen, die Frage sei nur, unter welchen Bedingungen er stattfindet. In der konkreten Diskussion gehe
es vorrangig aber nicht um den Freihandel, sondern um Investitionen, Regulierungen und um die Standards. Was CETA
betrifft, so stünden den ökonomischen Vorteilen in homöopathischen Dosen aber eine Perforierung
des Vorsorgeprinzips gegenüber. Außerdem würde man auch eine Zweiklassenjustiz einführen,
kritisierte Kogler. Er forderte daher den Kanzler auf, das Abkommen derzeit nicht zu unterzeichnen, um eine vorläufige
Anwendung zu stoppen.
FPÖ-Mandatar Johannes Hübner sprach von einer Irreführung der europäischen Öffentlichkeit
und befürchtete, dass nach dem Abschluss von TTIP die USA die EU noch viel stärker am Gängelband
führen wird. Sie hätten dann nämlich legale Mittel in der Hand, um in interne demokratische Entscheidungen
der Union einzugreifen bzw. Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe einzuklagen.
Waltraud Dietrich vom Team Stronach hingegen machte sich große Sorgen um den Fortbestand der EU, da die EU-VertreterInnen
die Sorgen der Bevölkerung nicht ernst nehmen und mit einer gewissen Arroganz Dinge von oben verordnen wollen.
Wenn schon Handelsabkommen abgeschlossen werden, dann müssen die Partner auf Augenhöhe agieren und gleiche
Standards gewährleistet werden, forderte sie.
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Macht der Konzerne versus parlamentarische Souveränität
Bei CETA und TTIP scheiden sich die Geister. Das wurde auch am Nachmittag der Parlamentarischen Enquete
über die beiden Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA einmal mehr deutlich. Wie am Vormittag prallten
beim Panel zum Thema "Investitionsschutz, regulatorische Zusammenarbeit, Abbau tarifärer Hemmnisse, öffentliche
Dienstleistungen bei CETA und TTIP" die weit auseinandergehenden Meinungen und Einschätzungen aufeinander.
Während die einen davor warnten, dass der geplante Investitionsschutz zu einer Bevorzugung der Unternehmen
und gleichzeitig zur Einschränkung parlamentarischer Rechte führen werde und die Daseinsvorsorge unter
Druck gerate, gaben die anderen zu bedenken, dass Angst ein schlechter Ratgeber sei und es gerade für ein
Exportland wie Österreich notwendig sei, den Außenhandel durch derartige Freihandelsabkommen zu unterstützen.
Die Daseinsvorsorge sei in keiner Weise gefährdet, war aus dieser Gruppe zu vernehmen.
Nicht die Türen schließen, Exporte müssen zur Sicherung des Wohlstands gestärkt werden
So meinte etwa Michael Löwy von der Industriellenvereinigung, CETA und TTIP würden den Wirtschaftsstandort
Österreich sowie die Wirtschaft der EU stärken. Der Abbau von Zöllen sowie das vorgesehene Produktzulassungsverfahren
würden den Unternehmen viel Geld ersparen, welches sie wesentlich besser für Innovation und Arbeitsplätze
investieren könnten. Auch die Öffnung des Beschaffungsmarktes biete für die heimische Wirtschaft
große Chancen, warb Löwy für die Zustimmung zu CETA. Um den Wohlstand in Österreich abzusichern,
sei es notwendig, alles zu tun, um die Exporte zu steigern, da der Binnenhandel dafür zu schwach sei.
In gleicher Weise setzte sich der kanadische Chefverhandler für CETA, Steve Verheul, für die Umsetzung
des ausverhandelten Abkommens ein. Ihm zufolge handelt es sich dabei um ein modernes, fortschrittliches Abkommen,
das viele neue Standards im Bereich Gesundheit, Umweltschutz etc. setze und das die Dienstleistungen schütze.
In der EU werde kein Standard gesenkt, stellte er fest und wies auf die Bedeutung von CETA für zukünftige
Abkommen hin. Würde man jetzt die Türen schließen, würde man es anderen überlassen, weltweite
Handelsregeln festzulegen, mahnte er.
Verheul verteidigte den Investorenschutz, indem er sagte, dabei handle es sich um das modernste und fortschrittlichste
Kapitel. Die Rechte der Regierungen zu regulieren würden gewahrt, das Recht der Staaten und nicht jenes der
Unternehmen gestärkt. Regierungen könnten Gesetze ändern, wann und wie sie es wollen. Verheul wies
auch die Kritik an der regulatorischen Zusammenarbeit zurück. Es gebe in diesem Kapitel keine Verpflichtungen,
sagte er, die Bestimmungen bezögen sich auf zukünftige aber nicht auf bestehende Regelungen. Mit Nachdruck
betonte er, dass niemand zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen gezwungen werde, die Daseinsvorsorge
bleibe im Rahmen von souveränen innerstaatlichen Leistungen.
Konzerne werden auf Kosten der Demokratie und der BürgerInnen gestärkt
Anders sahen dies Jan Kleinheisterkamp (London School of Economics), Alexandra Strickner (attac) und Angela
Pfister (ÖGB). Kleinheisterkamp kritisierte vor allem den Investorenschutz, denn dieser führe zu einer
Inländerdiskriminierung, da er inländische Unternehmen im Wettbewerb schlechter stelle. CETA etabliere
ein Sonderrecht für ausländische Unternehmen auf eine Sondergerichtsbarkeit – ein Recht, das BürgerInnen
nicht haben, so der Experte. Darüber hinaus werde mit dem Investorenschutz auch der Rechtsgedanke unterwandert,
dass der Gesetzgeber oder die Verwaltung nicht daran gehindert werden dürfe, im öffentlichen Interesse
zu handeln. Er plädierte daher dafür, den internationalen Investitionsschutz lediglich subsidiär
zu gestalten und dem nationalen Rechtsschutz nachzuschalten, wie dies auch beim Schutz nach der Europäischen
Menschenrechtskonvention der Fall sei. Kleinheisterkamp erinnerte zudem daran, dass die USA und Australien in ihrem
bilateralem Freihandelsabkommen auf einen Investorenschutz verzichtet haben.
Von einem massiven Verlust parlamentarischer Souveränität und der Einschränkung von Handlungsspielräumen,
sprach Alexandra Strickner von attac. Die Entscheidungen würde auf die Ebene von Konzernen und nicht gewählten
Entscheidungsstrukturen verschoben. CETA schreibe eine bestimmte wirtschaftliche Orientierung, nämlich noch
mehr Liberalisierung, fest. Das gefährde vor allem die Daseinsvorsorge, die vom Investitionsschutz nicht ausgenommen
werde. Einmal getätigte Liberalisierungsschritte könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden,
sagte sie. Als besonders negativ wertete Strickner die gemeinsamen Ausschüsse, die für die Umsetzung
des Abkommens zuständig seien und auch Beschlüsse fassen können, womit das Abkommen weiter entwickelt
werde. Dabei seien die Parlamente nicht zwingend einzubinden, warnte sie.
Ähnlich ist die Einschätzung des ÖGB, wie dies Angela Pfister darlegte. Auch sie gab zu bedenken,
dass auch nach der Ratifizierung Bestimmungen geändert werden können, wobei sie eine mögliche Liberalisierung
der Wasserversorgung nicht ausschloss. Als besonders negativ bewerte sie die Negativlisten, die etwaige neue Dienstleistungen
nicht erfassen. Sie kritisierte ebenfalls scharf den Investitionsschutz, der über die bisherigen Freihandelsabkommen
hinausgehen. Allgemein drängte sie darauf, Arbeitnehmerrechte und Demokratie nicht in Frage zu stellen.
Kommt die Daseinsvorsorge unter Liberalisierungsdruck?
Auch in der anschließenden Diskussion standen der Investitionsschutz und die Sicherung der Daseinsvorsorge
im Mittelpunkt der Redebeiträge. Warum soll ein guter Rechtsstaat durch einen Rechtsstaat light ersetzt werden,
fragte etwa SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer, der kein Verständnis dafür fand, dass zwar InvestorInnen
geschützt werden, nicht aber ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen. Schiedsverfahren haben im Freihandelsabkommen
nichts verloren, meinte auch die Vertreterin des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands.
Vielfach kritisch wurden in der Diskussion auch die Negativlisten bewertet. Damit würden erstmals Liberalisierungspflichten
festgelegt, eine Rekommunalisierung sei nicht mehr möglich, beklagte SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharovits.
Sämtliche öffentliche Dienstleistungen, die nicht explizit erwähnt sind, müssen liberalisiert
werden. Ausgespart blieben zukünftige Entwicklungen, so eine weiter kritische Stimme. Seitens der Umweltschutzorganisation
GLOBAL 2000 wurde vor allem die vorgesehene regulatorische Kooperation ins Visier genommen, die dazu führe,
dass Konzerninteressen Vorrang vor Umwelt- und Konsumentenschutz erhalten. Das immer wieder ins Spiel gebrachte
right to regulate sei viel zu schwach.
Grün-Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber unterstrich das im EU-Primärrecht verankerte Vorsorgeprinzip, das
mit dem in CETA festgelegten wissenschaftlichen Prinzip nicht vereinbar sei. Seine Kollegin aus dem Bundesrat,
Heidelinde Reiter, kritisierte, dass demokratische Institutionen entmachtet würden, sie plädierte daher
für eine Verschnaufpause. Auch die Redner des ÖGB, der Arbeiterkammer und von attac bekräftigten
ihre Kritik am Freihandelsabkommen CETA.
Dem gegenüber warnte ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl davor, die Verlässlichkeit Österreichs
aufs Spiel zu setzen. CETA sei sechs Jahre lang mit allen Mitgliedstaaten und zahlreichen ExperInnen verhandelt
worden, führte er in Treffen. Die Schiedsgerichte seien nichts Überirdisches und auch nichts Neues, meinte
er, in CETA sei das höchst entwickelte Verfahren, das es jemals in einem internationalen Verfahren gegeben
hat, festgeschrieben. Sein Klubkollege Georg Strasser machte geltend, dass CETA viele Aspekte der ökosozialen
Marktwirtschaft enthalte, weshalb er dafür plädierte, die guten Ansätze mit Leben zu erfüllen.
Die Daseinsvorsorge und damit das Vorsorgeprinzip seien gesichert, bekräftigten ferner die Vertreter der Industriellenvereinigung.
Sie gaben zudem zu bedenken, dass bei einer Nichtumsetzung von CETA Europa gegenüber dem asiatischen Raum
ins Hintertreffen gelangen könnte.
Für einen kritischen Abschluss dieser Diskussionsrunde sorgte FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm, der die Sinnhaftigkeit
der Enquete in Frage stellte, da CETA längst auf Schiene und nicht mehr zu stoppen sei. Man dürfe keine
Hoffnungen wecken, die nicht zu erfüllen sind, so Wurm.
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CETA und TTIP führen zu Unsicherheiten bei Mindeststandards
"Sind unsere Standards durch CETA und TTIP gefährdet?" lautete die zentrale Frage beim zweiten
Panel der Parlamentarischen Enquete zu den geplanten Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA, CETA und
TTIP. Im Mittelpunkt standen dabei die Themen Lebensmittelsicherheit, Landwirtschaft, Konsumenten-, Umwelt- und
Arbeitnehmerschutz. Während KritikerInnen hier negative Auswirkungen der Abkommen auf das hohe Niveau bei
den österreichischen Standards befürchten, wurden von den BefürworterInnen die Vorteile von CETA
verdeutlicht.
Rupprechter: TTIP im Zweifel ablehnen, mehr Chancen als Gefahren bei CETA
In einem Eingangsstatement wies Umweltminister Andrä Rupprechter auf die grundsätzliche Bedeutung von
freiem und gerechtem Handel und damit auf die Bedeutung der Freihandelsabkommen als EU-Grundprinzip hin. Märkte
außerhalb der EU seien für die österreichischen Agrar- und Lebensmittelexporte in den letzten Jahren
stark wachsend. Diese steigende Nachfrage nach Qualitätsprodukten in Drittstaaten haben eine hohe wirtschaftliche
Bedeutung, ohne Freihandelsabkommen würden andere diese Märkte diktieren, verdeutlichte Rupprechter eine
Befürchtung.
TTIP betreffend sei die derzeitige Position der USA bei den Verhandlungen allerdings nicht akzeptabel, vor allem,
was die Einhaltung der Standards betrifft. Man sei bei diesem Abkommen weit von den mit dem Nationalrat abgestimmten
Ergebnissen entfernt. Er würde im Zweifelsfall TTIP ablehnen, denn er sehe derzeit keine Bewegung oder Möglichkeiten
zur Veränderung in den Verhandlungen und damit für einen Abschluss des Abkommens.
Das CETA-Abkommen sieht Rupprechter insofern differenzierter, als hier bei den Vereinbarungen die "roten Linien"
bei den Mindeststandards Beachtung fanden. Das betreffe ausgewogene Quoten mit positiven Ergebnissen für die
Milchproduktion, aber auch, dass bei den Herkunftsbezeichnungen ein Durchbruch erzielt wurde. Das Abkommen beinhalte
gute Absatzchancen für Agrarwaren und Lebensmittel, berge insgesamt mehr Chancen als Gefahren und sei daher
aus seiner Sicht überwiegend positiv im Landwirtschaftsbereich zu sehen.
Weyand: Freihandelsabkommen als Baustein in der globalen Ordnung
Die stellvertretende Generaldirektorin der Europäischen Kommission Sabine Weyand (Generaldirektion Handel)
wies in ihrem Eingangsstatement darauf hin, wie heftig und emotional die Debatte in Europa zu den Freihandelsabkommen
geführt werde. Sie teilt die Bedenken nicht, dass alle Standards unterminiert würden, sondern zeigte
die Wichtigkeit der Freihandelsabkommen als "Baustein in der globalen Ordnung" auf. Die EU brauche offene
Märkte, Freihandelsabkommen seien ein wesentlicher Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung nicht nur bei
bilateralen Beziehungen, sondern auch in der globalen Wertschöpfungskette. Kein Abkommen würde zu niedrigeren
Schutzniveaus führen, ganz im Gegenteil bewahre CETA demokratische Standards, auch durch internationale Zusammenarbeit
zur Verbesserung der Grundstandards, so Weyand. Das Abkommen bekräftige das Vorsorgeprinzip, beinhalte diskriminierungsfreie
Regulierungen bei Dienstleistungen, einen Durchbruch beim Investitionsschutz und stehe für fortschrittliche
rechtsstaatliche Verfahren, zeigte sich die Vertreterin der Europäischen Kommission absolut vom Abkommen CETA
überzeugt.
Plattform "TTIP Stoppen": CETA ist Kuhhandel mit Milch und Fleisch
Im Anschluss an die zwei Eingangsstatements folgten fünf Kurzreferate mit kontroversen Positionen zu den Themen
des Panels. Irmi Salzer, Plattform "TTIP Stoppen", betonte die Unterschiede der Landwirtschaftsstrukturen
zwischen Österreich und Kanada, letztere seien wesentlich größer dimensioniert, es stelle sich
die Frage, ob man damit konkurrieren will. Die Konzentration auf Saatgutmacht werde durch diesbezügliche Eigentumsrechte
wesentlich vergrößert, der Milchmarkt in Kanada würde durch CETA zerstört werden – es sei
ein regelrechter Kuhhandel, so Salzer. Die Profiteure des Abkommens seien die kanadische Fleischindustrie, die
europäische Milchindustrie und das Geschäft mit Gentechnik. Das Nachhaltigkeitskapitel bleibe dabei zahnlos,
ebenso wie bei CETA und TTIP insgesamt nur Plattitüden für Klima und Menschen enthalten seien.
Landwirtschaftskammer: Internationale Abkommen für fairere Bedingungen
Für Josef Plank, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich sind Freihandelsabkommen
wesentlich für die Land- und Forstwirtschaft. Gerade in Zeiten von Klimafragen und digitaler Revolution brauche
es internationale Abkommen um zu faireren Bedingungen zu kommen, auch einen Anteil an der Wertschöpfungskette
zu sichern sei ein wesentlicher Punkt. Bei TTIP seien aber jedenfalls die Einhaltung der "roten Linien"
der Standards wichtig, die nicht unterschritten werden dürfen. Die CETA-Verhandlungen hält Plank für
einen gut gemachten Prozess, der Kompromiss liege nun auf dem Tisch und biete die Chance auf Märkten außerhalb
Österreichs mit Qualität erfolgreich zu sein. Die Ausgewogenheit beim Marktzugang, der wechselseitige
Austausch bei Mengenkontingenten und das Vorsorgeprinzip seien verankert worden.
WKÖ: CETA nicht das Einfallstor für TTIP, sondern Benchmark
Susanne Schrott von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) betonte die positive Außenhandelsbilanz
bei Agrar- und Lebensmittelexport, dieser sei Wachstumsmotor und Jobgarant. Sie sprach sich dazu für ein klares
Ja zu TTIP-Verhandlungen und für CETA in der vorliegenden Version aus. Eine befürchtete Verwässerung
der Qualitätsstandards stehe ohnedies nicht zur Disposition, denn gerade die hohen österreichischen Standards
seien eine große Chance in der Vermarktung, mit dem Abkommen wolle man keine Absenkung. Es gebe bei CETA
auch ganz im Gegenteil Bestimmungen, die EU-Standards festschreiben, zudem sei eine Regelung über Ausnahmen
vom Warenverkehr enthalten, wonach die EU Import von Waren in bestimmten Fällen von Gefahr einschränken
kann, so Schrott. CETA sei jedenfalls nicht das Einfallstor für TTIP, sondern die Benchmark. Das Abkommen
sei ein gutes und ehrgeiziges Resultat, dessen vorläufige Anwendung sie befürwortete.
Arbeiterkammer: Risiken wesentlich höher als erwartete Vorteile
Dass internationale Mindeststandards bei Arbeitsnormen bisher weder in den USA noch in Kanada erfüllt werden,
betonte Éva Dessewffy von der Arbeiterkammer (AK). Es gebe ihrerseits große Bedenken betreffend die
sozialen, Arbeits- und Umweltstandards. In den USA bestehe zudem ein gewerkschaftsfeindliches Klima, die Beiträge
zu Pensionen und Sozialversicherungen würden sinken und die Einkommensunterschiede deutlicher. Ähnliche
Bedenken gebe es bei Kanada, wo Gewerkschaftsrechte eingeschränkt, deren Zulassung erschwert und Kollektivvertragsverhandlungen
beschränkt werden. Die Mindeststandards seien mangels Sanktionsmöglichkeiten nicht durchsetzbar, diese
müssten aber zur Bedingung gemacht werden, so die AK-Expertin. Problematisch sei jedenfalls auch, dass die
parlamentarische Mitbestimmung bei den Abkommen nicht gewährleistet sei. Wegen der weit höheren Risken
als erwarteten positiven Effekten lehnt Dessewffy beide Abkommen, CETA und TTIP, ab.
Greenpeace: Interessen von Menschen und Umwelt über Interessen der Konzerne stellen
Ebenso problematisch sieht Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit mit CETA die Beibehaltungsmöglichkeit
von Standards. Das Vorsorgeprinzip sei unzureichend verankert, der Konkurrenzdruck werde bei den Kosten für
Fleisch höher und die negativen Effekte von Sonderklagerechten würden nicht kompensiert. Er äußerte
auch rechtliche und demokratiepolitische Bedenken. Das Verhandlungsmandat zum Schutz des Gemeinwohls werde massiv
eingeschränkt, Konzerne und Lobbys würden ihre Interessen durchsetzen. Er appellierte an den Nationalrat,
die gesetzten "roten Linien" bei den Standards einzuhalten. Die Interessen von Menschen und Umwelt müssen
über den Interessen der Konzerne stehen, forderte Egit auf, CETA nicht in der vorliegenden Form zu unterzeichnen.
CETA und TTIP: "Nagelprobe für Politik"
In der anschließenden Diskussion kamen vor allem von Seiten der Landwirtschaft kritische Stimmen. Handel
sei wichtig, müsse aber fair sein, war immer wieder zu hören. Es wurden auch die den "großen
Unternehmen" eingeräumten Klagsmöglichkeiten kritisiert, weiters wurde gefordert, das ländliche
Einkommen zu schützen, den gefürchteten Preisverfall bei TTIP zu verhindern und ländliche Räume
zu bewahren. Bessere Preise für die BäuerInnen wären wichtiger als neue Exportmöglichkeiten,
ebenso eine klare, einfache Lebensmittelkennzeichnung in der EU, um KonsumentInnen vor Täuschung zu schützen.
CETA werde voraussichtlich wenig ökonomischen Nutzen haben, im Gegenzug könnten aber enorme Kosten auf
den Staat zukommen, war eine der Befürchtungen der Arbeitnehmerseite. Zölle wurden als Mittel genannt,
um ungleiche Märkte zu regulieren. Auch eine verpflichtende Volksabstimmung für die Abkommen wurde vorgeschlagen.
Insgesamt wurden die Abkommen auch als "Nagelprobe für Politik" gesehen.
Es gab aber auch Zustimmung zu den Abkommen. Statt einseitiger Informationen a la Chlorhuhn wurde Seriosität
eingefordert, außerdem solle man nicht die Angst der Menschen für Geschäfte benutzen. Von Industrieseite
kam der Appell, mehr auf die Chancen als auf die Risiken von CETA und TTIP zu fokussieren, seitens der Landwirtschaft
bedauerte man, dass bei CETA zwei Positionen unversöhnlich gegenüber stehen.
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EU-Kommissarin Malmström wirbt bei Parlamentarischer Enquete für CETA
EU-Kommissarin Cecilia Malmström ist nach wie vor überzeugt, dass das EU-Freihandelsabkommen mit
Kanada, CETA, auch für Österreich große Vorteile bringen wird. Österreich werde als am viertmeisten
globalisiertes Land eingestuft, mehr als 750.000 Arbeitsplätze seien von Exporten außerhalb der EU abhängig,
machte sie bei der Parlamentarischen Enquete im Nationalrat zu CETA und TTIP geltend. CETA ist nach Meinung von
Malmström überdies das beste Abkommen, das die EU jemals abgeschlossen hat, es verbessere auch die Möglichkeit
landwirtschaftliche Produkte zu exportieren. Wirklich überzeugen konnte Malmström die KritikerInnen unter
den Abgeordneten jedoch nicht, lediglich die ÖVP und die NEOS stellten sich ausdrücklich hinter den Vertrag.
Malmström versicherte, dass CETA nicht darauf ausgerichtet sei, den großen internationalen Konzernen
zu mehr Gewinn zu verhelfen. Vielmehr gehe es darum, allgemeinen Nutzen für die Bevölkerung zu schaffen.
Die Europäische Kommission habe nicht jahrelang über das Abkommen verhandelt, um den EU-BürgerInnen
irgendetwas aufzuzwingen, was ihnen Nachteile bringt.
Zu den immer wieder geäußerten Bedenken gegen das Abkommen merkte Malmström an, Kanada sei "kein
böses Land" sondern ein Freund und Verbündeter der EU mit gemeinsamen Interessen und ähnlichen
Werten wie die europäischen Länder. Lebensmittelsicherheit und Umwelt seien auch den KanadierInnen wesentliche
Anliegen. Zudem habe man das "Recht auf Regulierung im öffentlichen Interesse" ausdrücklich
im Abkommen verankert sowie öffentliche Dienstleistungen und die Daseinsvorsorge geschützt. Ebenso wenig
verpflichte CETA zu Privatisierungen. Auch die vorgesehenen Investitionsschutzregelungen untergraben Malmström
zufolge nicht das Recht, BürgerInnen und Umwelt zu schützen.
Die EU sei in der Krise, aber nicht wegen abgeschlossener Handelsabkommen, hielt Malmström den kritischen
Stimmen entgegen. Derzeit wird ihrer Auskunft nach insgesamt über rund 20 Handelsabkommen verhandelt, unter
anderem mit Japan, Indonesien, afrikanischen Ländern und Mexiko. Eine Hintertür für US-amerikanische
Unternehmen bietet CETA laut Malmström nicht, da eine Zweigniederlassung in Kanada nicht ausreiche, um vom
Abkommen zu profitieren.
Was das weitere Prozedere hinsichtlich des Vertragsabschlusses betrifft, informierte Malmström, dass die vorläufige
Anwendung des EU-Teils von CETA einer qualifizierten Mehrheit der EU-Länder im Rat bedürfe. Eine vorläufige
Geltung jener Teile, die in die Zuständigkeit der Mitgliedsländer fallen, müsste einstimmig beschlossen
werden. Endgültig in Kraft treten kann das Abkommen nur nach einer Ratifikation durch alle EU-Länder,
wobei Malmström einen bis zu vierjährigen Ratifikationsprozess erwartet.
SPÖ bleibt skeptisch
Der überwiegende Teil der Fraktionen ließ sich von Malmströms Werben allerdings nicht überzeugen.
So meinte etwa Christoph Matznetter von der SPÖ, dass seine Skepsis gegenüber CETA durch die Enquete
nicht beseitigt wurde. Auch sein Fraktionskollege Josef Cap bekannte sich dazu, nach wie vor ein Kritiker des Abkommens
zu sein. Er befürchtet sehr wohl, dass CETA als Hintertür für TTIP fungieren könnte. Besonders
skeptisch steht Cap den vorgesehenen Investitionsgerichten gegenüber: Europa habe ein lang entwickeltes Rechtssystem,
Sondergerichte hätten nur dann Sinn, wenn man geltende Standards aufweichen wolle.
Kassegger: FPÖ war von Anfang an gegen CETA und TTIP
Ähnliche Argumente kamen von den FPÖ-Abgeordneten Johannes Hübner und Axel Kassegger. Die FPÖ
sei von Anfang an gegen CETA und TTIP gewesen, sagte Kassegger, während es in der SPÖ nunmehr offenbar
einen Gesinnungswandel gebe. Nun wäre es seiner Meinung nach wichtig, dass Österreich im Rahmen der Unterzeichnung
des Vertrags ein klares Zeichen setzt.
Die Stellungnahme von EU-Kommissarin Malmström wertete Hübner als "Kaskade an Schönfärberei".
Die EU habe bereits jetzt sowohl mit Kanada als auch mit den USA einen gut ausgebauten Handel mit ganz wenigen
Zollhemmnissen, es gebe keinen Hinweis darauf, dass der Wohlstand durch CETA und TTIP wesentlich steigen würde,
hielt er gest. Gleichzeitig gebe es aber mehrfache Risiken durch die beiden Abkommen. Für Hübner ist
es entscheidend, inwieweit die EU Österreich nun "einfach die lange Nase zeigt" oder auf die geäußerten
Bedenken reagiert.
Grüne rufen Regierung zu Unterschriftsverweigerung auf
Grün-Abgeordneter Werner Kogler rief die Regierung dezidiert dazu auf, die Unterzeichnung von CETA zu verweigern.
Sein Fraktionskollege Wolfgang Pirklhuber stimmte mit der Einschätzung der FPÖ überein, dass die
österreichische Bevölkerung das Abkommen mehrheitlich ablehne. Er ortet insgesamt eine inkohärente
Politik der EU und vermisst etwa Impulse auf WTO-Ebene zur globalen Etablierung sozialer Standards und Umweltstandards
im Freihandel. Pirklhuber zufolge sind auch die öffentlichen Leistungen der Gemeinden bei CETA nicht ausreichend
abgesichert. Er bedauert zudem, dass das Wort Vorsorgeprinzip kein einziges Mal im Abkommen erwähnt werde.
Team Stronach sieht Einwände gegen CETA nicht ausgeräumt
Seitens des Team Stronach betonte Waltraud Dietrich, dass ihre Fraktion die Einwände gegen CETA - Schiedsgerichtbarkeit,
Entmachtung des Parlaments, jederzeitige Abänderungsmöglichkeit von CETA - nicht ausgeräumt sieht.
CETA müssten im Interesse der Bevölkerung die Giftzähne gezogen werden, forderte sie. Wolle man
den Glaubwürdigkeitsverlust der EU nicht weiter steigern, müsse die EU-Kommission die Bedenken ernst
nehmen. Niemand im Parlament sei gegen Handel, sagte Dietrich, es brauche aber einen Handel auf Augenhöhe.
ÖVP: Vorteile für Unternehmen nützen auch ArbeitnehmerInnen
Ausdrücklich befürwortet wurde CETA nur seitens der ÖVP und der NEOS. Vorteile für Unternehmen
würden auch den ArbeitnehmerInnen nutzen, gab Peter Haubner (V) zu bedenken. Er warnte überdies davor,
dass, wenn Europa die Chance nicht nutze, andere Länder wie Japan dies tun würden. ÖVP-Bundesrat
Martin Preineder machte geltend, dass Kanada eine Volkswirtschaft mit ähnlicher Werteordnung wie die europäischen
Länder sei. Er erwartet sich von CETA eine bessere Zukunft für die österreichische Landwirtschaft
als ohne das Abkommen.
NEOS: Freihandel nicht am Altar des Populismus opfern
Claudia Gamon von den NEOS hob hervor, dass gerade österreichische Nischenunternehmen von CETA profitieren
würden, etwa durch den Abbau von Zollschranken und die Verringerung komplexer Zertifizierungen. Die ÖsterreicherInnen
hätten ein ganzes Leben vom Freihandel profitiert und würden das auch in Zukunft tun, ist sie überzeugt.
Man dürfe Freihandel nicht pauschal ablehnen und "am Altar des Populismus opfern". Die EU-Kommission
hat laut Gamon außerdem beim Investitionsschutz gezeigt, dass sie beweglich sei.
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Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at
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