Verkehrsausschuss debattiert über verkehrspolitische Grundsatzfragen
Wien (pk) - Mit einer umfangreichen Tagesordnung begann der Verkehrsausschuss am 14.09. das neue Parlamentsjahr.
In einer Aussprache mit den Abgeordneten über aktuelle Themen wies Verkehrsminister Jörg Leichtfried
auf die raschen Entwicklungen im Bereich der E-Mobilität und des automatisierten Fahrens hin, die einen gesetzlichen
Rahmen brauchen werden. Außerdem befasste der Ausschuss sich mit dem Sicherheitsbericht 2015 der Sicherheitsuntersuchungsstelle
des Bundes sowie mit dem Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2015, die einstimmig zur Kenntnis genommen
wurden.
Debattiert wurden auch eine Reihe Anträge von FPÖ, Grünen und NEOS, bei denen es sich meist um Wiederaufnahmen
bereits vertagter Forderungen handelte. Auch diesmal wurden die Anträge von den Koalitionsparteien durchwegs
vertagt. So fordert die FPÖ günstigere Versicherungen für Autos, die zusätzliche Sicherheitsfeatures
haben, und will ein Österreich-Ticket für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel. Zudem sollen
laut Freiheitlichen Schulkinder in Bussen Anspruch auf jeweils einen Sitzplatz haben.
Die NEOS sprechen sich für eine Neuausrichtung der Finanzierung von Infrastrukturprojekten aus und wollen
Direktvergaben von gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträgen im öffentlichen Verkehr EU-konform beschränken.
Mit den Grünen teilen die NEOS die Forderung nach Änderungen in der Straßenverkehrsordnung, um
die Vorschriften für die Benützung von Miniscootern und Fahrrädern durch Kinder zu vereinfachen.
Umweltfreundliche und sichere Mobilität als Schwerpunkte der Verkehrspolitik
Verkehrsminister Jörg Leichtfried stellte in einer zweistündige Aussprache mit den Abgeordneten die Grundsätze
seiner Verkehrspolitik dar und nannte zwei Schwerpunkte für die nächste Zeit: Maßnahmen für
umweltfreundliche Mobilität und ein Maßnahmenpaket mit etwa hundert Einzelmaßnahmen, das demnächst
vorgestellt werde. Ziel sei eine Halbierung der Zahl der Verkehrstoten bis 2020. Wichtig seien vor allem Maßnahmen
zur Bewusstseinsbildung, speziell unter jungen Männern, die eine besondere Risikogruppe darstellten. Auch
die Frage der Ablenkungen als Unfallursache werde im Fokus stehen, sowie technische Maßnahmen, mit denen
Unfallfolgen verringert werden können. Als mögliche Maßnahme gegen alkoholisiertes Fahren nannte
der Minister auch so genannte Alko-Lock-Geräte. Gegenüber FPÖ-Verkehrssprecher Gerhard Deimek meinte
er, dass aus seiner Sicht mögliche technische Probleme nicht gegen ihren Einsatz unter gewissen Voraussetzungen
sprechen würden. ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger sagte die Unterstützung seiner
Fraktion für das Maßnahmenpaket des Ministers zur Verkehrssicherheit zu.
Die Grüne Behindertensprecherin Helene Jarmer unterstrich die Forderung nach Barrierefreiheit im öffentlichen
Verkehr und forderte erneut eine Telefon- bzw. Notrufzentrale für gehörlose Menschen. Auch andere Gruppen
würden von barrierefreier Kommunikation profitieren, meinte sie. Der Minister zeigte sich interessiert an
den technischen Neuerungen, die barrierefreie Kommunikation erleichtern sollen.
Jarmers Fraktionskollege Harald Walser erinnerte an die Anliegen des Nahverkehrs in Vorarlberg und Tirol. Die Abgeordneten
Konrad Antoni (S) und Werner Groiß (V) verwiesen auf erfolgreiche Gespräche in Niederösterreich
über den Ausbau der Franz-Josefs-Bahn und ersuchten um Unterstützung des Verkehrsministers. Deimek (F)
thematisierte unter anderem die zögernde Entwicklung der Donauschifffahrt und Probleme des Bahnverkehrs im
"deutschen Eck". Sein Fraktionskollege Christian Hafenecker beklagte zunehmende Einschränkungen
für den Flugsport. Abgeordnetem Christoph Hagen sagte der Minister zu, die Frage von LKW-Überholverboten
auf zweispurigen Strecken zu prüfen.
Eine grundsätzliche Frage war die umwelt- und klimagerechte Umgestaltung des Verkehrssystems. Der Verkehrsminister
stimmte Abgeordneter Christiane Brunner (G) zu, dass der Klimavertrag von Paris eine neue Richtung weise. NEOS-Abgeordneter
Michael Bernard meinte, es seien große Schritte in der Reduktion der CO2-Belastung möglich, Österreich
müsse sich hier an die Spitze setzen, nicht nur reagieren. Für eine Dekarbonisierung des Verkehrssystems
werde die Elektromobilität ein wichtiger Punkt sein, ebenso eine ökosoziale Steuerreform, meinte Leichtfried.
Für umweltfreundlichen Verkehr habe jedenfalls der Schienenverkehr zentrale Bedeutung. Im Individualverkehr
stelle die Elektromobilität wahrscheinlich die zukunftsträchtigste Lösung dar, auch wenn er als
Verkehrsminister einen technologieneutralen Ansatz habe. Die Frage, wie ein Umstieg auf Elektrofahrzeuge als Erstfahrzeug
stimuliert werden könnte, brauche noch einiger Überlegungen. Verschiedene Anreize seien denkbar, dazu
gehörten etwa eine flexible Preisgestaltung an Ladestationen, wie sie in Norwegen bereits praktiziert wird.
Als weiteren Bereich, in dem die Entwicklung sehr rasch voranschreite, nannte der Minister den Bereich des automatisierten
Fahrens. Derzeit lägen schon drei Anträge für Teststrecken vor. Potenzial für eine erste Anwendung
im Alltag sehe er auf gewissen Autobahnstrecken. Dazu werde es aber noch einiger legistischer Maßnahmen bedürfen,
stellte Leichtfried fest.
Jahresbericht der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes zeigt verbesserte Meldekultur
Eine verbesserte Meldekultur für Störfälle in den Bereichen Schiene, Schifffahrt, Seilbahnen und
Zivilluftfahrt konstatiert die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) in ihrem Sicherheitsbericht für
das Jahr 2015 ( III-285 d.B.). Ein wichtiger Punkt für diesen Erfolg ist, dass die SUB sich an Unternehmen
direkt wendet und sie über ihre Meldepflichten aufklärt, erfuhren die Abgeordneten des Ausschusses. Zentrale
Aufgabe der SUB als unabhängige Behörde ist die Untersuchung von Unfällen und Störungen durch
ein qualifiziertes Untersuchungsverfahren, die Feststellung der möglichen Ursachen und die Ausarbeitung von
Sicherheitsempfehlungen als Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.
FPÖ-Abgeordneter Christian Kumpitsch thematisierte die gestiegene Anzahl der gemeldeten Vorfälle im Bereich
der Eisenbahnen gegenüber dem Vergleichszeitraum 2014. Die Abgeordneten Georg Willi (G) und Gerhard Deimek
(F) sahen hier weiterhin Bedarf an der Reduzierung von ungesicherten Eisenbahnkreuzungen, vor allem im ländlichen
Raum. Verkehrsminister Leichtfried verwies darauf, dass die Finanzierung baulicher Maßnahmen Teil der Finanzausgleichsverhandlungen
ist. Johannes Schmuckenschlager (V) und Anton Heinzl (S) thematisierten die zunehmende Gefährdung des Flugverkehrs
durch Drohnen. Der Minister informierte sie, dass die neu geschaffene Verkehrssicherheitsbehörde die Entwicklung
beobachte und gegebenenfalls Maßnahmen vorschlagen werde.
Jahresbericht der Schienen-Control GmbH weist auf uneinheitliche Entwicklung im Schienenverkehr hin
Der Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2015 blickt auf ein ereignisreiches Jahr 2015 zurück
( III-289 d.B.). So erfolgte im Dezember die Vollinbetriebnahme des Hauptbahnhofs Wien. Auf europäischer Ebene
war das Jahr 2015 von intensiven Verhandlungen über das 4. Eisenbahnpaket gekennzeichnet. Während eine
Einigung bei der technischen Säule bereits 2015 erzielt werden konnte, wurde um Details der politischen Säule
des Pakets, welche die Wettbewerbsbedingungen für den Marktzugang definiert, noch bis zum Frühjahr 2016
gerungen.
Die Entwicklung des Verkehrsaufkommens war jedoch durchaus uneinheitlich, stellte SPÖ-Abgeordneter Hell fest.
So ging etwa der Schienengüterverkehr gegenüber 2014 aufgrund einer schwachen Konjunktur etwas zurück,
bei einem Zuwachs der Marktanteile von Privatbahnen. Der Personenverkehr zeigte hingegen einen leichten Zuwachs
gegenüber 2014. Zufriedenstellend sei die hohe Pünktlichkeit im Zugverkehr, meinte Hell. Abgeordneter
Willi (G) zeigte sich unzufrieden über das Stagnieren des Güterverkehrs auf der Schiene, er sah die sinkenden
Treibstoffpreise als Hauptfaktor. Er hoffte, wie auch FPÖ-Verkehrssprecher Deimek, dass es keine weiteren
Streckenstilllegungen gebe. Der Verkehrsminister stimmte den Abgeordneten zu, dass auch bei stillgelegten Strecken
die Trasse möglichst erhalten bleiben sollte, um die Option einer späteren Reaktivierungen offen zu halten.
In Antwort auf ÖVP-Abgeordnete Elisabeth Pfurtscheller, die die Auffassung vertrat, dass gewisse Liberalisierungsschritte
des Bahnmarktes noch möglich seien, meinte Leichtfried, dass eine zu weitgehende Liberalisierung problematisch
sei. Österreich habe durchaus eine breite Palette an Eisenbahnunternehmen, die zu fairen Bedingungen die Infrastruktur
nützen könnten, hielt der Minister fest. Die Privatbahnen konnten zuletzt ihren Marktanteil im Verkehrsaufkommen
und an der Verkehrsleistung steigern. Was zu vermeiden sei, wären Oligopole, wie sie sich nach der Liberalisierung
des Luftverkehrs herausgebildet hätten. Wenn er sich für die Erhaltung integrierter Eisenbahnunternehmen
ausspreche, so erkläre sich das aus den schlechten Erfahrungen, die etwa Großbritannien mit der radikalen
Privatisierung des Schienennetzes gemacht habe. ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger stellte dazu
klar, dass auch seine Fraktion es für sinnvoll halte, die Schieneninfrastruktur als staatliche Aufgabe zu
definieren und sie nicht zu privatisieren. Gleichzeitig sollte aber sichergestellt werden, dass diese optimal genützt
wird, dazu brauche es auch Privatunternehmen.
FPÖ will günstigere Versicherungen für sichere Autos
Auf Skepsis stieß die Forderung des FPÖ-Abgeordneten Christian Hafenecker nach einem Anreizsystem in
KFZ-Versicherungen für die sicherheitsfördernde Zusatzausstattung von Fahrzeugen. Der Einbau von sicherheitsfördernden
Zusatzapplikationen in Kraftfahrzeugen, wie ESP oder Spurhalteassistent, würde die Verkehrssicherheit zu fördern.
Sie sollte nach seinen Vorstellungen eine günstigere Versicherungsprämie bewirken ( 1271/A(E)).
... ein Österreich-Ticket
Erneut befasste sich der Ausschuss mit einem Antrag ( 152/A(E)), in dem der Freiheitliche Verkehrssprecher Gerhard
Deimek sich für die Einführung eines Österreich-Tickets ausspricht, das zu einem sozial verträglichen
Tarif die Nutzung sämtlicher öffentlicher Verkehrsmittel in Österreich ermöglichen würde.
Deimek verweist dabei auf das erfolgreiche Modell einer Jahresnetzkarte, das in der Schweiz bereits existiert.
... und eine Änderung der "Zählregel" in Bussen
Eine Wiederaufnahme erfuhr auch der Antrag ( 762/A) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber (F), zur Änderung
des Kraftfahrgesetzes 1967. Sie kritisiert dabei vor allem die derzeitige Zählregel, die es erlaubt, dass
sich drei Kinder im Alter von sieben bis vierzehn Jahren zwei Sitzplätze in Bussen teilen. Die FPÖ will
für Kinder im Busverkehr eine Zählregel von 1:1 einführen und damit jedem Kind einen Sitzplatz garantieren.
NEOS gegen Direktvergaben im öffentlichen Verkehr und neue Formen der Infrastrukturfinanzierung
Eine weitgehendes Ende der Direktvergaben beim öffentlichen Verkehr forderte einmal mehr Abgeordneter Michael
Bernhard ( 1104/A(E)). Laut ihm ist die bisher in Österreich geübte Praxis der Direktvergabe von gemeinwirtschaftlichen
Leistungsverträgen im öffentlichen Verkehr nicht konform mit dem aktuellen EU-Recht, das solche Direktvergaben
nur sehr restriktiv zulassen würde.
Bernhard spricht sich auch für die Schaffung einer Infrastrukturfinanzierungs-AG (INFINAG) nach Schweizer
Modell ( 1099/A/(E)) aus. In die INFINAG wären laut dem Abgeordneten die ÖBB-Infrastruktur-AG und die
ASFINAG einzugliedern, um eine echte Trennung zwischen den Kosten für die Errichtung der Verkehrsinfrastruktur
und für deren Betrieb zu erreichen. Die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur wäre nach seiner Vorstellung
durch eine Zweckwidmung verkehrsrelevanter Steuern und drei Infrastrukturfonds zu sichern.
Grüne und NEOS wollen kinderfreundliche Regelungen in der StVO
Vom Ausschuss wurde auch je ein Antrag der Grünen und der NEOS mit der Forderung nach mehr Kinderfreundlichkeit
in der Straßenverkehrsordnung (StVO) wieder aufgenommen. Die Grünen sehen die Lösung in einer Definition,
die die Benützung von Tretrollern, Miniscootern und dergleichen mit dem Gehen gleichsetzt ( 524/A(E)). Damit
könnten Kinder diese ohne Altersbeschränkung legal benützen, womit man der Realität auf dem
Schulweg Rechnung trage. Diesen Zugang verfolgt auch ein bereits einmal vertagter Antrag ( 494/A(E)) des NEOS-Abgeordneten
Michael Bernhard. Die Bewegung von Kindern müsse gefördert werden, argumentierte er.
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