EU-Ausschuss des Bundesrats hegt Bedenken über unionsweite Harmonisierung von Zulassungsbestimmungen
für Hochqualifizierte
Wien (pk) - Die EU braucht Fachkräfte. Hochqualifizierten Personen aus Ländern außerhalb
der Union soll daher die Arbeitsmigration erleichtert werden: Mit diesem Vorsatz haben EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker und sein Team im laufenden Arbeitsprogramm die Überarbeitung der Blauen Karte angekündigt,
die Drittstaatangehörige zu Aufenthalt und Arbeit in der Europäischen Union berechtigt. Angesichts des
demografischen Wandels könne Europa seinen Arbeitskraftbedarf sonst nicht decken, so die Befürchtung,
denn die Migration in die EU erfolge derzeit vor allem im Zusammenhang mit der Schutzbedürftigkeit von Personen.
Die vor sieben Jahren analog zur Green Card der USA geschaffene Blue Card der EU hatte zum Ziel, als einheitliche
unionsweite Regelung im Rahmen einer erfolgreichen Migrationssteuerung für Hochqualifizierte praktikable legale
Wege nach Europa zu bieten. Konterkariert wird dieses Konzept nach Meinung der Kommission durch die Vielzahl zusätzlicher
nationaler Regelungen mit restriktiven Zulassungsbedingungen, die es deswegen abzuschaffen gelte.
Kritik an einheitlichem Arbeitsmarktzugang
Im EU-Ausschuss des Bundesrats stieß die Ankündigung einer EU-weiten Harmonisierung von Zuwanderungsregelungen
am 13.09. zwar vor allem bei der FPÖ auf Ablehnung, da man nach den Worten von Monika Mühlwerth (F/W)
vor allem danach trachten sollte, "die eigenen Leute zu halten", die teuer ausgebildet worden seien.
Der aktuelle Richtlinienvorschlag zu "Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen
zur Ausübung einer umfassende Qualifikationen voraussetzenden Beschäftigung" veranlasste aber auch
SPÖ und ÖVP zu einer kritischen Mitteilung an die Europäische Kommission. Wie Ausschussvorsitzender
Edgar Mayer (V/V) ausführte, gebe es große Bedenken bei einer Harmonisierung der Zulassungsbestimmungen
auf Kosten nationaler Regelungen; schon aus Subsidiaritätsgründen, da nationale Systeme wie die Rot-Weiß-Rot-Karte
besser funktionierten als die Blaue Karte der EU, ergänzte Stefan Schennach (S/W).
Die Grünen schließlich erwarten sich von der Politik vermehrt Maßnahmen, um Österreich für
Hochqualifizierte attraktiver zu machen. Ungeachtet dessen sei eine stärkere Abstimmung zwischen Mitgliedsstaaten
in diesem Bereich zu befürworten, so Heidelinde Reiter (G/S).
Problem: Fachkräftemangel in der EU
Die 2009 verabschiedete Richtlinie zur "Blauen Karte EU" sollte die Zulassung und Mobilität hochqualifizierter
ArbeitnehmerInnen aus Drittstaaten und ihrer Familienangehörigen erleichtern. Das Bestreben war, durch harmonisierte
Einreise- und Aufenthaltsbedingungen und der Festlegung bestimmter Rechte für diese Personengruppe dem Mangel
an entsprechend qualifizierten Arbeitskräften beizukommen und so Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliches
Wachstum der EU zu stärken. Nach Einschätzung der Europäischen Kommission reicht die Blaue Karte
in ihrer jetzigen Form aber nicht aus, um durch gesteuerte Zuwanderung beruflich qualifizierter Fachkräfte
die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu bewältigen. Immerhin seien von den MigrantInnen,
die ein EU-Zielland wählen, 48% gering und nur 31% gut ausgebildet.
Genaue Angaben zur Zahl hochqualifizierter Zuwanderer in die EU, wie sie Christoph Längle (F/V) einforderte,
seien derzeit nicht bekannt, meinte ein Experte des Innenministeriums im Ausschuss. Ähnlich wenig könne
darüber gesagt werden, ob der Fachkräftemangel in den diversen EU-Ländern in gleichartigen Bereichen
vorhanden ist, da die Anforderungen für bestimmte Qualifikationen noch sehr unterschiedlich seien, erfuhr
Ingrid Winkler (S/N). Laut EU-Kommission kämpft die europäische Wirtschaft bereits mit strukturellen
Qualifikationsdefiziten und Missverhältnissen zwischen dem Arbeitskräftebedarf und dem Arbeitskräfteangebot
besonders in Schlüsselbereichen wie den Informationstechnologien, dem Gesundheitswesen oder im Ingenieurbereich.
Wachstum, Produktivität und Innovation würden darunter leiden und kleineren Mitgliedsstaaten falle es
sehr schwer, im internationalen Wettbewerb um beruflich qualifizierte Fachkräfte zu bestehen. Schulungs- und
Höherqualifizierungsmaßnahmen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit könnten den Bedarf nicht vollständig
und keinesfalls sofort decken, heißt es in den Erklärungen der Kommission für ihren Vorschlag,
aufbauend auf dem bestehenden Modell weitere Erleichterungen einzuführen.
Erleichterungen zum Blue Card-Erwerb
Drei Jahre ununterbrochener Aufenthalt – statt bisher fünf Jahre – sollten dem Richtlinienentwurf zufolge
künftig ausreichen, um die Rechtsstellung als InhaberIn einer Blauen Karte erwerben zu können. Diese
Änderung sehe man sehr kritisch, zumal dies den geltenden Bestimmungen der Daueraufenthalts-Richtlinie widerspreche,
erläuterte der Vertreter des Innenministeriums. Ebenso sei das Vorhaben der Kommission, das System auf hochqualifizierte
Asylberechtigte auszudehnen, problematisch, da die Verbindung zwischen Asyl und qualifizierter Zuwanderung Österreich
vermehrt zu einem Zielland für MigrantInnen machen könne. Grundsätzlich halte man zwar Bestrebungen
zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der Union für positiv, der Zuzug Hochqualifizierter sei aber
tunlichst nur mit Maß und Ziel zu fördern. Das Verbot paralleler nationaler Zulassungssysteme sei völlig
abzulehnen, geht es nach dem BMI, da so nicht mehr flexibel auf Entwicklungen am heimischen Arbeitsmarkt reagiert
werden könne.
Weitere von Brüssel geplante Erleichterungen zum Erwerb einer Blauen Karte sind die Senkung der Einkommensschwelle
sowie der Mindestlaufzeit eines Arbeitsvertrags von 12 auf 6 Monate, vereinfachte und verkürzte Verfahren
zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Berufserfahrung sowie die Möglichkeit, in begrenztem Maß
freiberuflich bzw. eine Zeitlang im EU-Ausland tätig zu sein.
Zugesichert wird den Mitgliedsstaaten von der Kommission, auch im Falle einer stärker harmonisierten EU-weiten
Regelung und der Abschaffung der parallelen innerstaatlichen Regelungen die Zuständigkeit für bestimmte
Aspekte beizubehalten. Dazu gehören laut Entwurf unter anderem das im Vertrag verankerte Vorrecht, die zulässige
Zahl an ArbeitsmigrantInnen, die aus Drittstaaten einreisen, festzulegen, und die Kontrolle über das Lohnniveau.
Erlaubt werden zudem Arbeitsmarktprüfungen in Bereichen, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt sind,
ehe eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wird.
Aufenthaltstitel: Einheitliche Kartenform soll Betrug verhindern
Vereinheitlicht werden soll überdies das äußere Erscheinungsbild von Aufenthaltskarten für
Drittstaatenangehörige. Im diesbezüglichen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission heißt es, in
den letzten Jahren hätten sich in den Mitgliedsstaaten große Unterschiede bei der Ausgestaltung der
Aufenthaltstitel ergeben, vor allem aufgrund zusätzlich angefügter Sicherheitsmerkmale. Durch einheitliches
Design und Kartenformat sowie dieselben Sicherheitsmerkmale und Personalisierungstechniken will man nunmehr die
Karten besser gegen Betrug absichern. So müssen Grundsicherheitsmerkmale von allem Mitgliedstaaten umgesetzt
werden.
Dennoch will die Kommission fakultative Sicherheitsmerkmale weiterhin zulassen. Wie genau diese auszuführen
sind, will die Kommission in einem künftigen Durchführungsbeschluss festlegen. Gebilligt werden auch
in einigen Ländern verbreitete Kontaktchips auf den Karten für elektronische Behördendienste, obwohl
diese zu einer gewissen Uneinheitlichkeit des Formats führen.
Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Aufenthaltstitelkarten werden vom Innenministerium ausdrücklich
begrüßt, zumal Österreich bei den Vorarbeiten zur Schaffung des neuen Aufenthaltstitels im Scheckkartenformat
aktiv mitgewirkt habe, wie der Vertreter des zuständigen Innenressorts im Ausschuss sagte.
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