CETA: Opposition vermisst klar abgestimmte
 Position der Bundesregierung

 

erstellt am
22. 09. 16
11:00 MEZ

Kurze Debatte im Nationalrat über Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers – Kanada arbeitet an Erläuterungen zum Vertragstext
Wien (pk) - Nach der SPÖ-internen Mitgliederbefragung über CETA war das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada am 21.09. auch Thema im Nationalrat. Bei einer auf Verlangen der Grünen abgehaltenen Kurzdebatte über eine Anfragebeantwortung von Bundeskanzler Christian Kern warf Werner Kogler (G) der Bundesregierung vor, keine gemeinsam abgestimmte Position in Sachen CETA zu vertreten. In seiner Anfrage hatte der Europasprecher der Grünen vor dramatischen Risiken durch des Abkommen gewarnt und die ablehnende Haltung seiner Fraktion untermauert. Staatssekretärin Muna Duzdar, die den Kanzler vertrat, teilte nun im Wesentlichen diese Bedenken und sprach sich für Verbesserungen vor allem in den Bereichen Investorenschutz und Daseinsvorsorge aus. ÖVP und NEOS hingegen sahen CETA als ausverhandelt und erwarten sich von dem Abkommen große Chancen für Österreichs Wirtschaft. Ein klares Nein zur Unterzeichnung kam von FPÖ und Team Stronach.

Grüne: Zurück an den Start!
Werner Kogler (G) blieb bei seinen massiven Vorbehalten gegen CETA und stellte fest, auch die Behübschung durch "rote Zuckerbäcker vom Gabriel bis Trudeau" könne nichts am "Giftzahn" des Investorenschutzes ändern. Sein Fraktionskollege Wolfgang Pirklhuber wiederum befürchtete vor allem Nachteile für die Landwirtschaft als Folge massiver Importe und meinte, von CETA profitiere Kanada jedenfalls stärker als Österreich. Beide Grün-Mandatare vermissten eine gemeinsam abgestimmte Position der Bundesregierung hinsichtlich einer allfälligen vorläufigen Anwendung und erinnerten dem gegenüber an die einhellig kritische Haltung der Landeshauptleutekonferenz in dieser Frage. Sowohl Kogler als auch Pirklhuber forderten Nachverhandlungen über CETA, was der Landwirtschaftssprecher der Grünen mit den Worten "Zurück an den Start!" bekräftigte.

Staatssekretärin Duzdar will nachbessern
Staatssekretärin Muna Duzdar bekannte sich grundsätzlich zum globalen Handel und betrachtete CETA als große Chance, gab aber zu bedenken, es müsse nun darum gehen, auch die Risiken abzuwägen und durch entsprechende Spielregeln sicherzustellen, dass es bei diesem Abkommen keine Verlierer gibt. Bevor es auf europäischer Ebene zu einer Unterzeichnung kommt, seien noch wesentliche Verbesserungen in den Bereichen Investorenschutz und Daseinsvorsorge notwendig. So dürfe es jedenfalls nicht dazu kommen, dass Staaten aus Angst vor hohen Schadenersatzforderungen keine regulatorischen Maßnahmen im Interesse ihrer Bevölkerung setzen. Bei der Daseinsvorsorge wiederum muss nach Meinung Duzdars sichergestellt werden, dass Deregulierungen auch wieder zurückgenommen werden können.

SPÖ: Diskussion steht erst am Anfang
Andreas Schieder (S) schloss sich Duzdar an und sah die Skepsis hinsichtlich Investorenschutz berechtigt. Eine internationale Gerichtsbarkeit wäre hier seiner Einschätzung nach besser. Weiters forderte Schieder eine Garantie der Sozial- und Umweltstandards sowie die eindeutige Sicherstellung der Leistungen der Daseinsvorsorge. Der SPÖ-Klubobmann sieht die Diskussion über CETA erst am Anfang und meinte, das Abkommen werde an der Frage der Standards gemessen. Wenn sich nichts ändert, dann sei CETA ein schlechtes Abkommen. Wenn sich hingegen etwas fundamental ändert, dann könne man zustimmen.

ÖVP gegen Neuverhandlungen
Peter Haubner (V) bezeichnete CETA hingegen als Quantensprung und große Chance und fühlte sich in seiner positiven Beurteilung auch durch SPD-Chef Sigmar Gabriel bestätigt. Gerade Österreich als exportorientiertes Land brauche dieses Handelsabkommen. CETA sei fertig verhandelt, betonte der Wirtschaftssprecher der Volkspartei, für den eine Neuverhandlung nicht in Frage kommt. Das Abkommen sollte vielmehr "zu einem guten Ende gebracht werden", gehe es doch um den Wirtschaftsstandort und den Wohlstand Österreichs. Die SPÖ-internen Mitgliederbefragung kommentierte Haubner mit den Worten, es könne nicht sein, dass 14.000 Personen über ein seit sieben Jahren ausführlich verhandeltes Abkommen entscheiden.

FPÖ vermisst gemeinsame Linie der Bundesregierung
Axel Kassegger (F) vermisste eine gemeinsame Linie von SPÖ und ÖVP zu CETA und TTIP und untermauerte die Kritikpunkte seiner Fraktion an beiden Abkommen, wobei er vor allem vor Nachteilen für die heimischen KMU warnte. Er holte in diesem Zusammenhang aber auch zu einem Rundumschlag gegen die Bundesregierung aus und sprach von fundamentalen Meinungsunterschieden innerhalb der Koalition bei Themen wie Steuern oder Gewerbeordnung. Von einem neuen Stil, wie ihn Bundeskanzler Kern angekündigt hatte, sei nichts zu erkennen, lautete das Urteil Kasseggers.

NEOS für rasche Unterzeichnung von CETA
Scharf ging Josef Schellhorn (N) mit den CETA-Gegnern ins Gericht, denen er vorwarf, sich gegen Wachstum und der Sicherheit von Arbeitsplätzen und Wohlstand zu stellen. Anstatt die großen Chancen für Österreichs Landwirtschaft und die KMU zu sehen und auf die Eigenverantwortung der BürgerInnen zu setzen, agiere man immer nur mit Angstmache. Das Abkommen ist nach Meinung des NEOS-Wirtschaftssprechers ausverhandelt, nun sollte es endlich unterzeichnet werden und in Kraft treten.

Team Stronach: EU sollte Lehren aus dem Brexit ziehen
Waltraud Dietrich vom Team Stronach erinnerte an die kritischen Aussagen von ExpertInnen bei der parlamentarischen Enquete zum Thema CETA und betonte, globaler Handel ohne entsprechende Rahmenbedingungen bringe nur Verlierer. CETA könne keinen Handel auf Augenhöhe sicherstellen, ArbeitnehmerInnen würden nicht ausreichend geschützt. Das Abkommen verfolge vielmehr bloß die Interessen der großen Konzerne, steht für Dietrich fest, die in diesem Zusammenhang an die Europäische Union appellierte, aus dem Brexit zu lernen und die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen.

   

Kanada arbeitet an Erläuterungen zum Vertragstext
Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland betonte im Parlament, ihr Land strebe mit CETA ein fortschrittliches und sozial verträgliches Handelsabkommen an. Niemals dürfe ein Abkommen über staatlichen Regelungen, etwa im Gesundheitswesen, stehen. Das widerspräche kanadischen wie europäischen Werten und Prinzipien, verdeutlichte sie bei ihrem Treffen mit ParlamentarierInnen aller Fraktionen. Von Zweitem Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf auf die kontroversielle heimische Debatte über das zwischen der Europäischen Union und Kanada ausverhandelte Freihandelsabkommen angesprochen, informierte Freeland, derzeit arbeite Kanada mit der EU-Kommission intensiv an einer rechtsverbindlichen erläuternden Erklärung zum Vertragstext. Damit wolle man, ohne das Abkommen zu ändern, strittige Fragen klären, um die Unterzeichnung beim EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober zu ermöglichen.

Bedenken trotz angekündigter Klarstellungen
Das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union sei für die Exportländer Österreich und Kanada von gleichermaßen großer Bedeutung, so Freeland. Zuspruch erhielt die Repräsentantin der kanadischen Regierung von ÖVP und NEOS; SPÖ, FPÖ, Grüne und Team Stronach hingegen sehen ihre Bedenken bei heiklen Punkten wie Schiedsgerichten, Privatisierung von Daseinsvorsorge sowie Umwelt- und Sozialstandards weiterhin nicht völlig ausgeräumt. Einer gemeinsamen Erklärung mit Klarstellungen zu CETA können die SozialdemokratInnen allerdings durchaus etwas abgewinnen. Christoph Matznetter (S) regte dabei an, in diesem Anhang zum Vertrag auch die Möglichkeit aufzunehmen, anstatt der umstrittenen Schiedsgerichtshöfe einen Handelsgerichtshof für CETA analog zum Europäischen Gerichtshof zu schaffen. Österreich brauche keinerlei Schiedsgerichte, warf Wolfgang Pirklhuber (G) ein, der außerdem am Vertrag kritisierte, das Vorsorgeprinzip fehle völlig.

Wie die Freiheitliche Barbara Rosenkranz zeigte sich der Grüne Landwirtschaftssprecher außerdem besorgt über die angedachte regulatorische Kooperation, da sie außerhalb der Parlamente stattfinde und vorab in die staatliche Gesetzgebung eingreife. Den Widerstand gegen CETA in Teilen der österreichischen Bevölkerung, den Waltraud Dietrich (T) mit einem mangelnden Glauben an die Lösungskompetenz der EU erklärte, nehme die Volkspartei ernst, versicherte Angelika Winzig (V). Sie trat aber gemeinsam mit NEOS-Abgeordneter Claudia Gamon klar für das Handelsabkommen ein. Es gelte, an der Globalisierung mitzugestalten, und so den Menschen die Ängste davor zu nehmen, anstatt in Zeiten des Protektionismus zurückzufallen.

Freeland warnt vor nationalstaatlicher Isolierung
Dementsprechend warnte Handelsministerin Freeland davor, in einer globalisierten Welt wieder Mauern zu bauen und Isolationismus zu leben. Auf Grundlage geteilter Werte wolle Kanada mit der EU die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts in eine fortschrittliche Zukunft führen, in der die Schaffung von Arbeitsplätzen ebenso wichtig ist wie Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte. Konkret zur Investor-Staat-Streitbeilegung an Schiedsgerichten sagte sie, die neue Regierung unter Kanadas Premier Justin Trudeau habe den Entwurf der Vorgängerregierung bereits entsprechend europäischer Anregungen geändert. Die regulatorische Zusammenarbeit wiederum würde nicht für geltende Gesetze gelten, aber eventuell biete sie bei geplanten Gesetzesvorhaben die Möglichkeit, bessere Wege der Regulierung aufzuzeigen.

Mit dem Comprehensive Economic and Trade Agreement, wie CETA in der Langform heißt, und dem geplanten Handelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA befasste sich kürzlich auch eine parlamentarische Enquete des Nationalrats.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

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