Kurze Debatte im Nationalrat über Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers – Kanada arbeitet
an Erläuterungen zum Vertragstext
Wien (pk) - Nach der SPÖ-internen Mitgliederbefragung über CETA war das geplante Freihandelsabkommen
der EU mit Kanada am 21.09. auch Thema im Nationalrat. Bei einer auf Verlangen der Grünen abgehaltenen Kurzdebatte
über eine Anfragebeantwortung von Bundeskanzler Christian Kern warf Werner Kogler (G) der Bundesregierung
vor, keine gemeinsam abgestimmte Position in Sachen CETA zu vertreten. In seiner Anfrage hatte der Europasprecher
der Grünen vor dramatischen Risiken durch des Abkommen gewarnt und die ablehnende Haltung seiner Fraktion
untermauert. Staatssekretärin Muna Duzdar, die den Kanzler vertrat, teilte nun im Wesentlichen diese Bedenken
und sprach sich für Verbesserungen vor allem in den Bereichen Investorenschutz und Daseinsvorsorge aus. ÖVP
und NEOS hingegen sahen CETA als ausverhandelt und erwarten sich von dem Abkommen große Chancen für
Österreichs Wirtschaft. Ein klares Nein zur Unterzeichnung kam von FPÖ und Team Stronach.
Grüne: Zurück an den Start!
Werner Kogler (G) blieb bei seinen massiven Vorbehalten gegen CETA und stellte fest, auch die Behübschung
durch "rote Zuckerbäcker vom Gabriel bis Trudeau" könne nichts am "Giftzahn" des
Investorenschutzes ändern. Sein Fraktionskollege Wolfgang Pirklhuber wiederum befürchtete vor allem Nachteile
für die Landwirtschaft als Folge massiver Importe und meinte, von CETA profitiere Kanada jedenfalls stärker
als Österreich. Beide Grün-Mandatare vermissten eine gemeinsam abgestimmte Position der Bundesregierung
hinsichtlich einer allfälligen vorläufigen Anwendung und erinnerten dem gegenüber an die einhellig
kritische Haltung der Landeshauptleutekonferenz in dieser Frage. Sowohl Kogler als auch Pirklhuber forderten Nachverhandlungen
über CETA, was der Landwirtschaftssprecher der Grünen mit den Worten "Zurück an den Start!"
bekräftigte.
Staatssekretärin Duzdar will nachbessern
Staatssekretärin Muna Duzdar bekannte sich grundsätzlich zum globalen Handel und betrachtete CETA als
große Chance, gab aber zu bedenken, es müsse nun darum gehen, auch die Risiken abzuwägen und durch
entsprechende Spielregeln sicherzustellen, dass es bei diesem Abkommen keine Verlierer gibt. Bevor es auf europäischer
Ebene zu einer Unterzeichnung kommt, seien noch wesentliche Verbesserungen in den Bereichen Investorenschutz und
Daseinsvorsorge notwendig. So dürfe es jedenfalls nicht dazu kommen, dass Staaten aus Angst vor hohen Schadenersatzforderungen
keine regulatorischen Maßnahmen im Interesse ihrer Bevölkerung setzen. Bei der Daseinsvorsorge wiederum
muss nach Meinung Duzdars sichergestellt werden, dass Deregulierungen auch wieder zurückgenommen werden können.
SPÖ: Diskussion steht erst am Anfang
Andreas Schieder (S) schloss sich Duzdar an und sah die Skepsis hinsichtlich Investorenschutz berechtigt. Eine
internationale Gerichtsbarkeit wäre hier seiner Einschätzung nach besser. Weiters forderte Schieder eine
Garantie der Sozial- und Umweltstandards sowie die eindeutige Sicherstellung der Leistungen der Daseinsvorsorge.
Der SPÖ-Klubobmann sieht die Diskussion über CETA erst am Anfang und meinte, das Abkommen werde an der
Frage der Standards gemessen. Wenn sich nichts ändert, dann sei CETA ein schlechtes Abkommen. Wenn sich hingegen
etwas fundamental ändert, dann könne man zustimmen.
ÖVP gegen Neuverhandlungen
Peter Haubner (V) bezeichnete CETA hingegen als Quantensprung und große Chance und fühlte sich in seiner
positiven Beurteilung auch durch SPD-Chef Sigmar Gabriel bestätigt. Gerade Österreich als exportorientiertes
Land brauche dieses Handelsabkommen. CETA sei fertig verhandelt, betonte der Wirtschaftssprecher der Volkspartei,
für den eine Neuverhandlung nicht in Frage kommt. Das Abkommen sollte vielmehr "zu einem guten Ende gebracht
werden", gehe es doch um den Wirtschaftsstandort und den Wohlstand Österreichs. Die SPÖ-internen
Mitgliederbefragung kommentierte Haubner mit den Worten, es könne nicht sein, dass 14.000 Personen über
ein seit sieben Jahren ausführlich verhandeltes Abkommen entscheiden.
FPÖ vermisst gemeinsame Linie der Bundesregierung
Axel Kassegger (F) vermisste eine gemeinsame Linie von SPÖ und ÖVP zu CETA und TTIP und untermauerte
die Kritikpunkte seiner Fraktion an beiden Abkommen, wobei er vor allem vor Nachteilen für die heimischen
KMU warnte. Er holte in diesem Zusammenhang aber auch zu einem Rundumschlag gegen die Bundesregierung aus und sprach
von fundamentalen Meinungsunterschieden innerhalb der Koalition bei Themen wie Steuern oder Gewerbeordnung. Von
einem neuen Stil, wie ihn Bundeskanzler Kern angekündigt hatte, sei nichts zu erkennen, lautete das Urteil
Kasseggers.
NEOS für rasche Unterzeichnung von CETA
Scharf ging Josef Schellhorn (N) mit den CETA-Gegnern ins Gericht, denen er vorwarf, sich gegen Wachstum und der
Sicherheit von Arbeitsplätzen und Wohlstand zu stellen. Anstatt die großen Chancen für Österreichs
Landwirtschaft und die KMU zu sehen und auf die Eigenverantwortung der BürgerInnen zu setzen, agiere man immer
nur mit Angstmache. Das Abkommen ist nach Meinung des NEOS-Wirtschaftssprechers ausverhandelt, nun sollte es endlich
unterzeichnet werden und in Kraft treten.
Team Stronach: EU sollte Lehren aus dem Brexit ziehen
Waltraud Dietrich vom Team Stronach erinnerte an die kritischen Aussagen von ExpertInnen bei der parlamentarischen
Enquete zum Thema CETA und betonte, globaler Handel ohne entsprechende Rahmenbedingungen bringe nur Verlierer.
CETA könne keinen Handel auf Augenhöhe sicherstellen, ArbeitnehmerInnen würden nicht ausreichend
geschützt. Das Abkommen verfolge vielmehr bloß die Interessen der großen Konzerne, steht für
Dietrich fest, die in diesem Zusammenhang an die Europäische Union appellierte, aus dem Brexit zu lernen und
die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen.
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Kanada arbeitet an Erläuterungen zum Vertragstext
Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland betonte im Parlament, ihr Land strebe mit CETA ein fortschrittliches
und sozial verträgliches Handelsabkommen an. Niemals dürfe ein Abkommen über staatlichen Regelungen,
etwa im Gesundheitswesen, stehen. Das widerspräche kanadischen wie europäischen Werten und Prinzipien,
verdeutlichte sie bei ihrem Treffen mit ParlamentarierInnen aller Fraktionen. Von Zweitem Nationalratspräsidenten
Karlheinz Kopf auf die kontroversielle heimische Debatte über das zwischen der Europäischen Union und
Kanada ausverhandelte Freihandelsabkommen angesprochen, informierte Freeland, derzeit arbeite Kanada mit der EU-Kommission
intensiv an einer rechtsverbindlichen erläuternden Erklärung zum Vertragstext. Damit wolle man, ohne
das Abkommen zu ändern, strittige Fragen klären, um die Unterzeichnung beim EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober
zu ermöglichen.
Bedenken trotz angekündigter Klarstellungen
Das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union sei für die Exportländer Österreich
und Kanada von gleichermaßen großer Bedeutung, so Freeland. Zuspruch erhielt die Repräsentantin
der kanadischen Regierung von ÖVP und NEOS; SPÖ, FPÖ, Grüne und Team Stronach hingegen sehen
ihre Bedenken bei heiklen Punkten wie Schiedsgerichten, Privatisierung von Daseinsvorsorge sowie Umwelt- und Sozialstandards
weiterhin nicht völlig ausgeräumt. Einer gemeinsamen Erklärung mit Klarstellungen zu CETA können
die SozialdemokratInnen allerdings durchaus etwas abgewinnen. Christoph Matznetter (S) regte dabei an, in diesem
Anhang zum Vertrag auch die Möglichkeit aufzunehmen, anstatt der umstrittenen Schiedsgerichtshöfe einen
Handelsgerichtshof für CETA analog zum Europäischen Gerichtshof zu schaffen. Österreich brauche
keinerlei Schiedsgerichte, warf Wolfgang Pirklhuber (G) ein, der außerdem am Vertrag kritisierte, das Vorsorgeprinzip
fehle völlig.
Wie die Freiheitliche Barbara Rosenkranz zeigte sich der Grüne Landwirtschaftssprecher außerdem besorgt
über die angedachte regulatorische Kooperation, da sie außerhalb der Parlamente stattfinde und vorab
in die staatliche Gesetzgebung eingreife. Den Widerstand gegen CETA in Teilen der österreichischen Bevölkerung,
den Waltraud Dietrich (T) mit einem mangelnden Glauben an die Lösungskompetenz der EU erklärte, nehme
die Volkspartei ernst, versicherte Angelika Winzig (V). Sie trat aber gemeinsam mit NEOS-Abgeordneter Claudia Gamon
klar für das Handelsabkommen ein. Es gelte, an der Globalisierung mitzugestalten, und so den Menschen die
Ängste davor zu nehmen, anstatt in Zeiten des Protektionismus zurückzufallen.
Freeland warnt vor nationalstaatlicher Isolierung
Dementsprechend warnte Handelsministerin Freeland davor, in einer globalisierten Welt wieder Mauern zu bauen und
Isolationismus zu leben. Auf Grundlage geteilter Werte wolle Kanada mit der EU die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts
in eine fortschrittliche Zukunft führen, in der die Schaffung von Arbeitsplätzen ebenso wichtig ist wie
Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte. Konkret zur Investor-Staat-Streitbeilegung an Schiedsgerichten sagte sie,
die neue Regierung unter Kanadas Premier Justin Trudeau habe den Entwurf der Vorgängerregierung bereits entsprechend
europäischer Anregungen geändert. Die regulatorische Zusammenarbeit wiederum würde nicht für
geltende Gesetze gelten, aber eventuell biete sie bei geplanten Gesetzesvorhaben die Möglichkeit, bessere
Wege der Regulierung aufzuzeigen.
Mit dem Comprehensive Economic and Trade Agreement, wie CETA in der Langform heißt, und dem geplanten Handelsabkommen
TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA befasste sich kürzlich auch
eine parlamentarische Enquete des Nationalrats.
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