Bundespräsidenten-Stichwahl: Nationalrat
 fixiert 4. Dezember als Wahltermin

 

erstellt am
22. 09. 16
11:00 MEZ

FPÖ und Team Stronach stimmen gegen Gesetzesantrag
Wien (pk) - Nun ist es so gut wie fix. Die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl wird am 4. Dezember, und nicht wie ursprünglich geplant am 2. Oktober, stattfinden. Ein entsprechender Beschluss wurde am 21.09. vom Nationalrat gefasst. Neben den Koalitionsparteien stimmten auch die Grünen und die NEOS für den neuen Wahltermin und stellten damit die erforderliche Zweidrittelmehrheit sicher. Für den Abschluss des parlamentarischen Verfahrens braucht es nun noch den Sanktus des Bundesrats, er wird sich in einer außertourlichen Sitzung am 23.09. mit der Änderung des Bundespräsidentenwahlgesetzes befassen.

Basis für den Beschluss des Nationalrats bildete ein vergangene Woche eingebrachter Gesetzesantrag, der neben der Wahlverschiebung auch die Festlegung eines neuen Stichtags und damit verbunden die Aktualisierung der Wählerverzeichnisse zum Inhalt hat. Durch diese Bestimmungen wird auch jenen ÖsterreicherInnen die Teilnahme an der Wahl am 4. Dezember ermöglicht, die nach dem ersten Wahlgang am 24. April das 16. Lebensjahr vollendet haben. Den WählerInnen wird außerdem ausdrücklich gestattet sein, das Kuvert mit dem Stimmzettel selbst in die Wahlurne zu werfen, ein entsprechender Zusatzantrag wurde bei der Abstimmung mit angenommen.

Grund für die Verschiebung der Stichwahl sind schadhafte Briefwahl-Kuverts. Aufgrund gehäufter Meldungen über sich auflösende Klebestellen wäre es nach Meinung von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS nicht möglich gewesen, am 2. Oktober eine ordnungsgemäße und faire Wahl durchzuführen. Damit sich die Panne nicht wiederholen kann, werden bei der Wahl am 4. Dezember auch andere Wahlkuverts zum Einsatz kommen, nämlich solche, die schon zwischen 1990 bis 2009 in Verwendung standen. Gegen die Wahlverschiebung stimmten die FPÖ und das Team Stronach, wobei FPÖ-Chef Heinz Christian Strache von einer der größten Peinlichlichkeiten der Zweiten Republik sprach.

Durch die Verschiebung des Wahltermins verzögert sich auch die Angelobung des neuen Bundespräsidenten ein weiteres Mal. Als Termin für die Sitzung der Bundesversammlung ist nun der 26. Jänner 2017 in Aussicht genommen. Darüber wurde am Montag in der Präsidiale des Nationalrats Einvernehmen erzielt.

Zentrales Wählerregister könnte schon im November beschlossen werden
In der Debatte verteidigten neben den Klubobleuten Andreas Schieder (S), Eva Glawischnig-Piesczek (G) und Matthias Strolz (N) unter anderem auch die Abgeordneten Wolfgang Gerstl (V), Albert Steinhauser (G) und Nikolaus Scherak (N) die Wahlverschiebung. Angesichts der aufgetretenen Probleme bleibe dem Parlament gar nichts anderes übrig, als einen entsprechenden Beschluss zu fassen, unabhängig von der Frage der Schuld und der Verantwortung, hielt etwa Schieder fest. Auch für NEOS-Chef Strolz ist eine Verschiebung der Wahl angesichts der Dimension der Probleme die einzige mögliche Antwort, auch wenn die BürgerInnen schon genervt seien, wie er meinte.

Jede Stimme zähle, hoben sowohl ÖVP-Verfassungssprecher Gerstl als auch Grünen-Klubobfrau Glawischnig-Piesczek hervor. Anders als die FPÖ seien die Grünen nicht bereit, den Verlust von tausenden Wählerstimmen bei der Wahl in Kauf zu nehmen, hielt Glawischnig fest. Ihrer Meinung nach wäre es verantwortungslos, WählerInnen, die schuldlos ein schadhaftes Briefwahl-Kuvert bekommen haben, ihres Wahlrechts zu berauben. Die FPÖ führe in dieser Frage einen "argumentativen Eiertanz" auf, kritisierte NEOS-Abgeordneter Scherak, man könne nicht auf der einen Seite die demokratiepolitische Bedeutung des Wahlrechts für jeden Einzelnen hervorheben, gleichzeitig aber gegen die Wahlverschiebung stimmen. Für Gerstl ist besonders erfreulich, dass am 4. Dezember auch 76.000 Jugendliche wählen werden können, die im ersten Wahlgang noch nicht wahlberechtigt waren.

Kritik an der FPÖ gab es auch in anderen Punkten. So warfen Glawischnig und ihr Fraktionskollege Dieter Brosz der FPÖ vor, mit der Hinterfragung des Wahlrechts für besachwaltete Personen und der Forderung nach einer weitgehenden Abschaffung der Briefwahl, Menschen sukzessive von der Wahl ausschließen zu wollen. Für Grünen-Justizsprecher Steinhauser ist es zudem demokratiepolitisch äußerst bedenklich, dass jene Partei, die die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bundespräsidenten-Stichwahl verloren hat, "den Mythos von Manipulationen pflegt". Schließlich sei der eigentliche Skandal, dass Alexander Van der Bellen "durch unglaubliche Schlampereien der Wahlbehörden um sein Amt gebracht wurde".

Gegen Verschwörungstheorien wandte sich auch SPÖ-Klubchef Schieder. Das Vertrauen in die Demokratie habe ohnehin schon genug Schaden genommen, erklärte er und appellierte an beide Seiten, einen fairen Wahlkampf zu führen. Das Zentrale Wählerregister könnte laut Schieder schon im November vom Nationalrat beschlossen werden, eine Sitzung des Verfassungsausschusses ist für Mitte Oktober anberaumt.

WählerInnen sollen Wahlkuvert selbst in Urne werfen
Der gemeinsame Abänderungsantrag von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zur Frage des Einwerfens des Wahlkuverts in die Wahlurne wurde von Abgeordnetem Nikolaus Prinz eingebracht. Demnach obliegt es künftig primär den WählerInnen selbst, das Kuvert mit dem Stimmzettel in die Urne zu legen. Will das jemand nicht machen, kann er das Kuvert auch weiterhin dem Wahlleiter zum Einwerfen übergeben. Angesichts der zusätzlichen finanziellen Belastung der Gemeinden durch die Wiederholung und Verschiebung der Stichwahl sprach sich Prinz für einen Kostenersatz für die Gemeinden aus.

Strache: Wahlverschiebung ist "echtes Armutszeugnis"
Zu scharfen Worten griff FPÖ-Chef Heinz Christian Strache. Die Wahlverschiebung sei ein echtes Armutszeugnis, eine Blamage für Österreich, hielt er fest und sprach von einer der größten Peinlichkeiten der Zweiten Republik. Zudem machte er geltend, dass es nachweisbar schon bei der Nationalratswahl 2013 erste Problemfälle mit Briefwahl-Kuverts gegeben haben. Mit einiger Umsicht hätte man seiner Meinung nach die Wahlverschiebung verhindern können. Diese Ansicht vertrat auch FPÖ-Abgeordneter Günther Kumpitsch.

Als Konsequenz aus den Vorkommnissen forderte Strache nicht nur einen Rücktritt des für Wahlangelegenheiten zuständigen Abteilungsleiters im Innenministerium, sondern auch eine generelle Reform der Briefwahl. Ein Zentrales Wählerregister, die Möglichkeit der Stimmabgabe in allen Wahllokalen und ein Vor-Wahl-Tag könnten seiner Meinung nach dazu beitragen, Missbrauchsmöglichkeiten gravierend einzudämmen. Strache plädierte außerdem dafür, sich die für die schadhaften Briefwahl-Kuverts verantwortliche Druckerei "etwas näher anzusehen", die veröffentlichten Bilanzen seien nicht sehr vertrauenserweckend.

Auf eine Reform der Briefwahl drängten auch Straches FraktionskollegInnen Harald Stefan und Petra Steger. Man wisse bei einer Briefwahlstimme nicht, wer tatsächlich "das Kreuzerl" gemacht habe und ob die Stimmabgabe unbeeinflusst erfolgt sei, meinte etwa Stefan. Er sprach sich daher dafür aus, die Briefwahl künftig nur noch auf AuslandsösterreicherInnen und auf ÖsterreicherInnen, die sich im Ausland aufhalten, einzuschränken. Den Vorwurf, die FPÖ wolle damit Menschen das Wahlrecht nehmen, wies er vehement zurück.

Die FPÖ verbreite auch keine Verschwörungstheorien, bekräftigte Steger. Vielmehr sei es wichtig und notwendig, dass jemand bei Wahlen genau hinschaue. Dass von vielen Seiten nun die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs angezweifelt wird, die Stichwahl aufzuheben, ist für Steger demokratiepolitisch bedenklich.

Zwei Punkte der vorliegenden Gesetzesinitiative trug die FPÖ allerdings mit: Sie stimmte in Zweiter Lesung sowohl für das persönliche Einwerfen des Wahlkuverts in die Urne durch die WählerInnen als auch für die Aktualisierung der Wählerverzeichnisse. Die FPÖ wolle jungen Menschen die Chance geben, an der Wahl teilzunehmen, erklärte Stefan, wiewohl man es als nicht ganz unproblematisch sehe, dass es damit zu keiner echten Wahlwiederholung komme.

Team Stronach hält Neuauflage der Wählverzeichnisse für problematisch
Zur Gänze abgelehnt wurde der Gesetzesantrag vom Team Stronach, allerdings nicht wegen der Wahlverschiebung, wie Klubobmann Robert Lugar erklärte. Ihm und seinem Fraktionskollegen Christoph Hagen bereitet vielmehr die Aktualisierung des Wählerverzeichnisses "großes Bauchweh". Durch die Neufestsetzung des Stichtags werde die Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs, die Wiederholung der Stichwahl zu denselben Bedingungen abzuhalten wie den ursprünglichen Urnengang, nicht erfüllt. Hagen hält es außerdem für demokratiepolitisch äußert bedenklich, dass nunmehr WählerInnen bei der Stichwahl wahlberechtigt sein werden, die im ersten Wahlgang nicht mitwählen durften.

Abgeordneter Marcus Franz (o.F.) sprach sich schließlich dafür aus, sich mit der Frage des Wahlrechts für Demenzkranke intensiv auseinanderzusetzen. Es gebe schon derzeit rund 100.000 Demenzkranke in Österreich, diese Zahl werde künftig deutlich steigen, prognostizierte er. Viele der Betroffenen würden per Briefwahl wählen, was Missbrauchsmöglichkeiten eröffne.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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