FPÖ und Team Stronach stimmen gegen Gesetzesantrag
Wien (pk) - Nun ist es so gut wie fix. Die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl wird am 4.
Dezember, und nicht wie ursprünglich geplant am 2. Oktober, stattfinden. Ein entsprechender Beschluss wurde
am 21.09. vom Nationalrat gefasst. Neben den Koalitionsparteien stimmten auch die Grünen und die NEOS für
den neuen Wahltermin und stellten damit die erforderliche Zweidrittelmehrheit sicher. Für den Abschluss des
parlamentarischen Verfahrens braucht es nun noch den Sanktus des Bundesrats, er wird sich in einer außertourlichen
Sitzung am 23.09. mit der Änderung des Bundespräsidentenwahlgesetzes befassen.
Basis für den Beschluss des Nationalrats bildete ein vergangene Woche eingebrachter Gesetzesantrag, der neben
der Wahlverschiebung auch die Festlegung eines neuen Stichtags und damit verbunden die Aktualisierung der Wählerverzeichnisse
zum Inhalt hat. Durch diese Bestimmungen wird auch jenen ÖsterreicherInnen die Teilnahme an der Wahl am 4.
Dezember ermöglicht, die nach dem ersten Wahlgang am 24. April das 16. Lebensjahr vollendet haben. Den WählerInnen
wird außerdem ausdrücklich gestattet sein, das Kuvert mit dem Stimmzettel selbst in die Wahlurne zu
werfen, ein entsprechender Zusatzantrag wurde bei der Abstimmung mit angenommen.
Grund für die Verschiebung der Stichwahl sind schadhafte Briefwahl-Kuverts. Aufgrund gehäufter Meldungen
über sich auflösende Klebestellen wäre es nach Meinung von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS
nicht möglich gewesen, am 2. Oktober eine ordnungsgemäße und faire Wahl durchzuführen. Damit
sich die Panne nicht wiederholen kann, werden bei der Wahl am 4. Dezember auch andere Wahlkuverts zum Einsatz kommen,
nämlich solche, die schon zwischen 1990 bis 2009 in Verwendung standen. Gegen die Wahlverschiebung stimmten
die FPÖ und das Team Stronach, wobei FPÖ-Chef Heinz Christian Strache von einer der größten
Peinlichlichkeiten der Zweiten Republik sprach.
Durch die Verschiebung des Wahltermins verzögert sich auch die Angelobung des neuen Bundespräsidenten
ein weiteres Mal. Als Termin für die Sitzung der Bundesversammlung ist nun der 26. Jänner 2017 in Aussicht
genommen. Darüber wurde am Montag in der Präsidiale des Nationalrats Einvernehmen erzielt.
Zentrales Wählerregister könnte schon im November beschlossen werden
In der Debatte verteidigten neben den Klubobleuten Andreas Schieder (S), Eva Glawischnig-Piesczek (G) und Matthias
Strolz (N) unter anderem auch die Abgeordneten Wolfgang Gerstl (V), Albert Steinhauser (G) und Nikolaus Scherak
(N) die Wahlverschiebung. Angesichts der aufgetretenen Probleme bleibe dem Parlament gar nichts anderes übrig,
als einen entsprechenden Beschluss zu fassen, unabhängig von der Frage der Schuld und der Verantwortung, hielt
etwa Schieder fest. Auch für NEOS-Chef Strolz ist eine Verschiebung der Wahl angesichts der Dimension der
Probleme die einzige mögliche Antwort, auch wenn die BürgerInnen schon genervt seien, wie er meinte.
Jede Stimme zähle, hoben sowohl ÖVP-Verfassungssprecher Gerstl als auch Grünen-Klubobfrau Glawischnig-Piesczek
hervor. Anders als die FPÖ seien die Grünen nicht bereit, den Verlust von tausenden Wählerstimmen
bei der Wahl in Kauf zu nehmen, hielt Glawischnig fest. Ihrer Meinung nach wäre es verantwortungslos, WählerInnen,
die schuldlos ein schadhaftes Briefwahl-Kuvert bekommen haben, ihres Wahlrechts zu berauben. Die FPÖ führe
in dieser Frage einen "argumentativen Eiertanz" auf, kritisierte NEOS-Abgeordneter Scherak, man könne
nicht auf der einen Seite die demokratiepolitische Bedeutung des Wahlrechts für jeden Einzelnen hervorheben,
gleichzeitig aber gegen die Wahlverschiebung stimmen. Für Gerstl ist besonders erfreulich, dass am 4. Dezember
auch 76.000 Jugendliche wählen werden können, die im ersten Wahlgang noch nicht wahlberechtigt waren.
Kritik an der FPÖ gab es auch in anderen Punkten. So warfen Glawischnig und ihr Fraktionskollege Dieter Brosz
der FPÖ vor, mit der Hinterfragung des Wahlrechts für besachwaltete Personen und der Forderung nach einer
weitgehenden Abschaffung der Briefwahl, Menschen sukzessive von der Wahl ausschließen zu wollen. Für
Grünen-Justizsprecher Steinhauser ist es zudem demokratiepolitisch äußerst bedenklich, dass jene
Partei, die die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bundespräsidenten-Stichwahl verloren hat, "den
Mythos von Manipulationen pflegt". Schließlich sei der eigentliche Skandal, dass Alexander Van der Bellen
"durch unglaubliche Schlampereien der Wahlbehörden um sein Amt gebracht wurde".
Gegen Verschwörungstheorien wandte sich auch SPÖ-Klubchef Schieder. Das Vertrauen in die Demokratie habe
ohnehin schon genug Schaden genommen, erklärte er und appellierte an beide Seiten, einen fairen Wahlkampf
zu führen. Das Zentrale Wählerregister könnte laut Schieder schon im November vom Nationalrat beschlossen
werden, eine Sitzung des Verfassungsausschusses ist für Mitte Oktober anberaumt.
WählerInnen sollen Wahlkuvert selbst in Urne werfen
Der gemeinsame Abänderungsantrag von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zur Frage des Einwerfens des
Wahlkuverts in die Wahlurne wurde von Abgeordnetem Nikolaus Prinz eingebracht. Demnach obliegt es künftig
primär den WählerInnen selbst, das Kuvert mit dem Stimmzettel in die Urne zu legen. Will das jemand nicht
machen, kann er das Kuvert auch weiterhin dem Wahlleiter zum Einwerfen übergeben. Angesichts der zusätzlichen
finanziellen Belastung der Gemeinden durch die Wiederholung und Verschiebung der Stichwahl sprach sich Prinz für
einen Kostenersatz für die Gemeinden aus.
Strache: Wahlverschiebung ist "echtes Armutszeugnis"
Zu scharfen Worten griff FPÖ-Chef Heinz Christian Strache. Die Wahlverschiebung sei ein echtes Armutszeugnis,
eine Blamage für Österreich, hielt er fest und sprach von einer der größten Peinlichkeiten
der Zweiten Republik. Zudem machte er geltend, dass es nachweisbar schon bei der Nationalratswahl 2013 erste Problemfälle
mit Briefwahl-Kuverts gegeben haben. Mit einiger Umsicht hätte man seiner Meinung nach die Wahlverschiebung
verhindern können. Diese Ansicht vertrat auch FPÖ-Abgeordneter Günther Kumpitsch.
Als Konsequenz aus den Vorkommnissen forderte Strache nicht nur einen Rücktritt des für Wahlangelegenheiten
zuständigen Abteilungsleiters im Innenministerium, sondern auch eine generelle Reform der Briefwahl. Ein Zentrales
Wählerregister, die Möglichkeit der Stimmabgabe in allen Wahllokalen und ein Vor-Wahl-Tag könnten
seiner Meinung nach dazu beitragen, Missbrauchsmöglichkeiten gravierend einzudämmen. Strache plädierte
außerdem dafür, sich die für die schadhaften Briefwahl-Kuverts verantwortliche Druckerei "etwas
näher anzusehen", die veröffentlichten Bilanzen seien nicht sehr vertrauenserweckend.
Auf eine Reform der Briefwahl drängten auch Straches FraktionskollegInnen Harald Stefan und Petra Steger.
Man wisse bei einer Briefwahlstimme nicht, wer tatsächlich "das Kreuzerl" gemacht habe und ob die
Stimmabgabe unbeeinflusst erfolgt sei, meinte etwa Stefan. Er sprach sich daher dafür aus, die Briefwahl künftig
nur noch auf AuslandsösterreicherInnen und auf ÖsterreicherInnen, die sich im Ausland aufhalten, einzuschränken.
Den Vorwurf, die FPÖ wolle damit Menschen das Wahlrecht nehmen, wies er vehement zurück.
Die FPÖ verbreite auch keine Verschwörungstheorien, bekräftigte Steger. Vielmehr sei es wichtig
und notwendig, dass jemand bei Wahlen genau hinschaue. Dass von vielen Seiten nun die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs
angezweifelt wird, die Stichwahl aufzuheben, ist für Steger demokratiepolitisch bedenklich.
Zwei Punkte der vorliegenden Gesetzesinitiative trug die FPÖ allerdings mit: Sie stimmte in Zweiter Lesung
sowohl für das persönliche Einwerfen des Wahlkuverts in die Urne durch die WählerInnen als auch
für die Aktualisierung der Wählerverzeichnisse. Die FPÖ wolle jungen Menschen die Chance geben,
an der Wahl teilzunehmen, erklärte Stefan, wiewohl man es als nicht ganz unproblematisch sehe, dass es damit
zu keiner echten Wahlwiederholung komme.
Team Stronach hält Neuauflage der Wählverzeichnisse für problematisch
Zur Gänze abgelehnt wurde der Gesetzesantrag vom Team Stronach, allerdings nicht wegen der Wahlverschiebung,
wie Klubobmann Robert Lugar erklärte. Ihm und seinem Fraktionskollegen Christoph Hagen bereitet vielmehr die
Aktualisierung des Wählerverzeichnisses "großes Bauchweh". Durch die Neufestsetzung des Stichtags
werde die Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs, die Wiederholung der Stichwahl zu denselben Bedingungen abzuhalten
wie den ursprünglichen Urnengang, nicht erfüllt. Hagen hält es außerdem für demokratiepolitisch
äußert bedenklich, dass nunmehr WählerInnen bei der Stichwahl wahlberechtigt sein werden, die im
ersten Wahlgang nicht mitwählen durften.
Abgeordneter Marcus Franz (o.F.) sprach sich schließlich dafür aus, sich mit der Frage des Wahlrechts
für Demenzkranke intensiv auseinanderzusetzen. Es gebe schon derzeit rund 100.000 Demenzkranke in Österreich,
diese Zahl werde künftig deutlich steigen, prognostizierte er. Viele der Betroffenen würden per Briefwahl
wählen, was Missbrauchsmöglichkeiten eröffne.
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