Unsicherheitsgefühle dämpfen Institutionenvertrauen
Wien (sora) - Ein Befund zum Demokratieverständnis, den SORA-Geschäftsführer Christoph Hofinger
in einem Interview mit der Wiener Stadtzeitung "Falter" erwähnte, hat im September 2016 zu Aufsehen
geführt: Die strikte Ablehnung des Satzes "Man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht
um Parlament und Wahlen kümmern muss“ ist in Österreich deutlich zurückgegangen. – Welche Ursachen
und gesellschaftlichen Entwicklungen stecken hinter diesem Befund?
Politische Einstelllungen, soziale Entwicklungen und sozialpsychologische Hintergründe
SORA beobachtet regelmäßig Institutionenvertrauen, Einstellungen zur Demokratie, Partizipationsverhalten,
Zukunftserwartungen, Xenophobie und auch politische autoritäre Einstellungen in Österreich. Die Ergebnisse
aus diesen langjährigen Forschungsarbeiten zeichnen ein vielschichtiges Bild der Zusammenhänge zwischen
politischen Meinungen, ihren psychologischen Hintergründen und Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt:
Starker Führer für viele kein Tabu mehr
Die Aussage „Man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“
ist ein einzelner Indikator aus dem Konzept "politischer Autoritarismus". Dieser Einzelindikator zeigt
eine deutliche Veränderung im Zeitverlauf:
- Stimmten im Jahr 2007 noch 71% der Befragten dieser Aussage "gar nicht"
zu, waren es im Jahr 2015 nur mehr 36%, die die Aussage kategorisch ablehnten.
- Die Zustimmung zur Aussage stieg hingegen von 10% im Jahr 2007 (stimme sehr/ziemlich
zu) auf 39% im Jahr 2015 an.
Zunehmendes Gefühl der Unsicherheit
Welche Einschätzungen der Befragten haben hohe Korrelationen, treten also gemeinsmit Befürwortung des
"starken Führers" auf? Hier ist das Gefühl von Unsicherheit relevantesten, d.h.: Kritische
persönliche Lebensereignisse wie Arbeitsplatzverlust, und noch stärker Einschätzungen, die über
den Einzelnen hinausgehen:
- Einschätzung, dass immer mehr Menschen keine Arbeit finden
- Einschätzung, dass die Wohnumgebung herunterkommt
- Negative Zukunftserwartungen in Bezug auf Lebensqualität, Einkommen, Pension,
Sozialsystem etc.
- Pessimistische Zukunftserwartungen für die Kinder / nächste Generation
- All dies geht einher mit der Sorge vor sozialem Abstieg und dem Gefühl,
keinen gerechten Anteil gesellschaftlichen Wohlstand zu erhalten
Vertrauensverlust
Die Modelle aus der Forschung zeigen, dass Unsicherheit zu Vertrauensverlust führt und dieser zur Zunahme
an autoritären Einstellungen. Beide hängen – europaweit – stark mit der Präferenz zu rechtspopulistischen
und rechtsextremen Parteien zusammen.
Gemeinsmit der Befürwortung eines starken Führers treten insbesondere folgende Einstellungen auf:
- das Gefühl der Überforderung durch die Komplexität der Welt
- das Gefühl der politischen Ohnmacht
- die Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik, v.a. die Wahrnehmung von Stillstand
und Überforderung sowie mangelnder Konfliktkultur
Diese Unsicherheiten führen insgesamt zu
- sinkendem Vertrauen in andere Menschen
- sinkendem Vertrauen in die Institutionen der Demokratie
- Misstrauen gegen das Wirtschaftssystem
- dem Bedürfnis nach klaren Antworten und der Abwehr von Mehrdeutigkeit
Demokratie als Regierungsform (noch) mehrheitlich unterstützt
Während die Ablehnung eines starken Führers deutlich zurückgegangen ist, zeigen ergänzende
Ergebnisse, dass die Demokratie nach wie vor mit mehrheitlichem Rückhalt in der Bevölkerung rechnen kann:
- Die Zustimmung zur Demokratie als beste Regierungsform bleibt über die Jahre
hoch
- ebenso das Vertrauen in die Wirksamkeit von Wahlen
- Die Wahlbeteiligung steigt zum Teil wieder an
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