Tätigkeitsbericht 2015 weist 5.393 abgeschlossene Verfahren aus
Wien (pk) - Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat im vergangenen Jahr 5.393 Verfahren abgeschlossen. In
1.255 Fällen wurde der Beschwerde stattgegeben, angefochtene Bescheide also aufgehoben bzw. abgeändert.
Das geht aus dem Tätigkeitsbericht 2015 des Verwaltungsgerichtshofs hervor, den Kanzleramtsminister Thomas
Drozda vor kurzem dem Parlament vorgelegt hat ( III-302 d.B.). Damit konnten bereits im siebenten Jahr in Folge
mehr Fälle vom VwGH erledigt werden als neu an ihn herangetragen wurden. Auch die durchschnittliche Verfahrensdauer
entwickelte sich überaus positiv. VwGH-Präsident Rudolf Thienel und seine KollegInnen warnen allerdings
vor drohenden Budgetnöten, sie rechnen vor allem mit einem deutlichen Anstieg von Asylrechts-Verfahren, die
den Aktenrückstand rasch wieder steigen lassen könnten.
Grundsätzlich ist die Chance für BeschwerdeführerInnen, vom Verwaltungsgerichtshof Recht zu bekommen,
keine schlechte. Wobei der Prozentsatz der Stattgaben bei einer ordentlichen Revision mit 39% im vergangenen Jahr
deutlich höher war als bei zugelassenen außerordentlichen Revisionen (27%). In 25 Fällen entschied
der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst. Nicht bei allen Verfahren geht es allerdings um konkrete Rechtssachen:
1.648 der insgesamt 5.393 Entscheidungen fallen in die Kategorie "sonstige Erledigungen", zu denen auch
die Ab- oder Zurückweisung von Anträgen auf Verfahrenshilfe gehören.
Insgesamt wurden beim Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2015 4.586 Rechtssachen neu anhängig. Das sind um 16%
mehr als 2014. Vor allem die Zahl der Beschwerden von AsylwerberInnen ist erheblich – von rund 1.000 auf 1.360
– gestiegen. Dennoch ist es dem VwGH gelungen, die Zahl der offenen Verfahren zum Jahresende von 3.176 im Jahr
2014 auf 2.369 zu reduzieren. Die durchschnittliche Verfahrensdauer der abgeschlossenen Verfahren betrug 8,9 Monate
(2014: 10,6 Monate), im Jahr 2013 waren es noch 16,77 Monate gewesen.
Ein wesentlicher Grund für die erfreuliche Entwicklung ist das neue System der Verwaltungsgerichtsbarkeit,
das Anfang 2014 eingeführt wurde und sich laut VwGH bewährt hat. Es ermöglicht dem Gerichtshof,
sich auf seine Rolle als Höchstgericht zu konzentrieren, wie im Bericht festgehalten wird. Allerdings fürchten
die VwGH-RichterInnen, dass die signifikante Verfahrensbeschleunigung schon bald ein Ende haben könnte, wenn
dem Verwaltungsgerichtshof in den nächsten Jahren nicht die erforderlichen Budgetmittel zur Verfügung
gestellt werden.
Schon heuer habe man Richterstellen wegen vorhandener Budgetnöte nur verzögert besetzen können,
wird im Bericht vermerkt. Auch für benötigte wissenschaftliche MitarbeiterInnen und für geplante
Infrastrukturmaßnahmen fehlt Geld. Steigt die Zahl der Beschwerden von AsylwerberInnen wie erwartet weiter
deutlich an, könnte sich die Situation zuspitzen und sich negativ auf die Arbeit des VwGH auswirken. Entsprechende
Prognosen des VwGH fußen nicht nur auf der zuletzt in die Höhe geschnellten Zahl von Asylanträgen,
sondern auch auf gesetzlichen Änderungen wie "Asyl auf Zeit" und Erschwernisse beim Familiennachzug.
Neben dem Asylrecht (1.360) und dem Fremdenrecht (505) betrafen die häufigsten Verfahren im Jahr 2015 laut
Bericht die Bereiche Abgaben (398), Sozialversicherung (262), Baurecht (233), Verkehr (229), Glücksspiel (210)
und Dienstrecht (181).
IG-L-Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten auch für Elektroautos
Im Bericht werden auch wieder einige ausgewählte Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs angeführt.
So hat der VwGH bekräftigt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft, wie sie
etwa im Salzburger Zentralraum gelten, auch für Elektroautos gelten. Ebenso ist für ihn klar, dass Gastwirte
grundsätzlich auch dann wegen verbotenen Ausschanks von Alkohol an Jugendliche bestraft werden können,
wenn Erwachsene das Getränk bestellt und weitergegeben haben, wobei die Umstände des Einzelfalls zählen.
Wer lediglich einen Computer mit Internet-Anschluss zu Hause hat, braucht keine Rundfunkgebühr zu zahlen.
Behinderte Menschen können eine rückwirkende Feststellung ihres Behindertengrades beantragen, um Steuerfreibeträge
zu nutzen.
Kein Problem hat der VwGH damit, dass die Bundeswettbewerbsbehörde bei vom Kartellgericht angeordneten Hausdurchsuchungen
auf zentrale Serverdaten zugreift und zur Sicherstellung von IT-Daten auch forensische Software einsetzen, wenn
dies vom Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt ist. Beschwerden gegen Behördenentscheidungen können sofort
zurückgewiesen werden, wenn diese keinerlei Begründung erhalten. Nimmt eine Behörde eine mündliche
Beschwerde aber schriftlich auf und wird die Niederschrift vom Beschwerdeführer unterzeichnet, ist sie vom
zuständigen Verwaltungsgericht als wirksam zu behandeln. Unstrittig ist für den VwGH schließlich
auch, dass auch Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft der Versicherungspflicht nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz
unterliegen können.
In einigen Fällen hat sich der Verwaltungsgerichtshof an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit der
Bitte um Vorabentscheidung gewendet. Eines dieser Verfahren betrifft die automatische UVP-Genehmigung von vor langer
Zeit bewilligten Altanlagen. Bereits klargestellt hat der VwGH auf Basis einer EuGH-Entscheidung, dass auch Einzelpersonen
einen Anspruch auf einen konkreten Maßnahmenplan der zuständigen Landesbehörden zur Verbesserung
der Luftqualität haben, wenn Grenzwerte nicht eingehalten werden und keine Fristerstreckung gewährt wurde.
Auf einige Entscheidungen des VwGH hat die Politik bereits reagiert, beispielsweise was Nachbarrechte bei UVP-Feststellungsverfahren
betrifft. Auch die Neuregelung der Verfahrenshilfe bei Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist bereits auf Schiene.
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