WKÖ-Thalbauer: Interessenpolitik kann nur im ständigen Dialog mit Brüssel gelingen
Brüssel/Wien (pwk) - „Wir müssen CETA versachlichen, für Populismus ist kein Platz“, betonte
Jürgen Roth, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), vor Repräsentanten
der Europäischen Union anlässlich einer Delegationsreise mit Vertretern der österreichischen Wirtschaft
nach Brüssel. „CETA ist das ehrgeizigste aller bisherigen EU-Handelsabkommen. Es wurde sorgfältig von
der EU-Kommission unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten und des europäischen Parlaments ausverhandelt und
sollte zügig umgesetzt werden.“ Die Delegation wurde von Vizepräsident Roth, René Tritscher (ÖWB-GSV)
und Iris Thalbauer (Geschäftsführerin der Bundessparte Handel der WKÖ) geleitet.
Am Programm standen Treffen unter anderem mit dem EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther
Hermann Oettinger, der Kabinettschefin der Handels-Kommissarin Cecilia Malmström, dem ersten stellvertretenden
Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, Markus Felber, EuroCommerce-Generaldirektor
Christian Verschueren, dem Europa-Abgeordneten Paul Rübig und Othmar Karas, Vizepräsident des Europäischen
Parlaments. Erörtert wurden bei den Gesprächen auch Richtlinienvorschläge, durch die die Gewährleistungsfrist
für Händler empfindlich angehoben würde. „Eine solche Verschärfung kommt für die österreichische
Wirtschaft nicht in Frage“, ließ Vizepräsident Roth an seiner Überzeugung keinen Zweifel. „Im Übrigen
wäre es angemessen, erst die Ergebnisse der Evaluierung bestehender Richtlinien abzuwarten, bevor über
neue Richtlinien nachgedacht wird. Vor allem für KMU sind neue gesetzliche Regeln nicht zumutbar, kurz nachdem
die Verbraucherrechte-Richtlinie beschlossen und national umgesetzt worden ist.“
Ein weiteres Thema war der Entwurf einer Geoblocking-Verordnung, durch die die Vertragsfreiheit der Einzelhändler
eingeschränkt würde. „Es geht nicht an, dass ein Einzelhändler gezwungen ist, seine Waren an jeden
Bürger und jede Bürgerin der EU zu verkaufen, wo doch gegenüber österreichischen Konsumentinnen
und Konsumenten dieser Zwang aus gutem Grund nicht besteht“, konnte Thalbauer ihre interessenpolitische Positionierung
gegenüber den Vertretern der Europäischen Union darlegen. Die Geoblocking-Verordnung verbiete zwar ein
Blocking von Konsumenten aus anderen Ländern, verlange aber nicht, einen Internetauftritt auf Konsumenten
anderer Länder auszurichten. Das Regelwerk stelle dabei nicht klar, was unter einem Ausrichten zu verstehen
sei. Es hänge allerdings das anzuwendende Recht davon ab, ob ein Händler seine kommerziellen Aktivitäten
auf Konsumenten anderer Länder ausrichte. Nur in diesem Fall gelte das Recht des Staates, in dem der Konsument
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. „Es ist für den Händler keinesfalls akzeptabel, dass klare Informationen
darüber fehlen, welches Recht anwendbar ist“, forderte Roth mehr Rechtssicherheit ein.
Kritik übten die österreichischen Vertreter auch am projektierten Reverse Charge System im Umsatzsteuerrecht,
das einerseits mit großem Aufwand verbunden wäre, andererseits die Tür zum sogenannten Karussellbetrug
weit aufmachen würde, solange die neue Systematik nicht in der gesamten EU, sondern als Pilotprojekt in nur
einem oder in ein paar Mitgliedsstaaten eingeführt wird. „Wir konnten jedenfalls die EU-Repräsentanten
für all diese Themen sensibilisieren, und es hat sich gezeigt, wie wichtig der persönliche Kontakt zu
Brüssel ist und uns ermutigt, diesen Weg der Interessenvertretung in Zukunft noch stärker zu intensivieren“,
so Thalbauer abschließend.
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