Konjunkturdynamik bleibt moderat
Wien (ihs) - Die internationale Konjunktur belebt sich nur äußerst zögerlich. Belastend
wirken die hohen Unsicherheiten (unter anderem wegen des Brexit, protektionistischer Tendenzen und geopolitischer
Risiken). Vor diesem Hintergrund erwartet das Institut für den Jahresdurchschnitt 2016 weiterhin ein Wachstum
von 1.5 % für die österreichische Wirtschaft. Im Einklang mit der leichten Abkühlung im Euroraum
und den schwächer werdenden positiven Effekten der Steuerreform sollte sich das BIP-Wachstum im nächsten
Jahr etwas auf 1.3 % verlangsamen.
In der ersten Jahreshälfte expandierte die Weltwirtschaft weiterhin nur in verhaltenem Tempo. Im Jahresverlauf
hat sich dabei das Wachstum in den Industriestaaten etwas verlangsamt, in den Schwellenländern hingegen stabilisierte
sich die Konjunktur. Mit einem Wachstum von 0.3 % gegenüber dem Vorquartal blieb die Expansionsdynamik in
den USA im zweiten Quartal gering. Nach 0.5 % zu Jahresbeginn betrug im Euroraum die Wachstumsrate gegenüber
dem Vorquartal im zweiten Quartal 0.3 %. Äußerst schwach entwickelte sich der Welthandel, im Vorjahresvergleich
stagnierte er im ersten Halbjahr. Trotz der weiterhin bestehenden strukturellen Probleme zeigen sich deutliche
Hinweise auf eine Stabilisierung der Wirtschaftslage in den Schwellenländern. Diese profitieren von den gestiegenen
Rohstoffpreisen und der konjunkturellen Festigung in China. Hingegen hat die Entscheidung der Briten für den
Austritt aus der EU die politischen Unsicherheiten erhöht. Das Institut geht davon aus, dass der Brexit die
konjunkturelle Entwicklung primär im Vereinigten Königreich dämpft, die über den Handelskanal
auf die Weltwirtschaft ausgehenden Impulse werden gegenwärtig als gering eingeschätzt. Im weiteren Prognosezeitraum
sollte sich das Wachstum der Weltwirtschaft etwas beschleunigen, insbesondere in den USA dürfte die Konjunktur
anziehen. In Euroraum dürfte das Wachstumstempo verhalten bleiben. Aufgrund des Brexit sollte sich das Wirtschaftswachstum
im Vereinigten Königreich stark abschwächen.
Im ersten Halbjahr ist die österreichische Wirtschaft um knapp 1.4 % gegenüber dem Vergleichszeitraum
des Vorjahres gewachsen. Gemessen an der Trend-Konjunktur- Komponente betrugen die Wachstumsraten gegenüber
dem jeweiligen Vorquartal in den ersten beiden Quartalen 0.4 % und 0.3 %. Im zweiten Quartal kamen die stärksten
Impulse von der Binnennachfrage. Getrieben von der Steuerreform legte der private Konsum im Vergleich zur Stagnation
in den Vorjahren merklich zu (0.3 %), positiv entwickelten sich auch die Bruttoanlageinvestitionen (1.0 %). Aufgrund
der kräftigen Binnennachfrage stiegen die Importe (0.9 %) stärker als die Exporte (0.7 %). Die Industriekonjunktur
blieb aber nur verhalten. Insgesamt gesehen erwartet das Institut weiterhin ein Wachstum der österreichischen
Wirtschaft von 1.5 % im heurigen Jahr. Vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung und des sich abschwächenden
Effekts der Steuerreform sollte das Wachstum im kommenden Jahr 1.3 % betragen.
Der Prognose liegt das folgende internationale Konjunkturbild zugrunde. Nach einem verhaltenden Wachstum von 1.6
% in diesem Jahr sollte sich das Wirtschaftswachstum in den USA im nächsten Jahr auf 2.3 % beschleunigen.
Mit BIP-Wachstumsraten von 1.6 % bzw. 1.4 % bleibt die Wirtschaft des Euroraums auf einem moderaten Wachstumspfad.
In den OECD-Staaten sollte die Wirtschaftsleistung um 1.7 % bzw. 2.0 % zulegen. In den Schwellenländern stabilisiert
sich die Entwicklung, wobei für China ein Wachstum von 6.6 % bzw. 6.3 % erwartet wird. Die Weltwirtschaft
wird mit Raten von 2.9 % bzw. 3.2 % expandieren.
Nachdem der reale private Konsum in Österreich in den Vorjahren stagnierte, legte dieses Aggregat im ersten
Halbjahr um 1.2 % gegenüber dem Vorjahr zu. Dabei stärken die Steuerreform und die geringe Inflation
das verfügbare Realeinkommen der privaten Haushalte. Für den Jahresdurchschnitt 2016 wird weiterhin ein
Wachstum der privaten Konsumausgaben um 1.5 % erwartet. Ausgehend von den Erfahrungen früherer Steuerreformen
wird unterstellt, dass die Sparquote um gut ¾ Prozentpunkte ansteigt. Im nächsten Jahr sollte die Sparquote
wieder leicht zurückgehen und das Konsumwachstum 1.1 % betragen.
Nach einer längeren Phase schwacher Investitionstätigkeit beleben sich die Anlageinvestitionen im Prognosezeitraum.
Während die Ausrüstungsinvestitionen bereits im Laufe des Vorjahres anzogen, wurden heuer auch die Bauinvestitionen
nach langdauernder Schrumpfung wieder ausgeweitet. Die günstigen Finanzierungskonditionen und der Bedarf an
Ersatzinvestitionen stützen dabei die Investitionstätigkeit. Bei den Ausrüstungsinvestitionen sollte
sich die positive Dynamik des Vorjahres mit Raten von 3.5 % bzw. 2.8 % fortsetzen. Für die Bauten werden Zuwächse
von 1.8 % und 1.5 % erwartet. Für die Anlageinvestitionen ergibt sich somit ein Wachstum von 2.7 % bzw. 2.2
%.
Im ersten Halbjahr hat sich der Welthandel äußerst schwach entwickelt. Im Prognosezeitraum werden die
österreichischen Exportmärkte nur verhalten zulegen und vom Wechselkurs kommen keine zusätzlichen
Impulse. Vor diesem Hintergrund wird ein Wachstum der österreichischen Warenexporte von 2.8 % erwartet, nächstes
Jahr könnte die Wachstumsrate 3.3 % betragen. Mit 2.7 % bzw. 3.2 % wachsen die Gesamtexporte laut VGR im gleichen
Tempo. Aufgrund der kräftigen Binnennachfrage legen die Warenimporte in diesem Jahr deutlich zu (4.0 %). Nächstes
Jahr sollte sich die Dynamik der Importnachfrage etwas abschwächen (3.4 %). Insgesamt liefern die Nettoexporte
im Prognosezeitraum keinen Wachstumsbeitrag.
Ausgehend von rund 1 % zu Jahresbeginn betrug die Inflationsrate in den letzten Monaten 0.6 %. Die geringe Preissteigerung
geht primär auf die gefallenen Energiepreise zurück, aber auch die Kerninflation liegt nur bei rund 1
¼ %. Nachdem der Basiseffekt der Rohölverbilligung in den nächsten Monaten auslaufen wird, zieht
die Inflationsrate wieder etwas an. Im Jahresdurchschnitt sollte sich die Preissteigerung damit auf 0.9 % belaufen.
Für nächstes Jahr wird eine Inflationsrate von 1.6 % erwartet. Das Institut geht davon aus, dass weder
von den internationalen Rohstoff- und Energiepreisen noch von der heimischen Lohnstückkostenentwicklung ein
spürbarer Preisdruck ausgehen wird. Die Prognose impliziert eine merkliche Verringerung des Inflationsdifferenzials
zum Euroraum im nächsten Jahr. Dies ist auch notwendig, da längerfristig die höhere Inflation zu
heimischen Lohndruck führt, welcher die preisliche Wettbewerbsfähigkeit belastet.
Die verbesserte Konjunkturlage und das weiterhin kräftig steigende Arbeitskräfteangebot sind im Prognosezeitraum
die bestimmenden Faktoren am Arbeitsmarkt. Aufgrund des stärkeren Wachstums fällt die Beschäftigungsnachfrage
kräftig aus. Im laufenden Jahr wird für die Zahl der Aktiv-Beschäftigten weiterhin ein Zuwachs um
1.5 % erwartet, nächstes Jahr sollte die Wachstumsrate 1.1 % betragen. Dies reicht aber nicht aus, um den
Anstieg des Arbeitskräftepotenzials vollständig aufzunehmen. Dabei steigt insbesondere die Zahl der Erwerbspersonen
aus dem Ausland, vor allem aus den ost- und mitteleuropäischen EU-Mitgliedstaaten. Aufgrund der höheren
Erwerbsneigung von Frauen und Älteren erhöht sich auch die Zahl der inländischen Erwerbspersonen.
Zusätzlich ist noch die starke Zuwanderung von Asylwerbern zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund
erwartet das Institut eine Arbeitslosenquote laut nationaler Definition von 9.2 % bzw. 9.5 %. Die Arbeitslosenquote
laut Eurostat-Definition wird 6.1 % bzw. 6.2 % betragen.
Die Lage der öffentlichen Haushalte wird im Prognosezeitraum insbesondere von der Steuerreform geprägt.
Nachdem im Vorjahr ein strukturelles Nulldefizit erreicht wurde, dürfte heuer die Defizitquote auf 1.8 % steigen,
wofür primär die zumindest kurzfristig nicht vollständig gegenfinanzierte Steuerreform verantwortlich
ist. Im Jahr 2017 sollte die Defizitquote auf 1.4 % zurückgehen. Für eine Stärkung der Wachstumskräfte
wäre es notwendig, durch Reformen alle Effizienzpotenziale im öffentlichen Bereich zu heben, sodass die
erforderlichen zukunftsorientierten öffentlichen Investitionen (insbesondere in den Bereichen Bildung, Forschung
und Entwicklung) finanziert werden können. Vor dem Hintergrund der weiterhin hohen Abgabenlast bei gleichzeitig
hoher Staatsverschuldung sollten die derzeitigen Neuverhandlungen des Finanzausgleichs auch dazu genutzt werden,
die Finanzbeziehungen zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften zu entflechten. Durch eine anreizkompatiblere
Verteilung der Kompetenzen und Beseitigung von Mehrfachzuständigkeiten können die Transparenz erhöht
und die Weichen für eine effizientere öffentliche Verwaltung gestellt werden. Maßnahmen zur Stärkung
des Wirtschaftsstandortes Österreich sind zu begrüßen (etwa im Bereich der Neugründungen),
es bestehen aber weitere Reformnotwendigkeiten, etwa bei den Lohnnebenkosten. Darüber hinaus sollte nicht
vergessen werden, dass protektionistische Tendenzen in der Handelspolitik insbesondere für eine Exportnation
wie Österreich wachstumshemmend wirken.
Weiterhin belasten Unsicherheiten die Konjunktur. Die Prognoserisiken sind eher abwärts gerichtet. Das größte
Risiko für die europäische Konjunktur betrifft die wirtschaftlichen Folgen des Austritts des Vereinigten
Königreichs aus der EU. Eine ausgeprägte und langandauernde Rezession im Vereinigten Königreich
hätte merkliche negative Auswirkungen auf die Haupthandelspartner. Starke und anhaltendende Turbulenzen an
den Finanzmärkten sowie protektionistische Tendenzen im internationalen Handel würden die Wirtschaftsentwicklung
spürbar verlangsamen. Eine Ausweitung der Konflikte im Nahen Osten und in Nordafrika (IS-Terrorismus und Flüchtlingskrise)
könnte die Wirtschaftsstimmung weiter trüben und wohl auch zu einer Erhöhung der Energiepreise führen.
Die polit-ökonomischen Probleme in der EU (Aufteilung der Flüchtlinge, Vollendung der Bankenunion, Schuldenkrise,
Ausgestaltung der europäischen Institutionen) halten die Unsicherheit der Wirtschaftsakteure hoch. Je länger
die weltweit expansive Geldpolitik fortgesetzt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Blasen
auf den Aktien- und Immobilienmärkten auftreten. Gegenwärtig belebt sich die Industriekonjunktur in Österreich
nur wenig, allerdings könnte eine Initiative zur Verbesserung des Wirtschaftsstandorts Österreichs die
Stimmung bei den Unternehmen heben und zusätzliche Investitionen anregen.
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