Paneldiskussion beim Bad Ischler Sozialpartnerdialog 2016 zu den volkswirtschaftlichen Effekten
von Migration und Integration
Wien (ögb-pwk) - „Derzeit gibt es Migrationsbewegungen, die wir gar nicht beeinflussen können,
und zudem ein Überangebot an Arbeitskräften“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar beim Bad Ischler
Dialog der Sozialpartner im Panel „Volkswirtschaftliche Effekte“. „Wir konnten die Flüchtlingsbewegung 2015
nicht steuern, aber wir können die volkswirtschaftliche Herausforderung auch als Chance begreifen. Ohne Zuwanderung
würde Österreich schrumpfen. Das würde für die Volkswirtschaft und für die sozialen Sicherungssysteme
ein großes Problem darstellen.“
„Wir haben uns nie eingestanden, dass Österreich ein Zuwanderungsland ist, obwohl wir immer schon Arbeitskräfte
aus anderen Ländern aktiv nach Österreich geholt haben. Zum Beispiel haben wir heuer das 50. Jubiläum
des Anwerbeabkommens mit dem damaligen Jugoslawien begangen“, erinnerte Foglar. In der derzeitigen Lage könne
Österreich aber nicht mehr allein tätig werden: „Wir brauchen volkswirtschaftliche Antworten auf europäischer
Ebene - das kann man nicht nationalstaatlich lösen.“
Brown: Zuwanderung führt nicht zu Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt
Die große Bedeutung von Zuwanderung aus Drittstaaten betonte Alessio Brown vom Zentrum für Bevölkerungs-,
Entwicklungs- und Arbeitsökonomie an der United Nations University (UNU-MERIT) in Maastricht. Denn weder EU-Binnenmigration
noch Migration von Asylbewerbern sei ausreichend, um im globalen Wettbewerb um die knappen Humanressourcen zu bestehen.
Und, so Alessio weiter:
„Zuwanderung wirkt sich positiv auf den Arbeitsmarkt aus.“ Es komme zu keiner Verdrängung von Einheimischen
durch zugewanderte Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt, so Brown. Viel mehr steigen Produktivität, Löhne
und Kaufkraft.
Vehement plädierte der Experte dafür, Investitionen in Integration und Bildung als „Zukunftseffekte,
die sich auszahlen“, zu begreifen. Was es jedenfalls aber brauche, sind neben einer fairen und effektiven Verteilung
von Flüchtlingen ein Profiling bei der Erstaufnahme, beschleunigte Aufnahmeverfahren sowie ein Einwanderungsgesetz
mit transparenten Auswahlverfahren für Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten. Ein solches würde sowohl ein
Signal nach außen als auch nach innen darstellen, hielt Brown fest.
Siegl: Zuwanderung muss von Qualifikation des Migranten abhängen, nicht von der des Schleppers
„Österreich braucht Migration. Das ist mit Hausverstand aus der Geburtenrate ableitbar“, sagte René
Siegl (Austrian Business Agency). Österreichs Wirtschaft lebe sehr stark vom Export, „da brauchen wir auch
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Beispiel die entsprechenden Sprachkenntnisse haben.“ Siegl selbst ist
in der Flüchtlingshilfe aktiv – was aber nichts an einer pessimistischen Einschätzung der volkswirtschaftlichen
Effekte der Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Jahre ändert: „Ich denke, dass die Flüchtlingswelle
des vergangenen Jahres in der rein ökonomischen Bilanz für Österreich negativ ausfallen wird.“ Die
Qualifikationen der Flüchtlinge seien zu niedrig, gleichzeitig würden die Anforderungen der Unternehmen
immer höher werden, Stichwort Digitalisierung.
Positiv bewertet Siegl die letzte Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz, das die gesteuerte Zuwanderung
mittels Rot-Weiß-Rot-Card auf Start Ups ausgeweitet habe. „Ich hätte mir aber mehr Mut gewünscht
bei selbstständigen Schlüsselkräften – für die gibt es nach wie vor keine Rot-Weiß-Rot-Card“,
so Siegl, der zusammenfasste: „Wir brauchen Migration, aber sie muss mehr qualifikationsabhängig sein. Die
Zuwanderung muss von der Qualifikation des Migranten abhängen, und nicht von der des Schleppers.“
Janisch: Unternehmer in die Pflicht nehmen – Integration funktioniert nicht automatisch
ÖBB-Betriebsrätin Olivia Janisch schätzt die Effekte der Zuwanderung deutlich positiver ein
– aber nicht automatisch: „Ich bin überzeugt, dass es anders kommt, wenn man denkt, und wenn man handelt.
Von selbst wird kein Erfolg kommen.“ Die ÖBB würden mit gutem Beispiel vorangehen: „Bei uns arbeiten
Menschen 56 unterschiedlicher Nationalitäten.“
Seit 2012 gebe es bei der ÖBB ein Lehrlingsprojekt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge:„Sie
bekommen eine Berufsausbildung, aber auch Deutschkurse, und sie sind in einem Mentoring-Programm. Derzeit sind
in dem Programm 70 Jugendliche. Ganz wesentlich: Sie bekommen die volle Lehrlingsentschädigung, die ihnen
laut Kollektivvertrag zusteht.“ Janisch appellierte: „Hier sind auch andere Firmen gefragt. Die Unternehmen sind
in der Pflicht und Verantwortung, hier innovativ tätig zu sein.“
Groß: Asylberechtigte Menschen möglichst rasch an den Arbeitsmarkt heranführen
Amelie Groß aus dem Bundesvorstand der Jungen Wirtschaft (JW) als Vertreterin der Jungen Sozialpartner
plädierte in ihren Ausführungen dafür, asylberechtigte Menschen möglichst rasch an den Arbeitsmarkt
heranzuführen: „Die Menschen möchten einen Beitrag leisten“, zeigte sie sich überzeugt. Momentan
seien einige Voraussetzungen für den Erhalt einer Rot-weiß-Rot Card in Österreich gerade am Anfang
oftmals noch schwer zu erfüllen, so Groß mit Verweis etwa auf Sprachkenntnisse.
Weiters trat sie dafür ein, auch denjenigen Zuwanderern, die aktuell schon in Österreich sind, „die Möglichkeit
zu geben Unternehmen zu gründen und Arbeitsplätze zu schaffen.“ Positive volkswirtschaftliche Effekte
von Migration und Integration seien allerdings nur dann zu erreichen, wenn sich etwas ändere, meinte die Vertreterin
der Jungen Sozialpartner etwa mit Verweis auf die Anerkennung von Fähigkeiten sowie der vorangegangenen Ausbildung
in Österreich.
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