Bei der meistgeprüften Bank Österreichs fehlte es an Konsequenzen
Wien (pk) - Die traurige Geschichte der Hypo Alpe Adria-Bank International hat viele Kapitel: Von der riskanten
Expansion auf Basis von Milliardenhaftungen des Landes Kärnten über die Verstaatlichung des maroden Instituts
im Jahr 2009 bis zur derzeit laufenden Abwicklung unter dem Namen "Heta". Der finanzielle Einsatz des
Staates beim "größten Bankenskandal der Zweiten Republik" ist groß – der Rechnungshof
beziffert die Kapitalkosten bis Mitte 2014 mit 4,35 Mrd. € und die Haftungen mit 1,2 Mrd. €. Definitiv abschätzbar
wird das ganze Ausmaß des Finanzdesasters erst nach Ende der Heta-Abwicklung sein. Die politische Verantwortung
war Thema von Untersuchungsausschüssen – des Kärntner Landtags und des Nationalrats.
Am 29.09. richteten die Abgeordneten im Rechnungshofausschuss ihre Aufmerksamkeit auf das Kapitel "Verstaatlichung".
Dazu lagen dem Ausschuss die Ergebnisse einer Sonderprüfung des Rechnungshofs ( III-157 d.B.) vor, der am
12. Juni 2013 vom Nationalrat den Auftrag erhalten hatte, die wirtschaftliche Lage der Hypo Alpe Adria-Bank International
zum Zeitpunkt der Notverstaatlichung im Dezember 2009 darzustellen. Zu prüfen waren auch die Vorgehensweise
bei der Verstaatlichung, die Auswirkungen auf den öffentlichen Haushalt, die vertragliche Ausgestaltung der
Rettungsmaßnahmen, der Ablauf des EU–Beihilfeverfahrens und der Informationsstand über interne und externe
Prüfungen in den Jahren 2006 bis 2009. In der Debatte waren sich die Abgeordneten in ihrem Lob für den
Rechnungshof einig, auch wenn sie unterschiedliche Schlüsse aus dem Bericht ziehen, den sie einstimmig zur
Kenntnis nahmen und an das Plenum verabschiedeten. Dort steht das Thema Hypo Alpe Adria am 12. Oktober 2016 auch
anhand des Abschlussberichts des Hypo-Untersuchungsausschusses zur Diskussion.
Hypo-Verstaatlichung - Vorgeschichte, Folgen und RH-Empfehlungen
Um am Höhepunkt der globalen Finanzkrise eine Insolvenz der schwer angeschlagenen österreichischen Systembank
zu vermeiden, erwarb die Republik Österreich am 14. Dezember 2009 die Hypo Alpe Adria für einen Kaufpreis
von vier Euro von deren Eigentümer, der Bayerischen Landesbank (BayernLB). Den möglichen Schaden aus
einer Insolvenz für die Republik und andere österreichische Teilnehmer am heimischen Finanzmarkt hatte
die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) mit 27 Mrd. € beziffert. Als maßgeblich für die Systemrelevanz
der Hypo Alpe Adria galten Milliarden-Haftungen des Landes Kärnten. Diese Garantien hatten der Bank Wachstumsmöglichkeiten
eröffnet, die sie mit eigener Refinanzierungstätigkeit nicht hätte erreichen können. Ende 2009
wurde der Kapitalbedarf für die Reorganisation der Hypo Alpe Adria auf bis zu 2,1 Mrd. € geschätzt. Bereits
Mitte des Jahres 2009 war ein überplanmäßiger Wertberichtigungsbedarf bekannt und seit November
2009 lag auch das Resultat einer Wirtschaftsprüfung mit einer vertieften Analyse des Kreditportfolios der
Hypo Alpe Adria vor.
Bereits Ende April 2009 konnten das Finanzministerium und die Finanzmarktbeteiligung AG des Bundes (FIMBAG) die
zunehmend schlechter werdende wirtschaftliche Lage der Bank erkennen - FIMBAG und Ministerium nutzten aber ihre
Buch–, Betriebsprüfungs– und Einsichtsrechte nicht für eine sorgfältige Prüfung, lautet der
Vorwurf des Rechnungshofs, den RH-Präsidentin Kraker im Ausschuss betonte. Als Vertreter der Republik Österreich
Ende August 2009 gegenüber der BayernLB eine Insolvenz ausschlossen, schränkten sie damit ihren Verhandlungsspielraum
massiv ein, kritisiert der Rechnungshof weiter. Die Zustimmung zur Verstaatlichung erfolgte dann unter starkem
Zeitdruck, berichten die RH-PrüferInnen.
Interne Kontrolle mangelhaft, Finanzaufsicht unzureichend
Die interne Kontrolle der Bank und die Bankenaufsicht durch Nationalbank und Finanzmarktaufsicht war unzureichend,
schreibt der Rechnungshof. Der Oesterreichischen Nationalbank wirft der Rechnungshof vor, sie habe die Plausibilität
der von der Hypo Alpe Adria übermittelten Daten widersprüchlich bewertet und sei bei der Gewährung
von Partizipationskapital im Jahr 2008 von der Terminologie der EU-Kommission abgewichen. Die Nationalbank habe
dem Finanzressort eine ungenügende Entscheidungsgrundlage vorgelegt und das Ministerium habe diese nicht ausreichend
konkretisiert. Die Österreichische Finanzmarktaufsicht wiederum verabsäumte es, die ihr zur Verfügung
stehenden Aufsichtsmaßnahmen angemessen und im erforderlichen Ausmaß zu nutzen, heißt es im Prüfbericht
des Rechnungshofs zur Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria.
Ganz oben auf der Liste der Empfehlungen, die RH-Präsidentin Kraker aus den Erkenntnissen zur Verstaatlichung
der Hypo Alpe Adria ableitet, steht ein Verbot für Gebietskörperschaften, Haftungen zu übernehmen,
die ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit übersteigen und den Bund in eine wirtschaftliche Zwangslage führen
können. Die Zusammenarbeit der für die Finanzmarktstabilität verantwortlichen Institutionen sei
zu verbessern. Verhandlungsabläufe und –inhalte sowie Entscheidungen sollten auch dann nachvollziehbar dokumentiert
werden, wenn unter Zeitdruck zu verhandeln und zu entscheiden ist. Im Falle einer negativen Entwicklung staatlich
unterstützter Kreditinstitute empfiehlt der Rechnungshof dem Bund, sich frühzeitig ein eigenständiges
und vom Vertragspartner unabhängiges Gesamtbild der Situation verschaffen sowie Szenarien zu analysieren und
Alternativen zu entwickeln.
Der Oesterreichischen Nationalbank rät der Rechnungshof, bei Beurteilungen alle positiven und negativen Aspekte
zu berücksichtigen sowie vorgegebene Kategorien zu verwenden, statt eigene, nicht eindeutige Beurteilungskategorien
zu schaffen. Während nämlich die Europäische Kommission Banken "fundamentally sound" oder
"distressed" beurteilt, verwendete die OeNB in ihrer Stellungnahme vom 18. Dezember 2008 eine eigene
Formulierung und sah die Hypo Alpe Adria nicht als "distressed" im Sinne unmittelbar erforderlicher Rettungsmaßnahmen
an.
Finanzministerium und FIMBAG sollten bereits bei Anzeichen einer wirtschaftlichen Verschlechterung alle zur Verfügung
stehenden Rechte zur bestmöglichen Wahrung der Interessen des Bundes dokumentiert abwägen und über
deren Einsatz entscheiden. Für einen Notfall sollten Finanzressort, Nationalbank, Finanzmarktaufsicht und
FIMBAG eine gemeinsame und koordinierte Vorgehensweise mit eindeutig zugeordneten Verantwortungen und Kompetenzen
entwickeln, die auch die rechtzeitige Einbindung aller Akteure sicherstellt. Dabei rät der Rechnungshof auch
zu einer Vorgangsweise mit festgelegten Informations– und Auskunftsmechanismen, Handlungsanleitungen und Eskalationsverfahren.
Laut Rechnungshof gilt es künftig die Gefahr zu verringern, dass der Bund in die Zwangslage gerät, ein
Kreditinstitut zu verstaatlichen - durch rechtzeitiges und zielgerichtetes Handeln.
Abgeordnete einig: Der Rechnungshof hat gute Arbeit geleistet
Es war ein Verlangen der Grünen, auf das die RH-Sonderprüfung zur Verstaatlichung der Hypo-Alpe-Adria
zurückgeht, erinnerte Werner Kogler (G) und dankte im Einvernehmen mit Sprechern aller Fraktionen für
den umfassenden und tiefschürfenden Bericht in einer komplexen Materie. "Dieser Bericht hat gemeinsam
mit dem Bericht der Griss-Kommission dem Hypo-Untersuchungsausschuss als eine fundamentale Arbeitsunterlage gedient",
berichtete der Abgeordnete mit ausdrücklicher Unterstützung Rainer Hables (N). Inhaltlich ging Kogler
auf die Bemühungen des Rechnungshofs ein, die Hypo Alpe Adria in den Jahren 2005 und 2006 einer Follow-up-Prüfung
zu unterziehen, woran er vom Eigentümer durch Änderung der Mehrheitsverhältnisse gehindert worden
sei. Daran knüpfte Kogler die Frage, ob sich der Rechnungshof damals nicht besser durchsetzen hätte können.
Auch Kai Jan Krainer (S) sprach von einem wertvollen Bericht und merkte an, dass auch der Rechnungshof die Frage
der Landeshaftungen vor der Verstaatlichung nicht so kritisch gesehen habe wie danach. Seit 2009 stehe aber auch
der Rechnungshof Landeshaftungen sehr kritisch gegenüber, hielt Krainer fest und plädierte für eine
intensive Debatte über dieses Thema im Plenum.
Bei der meistgeprüften Bank Österreichs fehlte es an Konsequenzen
"Die Hypo Alpe Adria war die meistgeprüfte Bank Österreichs, gefehlt hat es an Konsequenzen",
sagte Gabriele Tamandl (V). Der Rechnungshof habe viele Kontrollmängel aufgedeckt, hielt Tamandl fest. Im
Untersuchungsausschuss sind aber Tatsachen zu Tage getreten, die bei der Erstellung des Rechnungshofberichts noch
nicht bekannt waren, etwa hinsichtlich der Rolle der Bayern sowie darüber, wann sich die BayernLB aus der
Bank verabschieden wollte. Der hohe Haftungsstand des Landes Kärnten für die Hypo sei lange Zeit nicht
als bedrohlich angesehen worden, weil niemand damit gerechnet habe, dass Kärnten diese Haftungen jemals bedienen
müsse.
Auf Unterschiede zwischen dem Rechnungshofbericht und den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses zur Hypo Alpe
Adria machte Erwin Angerer (F) aufmerksam und plädierte für eine Follow-up-Prüfung des Rechnungshofs,
die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses sowie auch den anderen RH-Bericht zur Hypo, nämlich jenen zu
den Verkaufsaktivitäten, aufnimmt. Der auch von anderen Abgeordneten geäußerte Wunsch nach einer
Follow-up-Überprüfung werde aufgegriffen und im Rahmen der RH-internen Prüfungsplanung diskutiert,
sagte Kraker dem Ausschuss zu.
In einer Reihe von Detailfragen – die Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker schriftlich zu beantworten versprach
- wollte Angerer wissen, ab wann Verhandlungen über die Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria geführt wurden,
wann die Ausstiegspläne der Bayern bekannt wurden und ob es einen unausgesprochenen Konsens zwischen dem Finanzministerium
und den Bayern darüber gab, das Institut nicht in Konkurs gehen zu lassen. Der von der Nationalbank mit 27
Mrd. € angegebene Schaden eines Hypo-Konkurses habe die Werte der Bank nicht berücksichtigt, erinnerte Angerer
und stellte einmal mehr die Frage, warum die Republik das Eigenkapitalersatzgesetz hinsichtlich der 5 Mrd. € Kapitalzuführung
von Seiten der Bayern nicht genutzt habe.
"Der Kern des Problems bei der Hypo waren in jeder Phase ihrer Geschichte die Landeshaftungen und die Kontrollmängel
in der Bank" stellte Kai Jan Krainer (S) fest. Eine Diskrepanz ortete Krainer zwischen dem schriftlich festgehaltenen
Verhandlungsergebnis zur Notverstaatlichung und dem ausformulierten Vertrag mit der Bayern-LB. Die Unterschiede
seien nicht nur juristische, sondern auch inhaltliche. So fehle im Vertrag die ausverhandelte Gewährleistung,
sagte Krainer.
Martina Schenk (T) thematisierte die juristische Beratung des Rechnungshofs bei der Abfassung des Berichts und
fragte, ob es politische Interventionen vor der Abfassung des Endberichts gegeben habe. Dazu erklärte RH-Präsidentin
Kraker, die Diskrepanz zwischen Roh- und Endbericht sei gängige Praxis und sei auch durch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
bedingt, auf die der Rechnungshof durch Anonymisierungen im Endbericht Rücksicht nehme.
Margit Kraker: Haftungen sind die Schulden von morgen
Den vom Rechnungshof geprüften Behörden waren Mängel im Unternehmen durchaus bewusst, zeigte Rechnungshofpräsidentin
Margit Kraker auf. Dennoch wurden Buch- und Einsichtsrechte nicht ausgenutzt, wodurch es verabsäumt wurde,
Informationsasymmetrien entgegenzuwirken. Um dieses Problem künftig zu lösen, schlug Kraker die Verbesserung
der Kommunikation, eine Informationsvernetzung zwischen Finanzministerium und anderen Institutionen sowie das Ausschöpfen
aller vertraglichen Rechte vor. Auch rechtliche Bestimmungen zu Haftungsobergrenzen der Länder seien künftig
erforderlich. An dieser Stelle hob Kraker die Notwendigkeit der Ausweitung der RH-Prüfkompetenz ab einer Bundesbeteiligung
von 25% hervor.
Der Kritik am Rechnungshof entgegnete die Präsidentin mit dem Hinweis darauf, der Rechnungshof habe bereits
1993 Haftungen als Schulden von morgen bezeichnet. Im Jahr 2003 wies das Prüforgan auf die expansive Geschäftspolitik
der Hypo hin. Das Prüfergebnis spiegle den zum Prüfungsstichtag vorliegenden Wissensstand wieder, verteidigte
Kraker den Prüfbericht. Die Ergebnisse des Hypo-Untersuchungsausschusses lagen erst nach Erstellung des RH-Prüfberichts
vor und konnten daher nicht miteinbezogen werden, erklärte die Rechnungshofpräsidentin.
Schließlich nahm der Ausschuss - zur Fristwahrung – folgende RH-Berichte in Verhandlung und vertagte deren
Behandlung einstimmig.
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