Von 30.9.2016 bis 26.3.2017 im Ferdinandeum Innsbruck
Innsbruck (tlm) - Zwischen 1957 und 1971 zeichnete der Tiroler Künstler Paul Flora über 3.000
Karikaturen für die deutsche Wochenzeitung Die Zeit. Als Karikaturist war er auch für andere internationale
Zeitungen tätig. Schlicht und humorvoll brachte Flora scharfe politische Beobachtungen auf den Punkt. Dennoch
gab er sich stets Mühe, sein zeichnerisches Werk nicht auf diese Tätigkeit reduzieren zu lassen. Die
Ausstellung im Ferdinandeum beleuchtet Floras Arbeit als Karikaturist und stellt seine Zeichnungen nicht nur in
einen zeithistorischen, sondern auch in einen künstlerischen Kontext.
Paul Flora zählt zu den großen Zeichnern Österreichs. Von seinem oberhalb der Stadt Innsbruck gelegenen
Atelier auf der Hungerburg überblickte der 1922 in Glurns/Südtirol geborene Künstler das Weltgeschehen
und hielt mit spitzer Feder in seinen Karikaturen fest, was Menschen weltweit beschäftigte.
„Paul Floras Karikaturen sind weit über Tirol hinaus bedeutsam und eben nicht nur Karikaturen, sondern Teil
eines künstlerischen Gesamtwerks. Daher haben wir uns entschlossen, diesem Werkbereich eine große Ausstellung
zu widmen“, stellt PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, fest und fährt fort:
„Die Ausstellung im Ferdinandeum untersucht, wie Flora Humor und Ironie in seinem Œuvre als künstlerische
Strategie einsetzte.“
Floras Atelier
Zu Beginn wirft die Ausstellung einen Blick in Floras Atelier. Dort findet sich allerhand Skurriles. Ob ausgestopfter
Rabe, Weisheitszahn, roter Plastik-Damenschuh, Ledermaske, Zeitungsausschnitte oder besondere Postkarten – das
bunte Sammelsurium in seinem Atelier spiegelt wider, was den Künstler bewegte und dass Flora Humor einen hohen
Stellenwert beimaß. „Der Bestand mit Floras persönlichen Gegenständen bereichert die Ausstellung
ungemein. Dadurch lernen wir Floras Arbeitsumfeld kennen“, hebt Dr. Helena Pereña, Kuratorin der Ausstellung
und Hauptkuratorin der Tiroler Landesmuseen, hervor. „Die Schau ist außerdem als Plädoyer für die
Karikatur als eigenständige Kunstgattung zu verstehen.“
Flora sortierte Fotografien, Postkarten und Zeitungsausschnitte nach verschiedenen Gesichtspunkten in Mappen mit
Titeln wie „Persönlichkeiten. Mussolinis Ende“ oder „Napoleon. Wagner“. Dabei stellte Flora Bilder zusammen,
die sich gegenseitig kommentierten bzw. im Zusammenspiel einen anderen Sinnzusammenhang entwickelten. Es wird deutlich,
dass sein Witz aus der Begegnung verschiedener Elemente entstand – wie zum Beispiel aus der Gegenüberstellung
eines Hundes mit einem ähnlich frisierten Offizier.
Floras Bibliothek
Floras Bibliothek, die ebenfalls in der Ausstellung angedeutet wird, wurde 2015 von den Tiroler Landesmuseen
als Gesamtbestand übernommen. Sie umfasst mehrere tausend Bände und zeugt von den breitgefächerten
Interessen des Künstlers, aber auch von seinem großen Netzwerk. Die vielen Menschen, die ihm Bücher
oder Zeichnungen schenkten oder widmeten, lassen Rückschlüsse auf einen ebenso prominenten wie internationalen
Freundeskreis zu. Dazu zählen u. a. Schriftsteller wie Friedrich Dürrenmatt, Christoph Ransmayr und Martin
Walser bzw. Zeichner wie Saul Steinberg, Luis Murschetz, Tomi Ungerer und Rudi Schönwald.
Flora und die Zeitungen
Die ersten politischen Karikaturen Floras erschienen ab 1952 in der österreichischen Wochenpost und ab Jänner
1957 in der Tiroler Tageszeitung. Ab 1957 zeichnete Flora auch für Die Zeit. Eine der ersten Karikaturen,
die Flora für Die Zeit zeichnete, wurde im Time Magazine abgebildet. In The Canberra Times und The Observer,
wo Die Zeit-Chefredakteurin Marion Gräfin Dönhoff früher arbeitete, erschienen fast jede Woche politische
Karikaturen Floras. Für manche Medien, wie zum Beispiel den Spiegel, lieferte der Künstler etwas veränderte
oder neue Bildfindungen.
Flora als politischer Beobachter
Flora hielt als politischer Karikaturist fest, was die Welt in den 1950er bis 1970er Jahren bewegte. Er begleitete
eine Zeit politischer Umwälzungen. Neben den internationalen Beziehungen in der mittleren Phase des Kalten
Krieges weckten die vielen Konflikte als Folge der Dekolonisation genauso sein Interesse wie der arabische Raum
und die antikolonialistische Politik des ägyptischen Präsidenten Nasser. Zu seinen immer wiederkehrenden
Themen gehörten auch Südafrikas Apartheidpolitik sowie die Konflikte im Kongo, in Indien und China. Oft
und gerne zeichnete Flora die prägnante Gestalt Mao Zedongs. Zentralfigur der europäischen Politik der
1960er Jahre war der französische Präsident Charles de Gaulle. Neben gesamteuropäischen Themen wie
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) oder der umstrittenen Finanzierung der Europäischen Agrarpolitik
beschäftigte sich Flora auch mit der Innenpolitik der BRD, mit Österreich und den Problemen in Südtirol.
Trotz Verfremdung bleiben die von Flora gezeichneten Persönlichkeiten in seinen Karikaturen stets erkennbar.
Symbolische Verbrennung?
Immer wieder versuchte Flora, sich von seinen politischen Karikaturen zu distanzieren. Als freischaffender Zeichner
störte ihn sein Ruf als Karikaturist zusehends. Zu sehr wurde diese Tätigkeit in der Öffentlichkeit
hervorgehoben. Im Oktober 1971 erschien Floras letzte politische Karikatur. 1980 soll Flora alle politischen Karikaturen,
die noch in seinem Besitz waren, verbrannt haben. Heute sind von ca. 3.500 Originalen nur noch etwa 800 erhalten.
Die Originale schenkte Flora seinem Freund Wolfgang Klocker bzw. verkaufte sie dem Wilhelm Busch-Museum in Hannover.
Darüber hinaus sind aber auch die Erinnerungen vieler Sammler der politischen Karikaturen Floras erhalten,
die zahlreiche Alben mit Zeitungsausschnitten hinterließen, und natürlich die Zeitungen selbst. Den
Kern der Ausstellung im Ferdinandeum bildet ein großes Konvolut von Karikaturen aus der Klocker Stiftung.
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