Hauptausschuss genehmigt Auslandseisätze im ungarischen Grenzgebiet zu Serbien, im Mittelmeer
und in Afghanistan
Wien (pk) - Umstrittene Auslandseinsätze standen am 28.09. auf der Tagesordnung des Hauptausschusses.
Die Opposition übte vor allem Kritik hinsichtlich der erweiterten Beteiligung an der EU-Mittelmeermission
SOPHIA zur Unterbindung der Schlepperkriminalität sowie an der Fortsetzung des heimischen Engagements im Rahmen
der von der NATO geleiteten Mission in Afghanistan. Den Bundesheereinsatz im ungarischen Grenzgebiet zu Serbien
sehen die Grünen als verfassungswidrig an. Er sei nicht durch das Bundesverfassungsgesetz über Kooperation
und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) abgedeckt. Verteidigungsminister
Hans Peter Doskozil hingegen bekräftigte den humanitären Charakter dieser Hilfestellung und versicherte,
dass diese verfassungsrechtlich streng geprüft worden sei.
Mit Zustimmung des Ausschusses werden zudem die Mitglieder der KommAustria neu bestellt.
Hilfseinsatz im ungarischen Grenzgebiet zu Serbien ist für Grüne verfassungswidrig
Trotz des harten Vorwurfs seitens der Grünen, die Entsendung von Bundesheerangehörigen in das ungarische
Grenzgebiet zu Serbien sei nicht vom KSE-BVG gedeckt, fiel der Beschluss deutlich aus, ein Hilfskontingent, bestehend
aus Führungs-, Verbindungs-, Versorgungs-, Pionier- und Sanitätspersonal sowie eine Container-Transportgruppe
in einer Gesamtstärke von bis zu 85 Personen zu entsenden. Neben SPÖ und ÖVP stimmten auch die Freiheitlichen,
die NEOS und das Team Stronach dafür. Zusätzlich sind weitere 40 Personen jeweils zur Hälfte für
unterstützende bzw. vorbereitende Tätigkeiten und für den Einsatz im Rahmen von Lufttransporten
vorgesehen. Die Entsendung soll vorerst ein halbes Jahr dauern.
Die Grünen verweigerten ihre Zustimmung aus prinzipiellen verfassungsrechtlichen Bedenken, wie Tanja Windbüchler-Souschill
erläuterte. Bei der Hilfeleistung für den Nachbarn handle es sich weder um Friedenssicherung, noch um
einen Rettungsdienst, noch um eine Übung. Es liege auch keine Katastrophe im herkömmlichen Sinn vor,
sagte sie. Die Betonung der humanitären Hilfe im Antrag stellt ihrer Meinung nach nur einen Vorwand dar, tatsächlich
liege eine Form der Assistenzleistung vor, die im Rahmen der polizeilichen Aufgaben zu erfüllen sei. Rainer
Hable von den NEOS bewertete die rechtliche Grundlage tatsächlich als "etwas schwammig", begrüßte
aber grundsätzlich die gegenseitige Hilfeleistung. Er regte aber an, eine bessere Rechtsgrundlage zu schaffen.
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil unterstrich den humanitären Charakter der Hilfeleistung für
den ungarischen Nachbarn und betonte, dass diese sehr gut überlegt sei. Die geplanten Sanitäts-, Transport-
und Pionierleistung stellen einen vertretbaren Rahmen dar, sagte er. Die Einbindung des Arbeiter-Samariterbunds
im Umfang von zehn Personen dokumentiere den humanitären Fokus, bemerkte er gegenüber Jessi Lintl (F)
und Wolfgang Zinggl (G).
Im Antrag selbst weist der Minister darauf hin, dass in Folge der Sperre der Westbalkan-Route die Schleppertätigkeit
wieder zugenommen hat, wodurch es entlang der Bewegungslinien aus Richtung Ungarn nach und durch Österreich
zu vermehrten Aufgriffen von MigrantInnen und Schleppern kommt. Ungarn habe im Juli um humanitäre Hilfestellung
ersucht, eine Unterstützung durch Österreich, insbesondere im Sanitäts- und Logistikbereich, könne
auch die humanitäre Situation der betroffenen Flüchtlinge im Grenzgebiet verbessern. Ein Unterstellungsverhältnis
gegenüber den ungarischen Streitkräften ist nicht vorgesehen, wird im Antrag versichert.
Oppositionelle Zweifel an Sinnhaftigkeit der EU-Mission im südlichen zentralen Mittelmeer
Für Diskussionsstoff sorgte abermals die Beteiligung Österreichs an der EU-Militäroperation im Mittelmeer
zur Unterbindung der Schleuserkriminalität (EUNAVFOR MED Operation SOPHIA). Bereits im Dezember 2015 hatte
die Opposition im Hauptausschuss aus unterschiedlichen Gründen Kritik daran geübt. Auch diesmal zeigte
sich die Opposition äußerst skeptisch, was die Sinnhaftigkeit der Mission betrifft. Dennoch wurde der
Antrag des Außenministers, das Engagement Österreichs mit bis zu 30 (bisher 10) Bundesheerangehörigen,
weiteren 25 Personen für vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten und bis zu 20 Personen für
Lufttransporte bis 31. Dezember 2017 zu verlängern, mit den Stimmen der Koalitionsparteien genehmigt. Auch
die dazugehörige Verordnung über die Befugnisse der entsendeten Personen passierte den Hauptausschuss
mit Stimmenmehrheit von SPÖ und ÖVP.
Tanja Windbüchler-Souschill (G) bezeichnete die Mission als wenig sinnvoll. Johannes Hübner (F) zufolge
hat das Ganze nichts mit Grenzschutz zu tun, sondern stelle eine kostenlose Schlepperaktion dar, wiederholte er
seine diesbezüglich bereits mehrmals vorgebrachte Kritik. Für die NEOS wiederum geht der Grenzschutz
nicht weit genug. Solange sich dieser nicht auf die nordafrikanischen Küstengebiete bezieht, entsteht eine
Sogwirkung, begründete Rainer Hable die Ablehnung seiner Fraktion. Der Schutz der Außengrenzen ist nur
ein Teil eines Gesamtkonzepts, reagierte daraufhin Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, dazu gehören
auch die Errichtung von Aufnahmezentren, ein einheitliches europäisches Verfahren und eine gerechte Verteilung.
Die Mission SOPHIA sieht er daher als einen positiven ersten Schritt.
EU NAVFOR MED Operation SOPHIA soll dazu beitrage, den Menschenhandel und Menschenschmuggel im südlichen und
zentralen Mittelmeer zu unterbinden. Sie wird in mehreren Phasen durchgeführt. Ging es zunächst um das
Sammeln von Informationen durch Patrouillen auf hoher See, wird in einer zweiten Phase im Einklang mit den internationalen
Bestimmungen mit den konkreten Operationen begonnen. Das heißt, bei Verdacht auf Menschenschmuggel und Menschenhandel
wird es möglich sein, Schiffe anzuhalten und zu durchsuchen, sie zu beschlagnahmen und umzuleiten. In einer
dritten Phase soll die Mission die Schiffe auch zerstören oder unbrauchbar machen können – selbstverständlich
auch im Einklang mit UNO-Resolutionen und mit Zustimmung des Staates, in dessen Hoheitsgebiet die Operation stattfinden
soll. Die Operation befindet sich derzeit in Phase zwei.
Die Aufstockung des Personals begründete der Minister gegenüber Wolfgang Zinggl (G) und Waltraud Dietrich
(T) mit dem Hinweis, dass sich diese aus den neuen Anforderungen ergebe. Es gehe nicht nur mehr um die Bekämpfung
der Schlepperkriminalität, sondern auch um den illegalen Waffenhandel. Bisher hätte Österreich nur
Stabspersonal entsandt, nun beteilige sich auch ein Team des Jagdkommandos.
In der Verordnung werden die Befugnisse der TeilnehmerInnen aus Österreich festgelegt. Konkret geht es um
die Verwendung von Daten, die verarbeitet werden dürfen, wenn dies für die Aufgabenerfüllung erforderlich
ist. Es dürfen auch Auskünfte eingeholt werden. Weitere Bestimmungen betreffen unter anderem Maßnahmen
zum Schutz und zur Sicherung von Personen und Sachen, die Kontrolle und Durchsuchung von Personen, die vorläufige
Festnahme von Personen, Wegweisung von Personen, die Beendigung von Angriffen und Maßnahmen zum Schutz und
Sicherung der Mission.
Doskozil: Die Neutralität ist unantastbar; Mission in Afghanistan mehrheitlich genehmigt
Grünes Licht – mehrheitliche Zustimmung durch SPÖ, ÖVP und NEOS - gab es im Hauptausschuss heute
auch für die weitere Unterstützung des NATO-geführte Einsatz "Resolute Support Mission (RSM)"
in Afghanistan bis vorerst bis 31. Dezember 2017. Österreich beteiligt sich seit Jänner 2015 mit bis
zu zehn Angehörigen des Bundesheeres, in Hinkunft werden dafür bis zu 20 Personen als Stabsmitglieder
und Ausbildungspersonal zur Verfügung gestellt. Dazu kommen bis zu weitere 25 Personen für vorbereitende
und unterstützende Tätigkeiten und bis zu 20 zusätzliche Personen für den Einsatz des Lufttransportsystems.
Der Einsatzraum beschränkt sich grundsätzlich Auf den Großraum Kabul.
Die Mission knüpft nahtlos an den Einsatz der International Security Assistance Force (ISAF) an, der am 31.
Dezember 2014 nach 13 Jahren geendet hat. Sie soll nach dem Abschluss von ISAF und der Übernahme der vollständigen
Sicherheitsverantwortung in Afghanistan durch die dortige Regierung die afghanischen nationalen zivilen und militärischen
Sicherheitskräfte durch Ausbildung, Beratung und Unterstützung befähigen, ihrer Sicherheitsverantwortung
selbst nachzukommen. Im Gegensatz zu ISAF handelt es sich damit um keinen Kampfeinsatz.
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil unterstrich in Reaktion auf die Wortmeldungen von Tanja Windbüchler-Souschill
(G), Johannes Hübner (F) und Waltraud Dietrich (T), die Neutralität sei unantastbar. Die drei OppositionspolitikerInnen
hatten im Vorfeld die neutrale Haltung Österreichs bei diesem Einsatz in Zweifel gezogen. Die Mission unterstütze
eine Seite in einem jahrelangen Bürgerkrieg, sagte etwa Hübner; Dietrich wiederum äußerte
die Befürchtung, dass die Neutralität Schritt für Schritt abgeschafft werden soll; Windbüchler-Souschill
thematisierte kritisch die Linie der "interessensgeleiteten Neutralität" im Rahmen solcher Einsätze
und zog in Zweifel, dass man damit Flüchtlinge abhalten könne, zu emigrieren. Flüchtlinge stellten
auch keine Bedrohung dar, merkte sie an.
Der Einsatz in Afghanistan sei eine reine Ausbildungsmission, versicherte daraufhin der Minister, die Soldaten
übernähmen keine operativen Befugnisse. In Richtung Hübner stellte er klar, dass mit der Mission
die legitimierte Regierung unterstützt werde. Was die interessensgeleitete Neutralität betrifft, so soll
das Auslandsengagement vor allem im österreichischen Interesse sein und sich auf jene Regionen konzentrieren,
wo die Wiederherstellung stabiler Verhältnisse im eigenen Interesse liegt, so der Minister. Keineswegs gehe
es darum, Flüchtlinge abzuhalten.
Bundesheer: Durchführung des Ausbildungsplans 2015 und erste Aktualisierung des Ausbildungsplans 2016
Zudem nahm der Hauptausschuss den Bericht des Verteidigungsministers über die Entsendung von Einheiten und
Einzelpersonen zur Teilnahme an Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Jahr 2015 einstimmig zur Kenntnis.
Insgesamt nahmen 421 Personen des Bundesheeres an 18 Übungen und 2 Ausbildungsmaßnahmen im Ausland teil.
Dabei handelte es sich um vier Übungen im Rahmen der EU, drei Übungen im Rahmen der Partnerschaft für
den Frieden, eine Übung im Rahmen der UNO und 12 Vorhaben im Zuge diverser bi- und multinationaler Kooperationen.
Ebenfalls einstimmig zur Kenntnis genommen wurde die Aktualisierung des Ausbildungsplans für das laufende
Jahr.
Bestellung der Mitglieder der KommAustria
Michael Ogris wird auch in der kommenden Funktionsperiode vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2022 Vorsitzender
der KommAustria bleiben. Als seine Stellvertreterin wird Susanne Lackner bestellt, sie ist bereits derzeit Mitglied.
Mitglieder bleiben Martina Hohensinn und Michael Truppe, neu hinzu kommt Katharina Urbanek. Der Hauptausschuss
stimmte dem Vorschlag des Bundeskanzlers einhellig zu. Der Bestellung ging eine öffentliche Ausschreibung
voraus.
Wolfgang Zinggl von den Grünen regte namens seiner Fraktion an, im Vorfeld solcher Bestellungen eine "Kultur
des Hearings" zu entwickeln. Das wäre gut für die Demokratie, sagte er.
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