Weitere Themen der Sitzung: Kooperationsabkommen EU-Irak, Türkei, Flüchtlingspolitik,
Beiträge zu UN-Hilfsprogramm
Wien (pk) - Für die mehr als 10.000 aus Österreich stammenden Opfer des NS-Vernichtungslagers
bei Maly Trostinec in Weißrussland soll nun ein Denkmal errichtet werden. Eine entsprechende Bürgerinitiative,
deren Anliegen auch von einem gemeinsam von NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen eingebrachten Entschließungsantrag
unterstützt wurde, fand am 27.09. im Außenpolitischen Ausschuss einhellige Zustimmung. Abgeordnete Petra
Bayr (S) mahnte in diesem Zusammenhang eine neue Gedenkkultur ein, da künftige Generationen keine ZeitzeugInnen
des Holocaust mehr treffen können.
In der Sitzung genehmigten die Abgeordneten überdies ein Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak
und unterstützten ferner eine Initiative der Regierungsparteien betreffend Neustart der Rüstungskontrolle
in Europa. Zum Thema Menschenrechte in der Türkei lagen dem Ausschuss Initiativen von NEOS und FPÖ vor,
die sich kritisch mit dem EU-Beitrittsprozess auseinandersetzen, und auf deren Grundlage SPÖ und ÖVP
einen eigenen Antrag verabschiedeten. Aspekte der Flüchtlingspolitik wurden zudem von den Freiheitlichen in
einem Antrag auf Beitritt Österreichs zur "Visegrad-Gruppe" angesprochen, während das Team
Stronach die Errichtung von Wartecamps in Nordafrika für abgewiesene AsylwerberInnen verlangte. Diese beiden
Initiativen wurden abgelehnt bzw. vertagt. Die Grünen schließlich drängten auf mehr Geld für
UN-Organisationen für Projekte zum Schutz von Frauen vor sexueller Gewalt und erreichten mithilfe eines SPÖ-ÖVP-Antrags
eine Ausschussmehrheit für dieses Anliegen. Weiters fordern sie eine deutliche Erhöhung des österreichischen
Beitrags zum World Food Programme der Vereinten Nationen, was auf Empfehlung der Regierungsmehrheit im Unterausschuss
für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) weiter diskutiert werden soll.
Ein Denkmal für 10.000 ermordete österreichische Juden
Das im Großraum Minsk gelegene Maly Trostinec war eine Stätte des Massenmords an deportierten Juden.
Von den 40.000 bis 60.000 Menschen, die zwischen 1942 und 1944 in dem weißrussischen Ort von SS-Einheiten
ermordeten Menschen, stammten rund 10.000 aus Österreich. Eine vom Verein IM-MER angestoßene Bürgerinitiative
(73/BI) hat es sich nun zum Ziel gesetzt, das Gedenken an die Opfer zu bewahren und diesen Ort der Vernichtung
durch die Errichtung eines Denkmals im kollektiven Gedächtnis Österreichs zu verankern. Rückenwind
erhält die Initiative durch einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag (1760/A(E)), in dem NEOS, ÖVP,
SPÖ und Grüne an die Bundesregierung appellieren, die Finanzierung eines würdigen Denkmals zu ermöglichen,
das die Namen der österreichischen Opfer sichtbar macht. Michael Bernhard (N), Karlheinz Kopf (V), Petra Bayr
(S) und Harald Walser (G) erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass an keinem anderen Ort mehr ÖsterreicherInnen
Opfer der Shoah wurden.
Unisono unterstrichen im Ausschuss Bayr und Rouven Ertlschweiger (V) die Bedeutung eines würdigen Denkmals
in Maly Trostinec, zumal dieser Ort im kollektiven Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus noch nicht
verankert sei. "Es ist wesentlich, dass Österreich dort ein Zeichen setzt", so Ertlschweiger.
EU will Irak wieder in die Weltwirtschaft integrieren
Vorrangiges Ziel eines vom Ausschuss einstimmig genehmigten Partnerschafts- und Kooperationsabkommens zwischen
der Europäischen Union und dem Irak (1253 d.B.) ist die Förderung von Schlüsselinvestitionen und
Exporten. Der Vertrag geht dabei von dem Grundgedanken aus, dass eine Liberalisierung und Ausweitung des Handels
und der Investitionstätigkeit sowie die Wiedereingliederung des Landes in die Weltwirtschaft die Wirtschaftsentwicklung
im Irak in nachhaltiger Weise anheben werde. Das helfe dabei, dem "Terrorismus den Boden unter den Füßen
wegzuziehen", lobte Christoph Hagen (T) die Übereinkunft. Das Abkommen betrifft zudem die Zusammenarbeit
in einer Vielzahl von weiteren Bereichen – von der Gesundheit über den Bildungssektor bis hin zu Umwelt und
Energie – und unterstreicht dabei die Notwendigkeit der Beachtung der Wertvorstellungen der EU in Bezug auf Menschenrechte,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Trotz der parteiübergreifend positiven Haltung zu diesem ersten Abkommen zwischen der EU und dem Irak, wurden
in der Debatte Bedenken in Bezug auf die generelle Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit Österreichs
laut. Ähnlich wie die Grünen-Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill und Alev Korun vermutete Petra
Bayr (S),der Großteil an Entwicklungsgeldern fließe nach Afghanistan und in den Irak; überdies
hinterfragten die Mandatarinnen eine Klausel im Abkommen, wonach die Rückführung illegal nach Europa
migrierter Personen vorangetrieben werden soll. Außenminister Sebastian Kurz stellte daraufhin klar, keineswegs
gelangten EZA-Mittel ausschließlich in den Irak und nach Afghanistan und die Rückführungsklausel
sei nicht an eine Zahlungseinstellung geknüpft. Einen Stufenplan zur Erhöhung der EZA-Gelder, wie von
Christoph Vavrik (N) angeregt, habe das Außenressort bereits dem Bundeskanzleramt und dem Finanzministerium
übermittelt; dennoch bekannte sich der Minister dazu für weitere Mittelsteigerungen einzutreten.
Auch das Lebensministerium habe jüngst mit eine Überweisung von 42 Mio. € an das World Food Programme
einen wichtigen Part in der humanitären Hilfe übernommen, erinnerte Franz-Joseph Huanigg (V).
Ausschuss drängt auf Neustart der Rüstungskontrolle in Europa
Außenminister Sebastian Kurz erhielt von den Abgeordneten den Auftrag, sich auf internationaler Ebene und
im Besonderen während des österreichischen OSZE-Vorsitzes 2017 für einen Neustart der Rüstungskontrolle
in Europa einzusetzen. In einem entsprechenden Entschließungsantrag (1856/A(E)) der Regierungsparteien, der
mit den Stimmen aller Ausschussmitglieder angenommen wurde, geben die Abgeordneten Christine Muttonen (S) und Reinhold
Lopatka (V) zu bedenken, dass der bisherige Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE)
noch aus der Zeit des Warschauer Paktes stammt und daher die aktuellen Entwicklungen nicht berücksichtigt.
Auch habe Russland die Anwendung einseitig ausgesetzt, mehrere Nachfolgestaaten der Sowjetunion seien KES zudem
nicht beigetreten. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts und dem Wiederaufleben von Spannungen zwischen Ost
und West sei ein funktionierendes Abkommen über die Rüstungskontrolle daher gerade im Interesse einer
gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur unverzichtbar.
In Übereinstimmung mit Josef Cap (S) betonte Außenminister Kurz, der "eingefrorene Prozess"
zur Abrüstung – gerade auch bei konventionellen Waffen – sei erneut anzustoßen, das liege schon im ureigensten
Interesse Österreichs.
Schwere Bedenken von NEOS und FPÖ gegen EU-Beitritt der Türkei
Die aktuelle Lage in der Türkei ist für NEOS und Freiheitliche Anlass, die Position des Landes als EU-Beitrittskandidat
in Frage zu stellen. Die NEOS regten in einem Entschließungsantrag (1661/A(E)) die Einleitung eines Prüfverfahrens
der EU an, durch das festgestellt werden sollte, ob die Türkei bei Menschenrechten, Minderheitenschutz, Meinungsfreiheit
und Rechtsstaatlichkeit auch weiterhin die Mindestanforderungen eines EU-Beitrittskandidaten erfüllt. Weiter
geht der Vorstoß der FPÖ (1813/A(E)), die unter Hinweis auf die Menschenrechtslage einen Abbruch der
Beitrittsverhandlungen verlangt. Beide Anträge blieben zwar in der Minderheit, SPÖ und ÖVP urgierten
jedoch in Anlehnung an den NEOS-Antrag, anstatt der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eine "maßgeschneiderte
Partnerschaft" zu verfolgen. Überdies sei die menschenrechtliche Situation im Land am Bosporus besonders
genau zu beobachten, zitierte Reinhold Lopatka (V) aus dem Antrag der Regierungsfraktionen. Christoph Vavriks (N)
Einwand, die Forderung nach einem Stopp der Beitrittsverhandlungen werde dadurch "verwässert", stellte
Andreas Schieder (S) in Abrede: man setze hier ein "außenpolitisch extrem starkes Signal", ohne
jedoch den Dialog mit der türkischen Seite aufgeben zu wollen.
FPÖ schlägt Beitritt Österreichs zur "Visegrad-Gruppe" vor
Österreich sollte die Kooperation mit den Staaten der "Visegrad-Gruppe" forcieren und das Ziel eines
Beitritts ins Auge fassen, schlägt die FPÖ in einer Initiative (1843/A(E)) vor, die mehrheitlich abgelehnt
wurde. Johannes Hübner (F) verband den Vorschlag mit heftiger Kritik seiner Fraktion an der Flüchtlingspolitik
der EU und sah Österreich aufgerufen, mit jenen Staaten zusammenzuarbeiten, die eine restriktive Linie in
der Migrationsfrage verfolgen und für den Schutz der Grenzen und der europäischen Werte eintreten. Nach
seinen Worten bilden diese Länder ein "Gegengewicht der Vernunft".
Grüne wollen mehr Geld für UN-Projekte zum Schutz von Frauen vor sexueller Gewalt
Die Forderung nach einer Erhöhung des österreichischen Beitrags an die UN-Frauenorganisation UN WOMEN
sowie an den UN-Fonds für Bevölkerungsfragen UNFPA ist Gegenstand eines Entschließungsantrags der
Grünen (1765/A(E)). Tanja Windbüchler Souschill wies in diesem Zusammenhang auf die massive Zunahme sexueller
Gewalt gegen Frauen in Krisengebieten wie Syrien oder dem Irak hin und stellte kritisch fest, Österreich unterstütze
derzeit kein einziges UN-Projekt zum Schutz von Frauen in Flüchtlingslagern.
Der Ausschuss nahm den Vorstoß in Fassung eines SPÖ-ÖVP-Antrags mit den Stimmen aller Fraktionen
außer der FPÖ an. Windbüchlers Zweifel, ob damit die finanzielle Ausgestaltung der Hilfe sichergestellt
ist, versuchte Bayr auszuräumen. Eingefordert werde nun ein "Bündel von Maßnahmen" zur
stärkeren Unterstützung von Flüchtlingsfrauen und Mädchen, gerade beim Schutz vor geschlechtsbasierter
Gewalt.
World Food Programme: Grüne fordern deutliche Aufstockung des österreichischen Beitrags
Die katastrophale humanitäre Lage in Syrien ist auch der Hintergrund für die Forderung der Grünen
(1835/A(E)), den österreichischen Beitrag zum World Food Programme (WFP) auf 6 Mio.€ aufzustocken. Dies sei
dringend notwendig, um ein Mindestmaß an Hilfe vor Ort zu leisten, argumentierte Tanja Windbüchler-Souschill
(G), die sich überdies irritiert darüber zeigte, dass Österreich in diesem Jahr bisher nur 850.000
€ für die Syrien-Hilfe des WFP gezahlt hat. Die Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg, Petra Bayr und Harald
Troch argumentierten die Zuweisungsempfehlung dieses Antrags an den EZA-Unterausschuss damit, dass das Landwirtschaftsministerium
als zuständige Stelle in die weiterführende Debatte über Zahlungen an das WFP einzubinden sei.
Team Stronach fordert Wartecamps in Nordafrika für abgewiesene AsylwerberInnen
Neuen Druck verlieh Christoph Hagen (T) der Forderung seiner Fraktion, bilaterale Abkommen mit afrikanischen Staaten
zur Errichtung von Wartecamps in Nordafrika für Personen mit negativem Asylbescheid abzuschließen. Seine
Initiative (1851/A(E)) wurde allerdings vertagt, nachdem Wolfgang Gerstl (V) darauf hinwies, dass man bereits Camps
an den EU-Außengrenzen für Einreisewillige nach Europa angedacht hatte.
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