Zunehmender Bedarf an Agrargütern schafft Chancen für die moderne Landwirtschaft
Linz (lk-ooe) - Aktuelle Entwicklungen im österreichischen und internationalen Agrar- und Lebensmittelhandel
zeigen große Chancen, aber auch Herausforderungen für die heimische Agrarwirtschaft auf. Dies ergab
eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes im Auftrag der LK Österreich zur Entwicklung der Agrarmärkte
bis 2025. "Das Jahr 2016 war für alle österreichischen Produktionssparten voller Herausforderungen.
Angesichts der ersten positiven Signale auf den Milch- und Fleischmärkten lohnt es sich, den Blick ein wenig
weiter in die Zukunft zu lenken und die langfristigen Chancen für die heimischen Landwirte zu beleuchten",
führt ÖR Ing. Franz Reisecker, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, aus.
Die österreichischen Haushalte im Gesamten verfügen aktuell über eine hohe Kaufkraft und werden
diese in Zukunft noch steigern. Vor allem für hochwertige und regionale Lebensmittel werden auch höhere
Preise gezahlt. Gleichzeitig befinden sich die durchschnittlichen Ausgaben der österreichischen Haushalte
für Lebensmittel mit 12 Prozent auf einem niedrigen Niveau und die Marktmacht der Lebensmittelhändler
schwächt die Verhandlungsposition der Landwirte.
In Österreich wird die Nachfrage nach Agrargütern steigen, dies lässt sich anhand der positiven
Einwohnerentwicklung mit Sicherheit prognostizieren. "Vor allem ältere Jahrgänge nehmen zahlenmäßig
zu, das verändert auch das Einkaufsverhalten und damit die Nachfrage. Für die österreichischen Landwirte
ergeben sich im Absatz angepasster Produkte große Marktchancen. Aus der zunehmenden Überalterung der
ländlichen Räume ergibt sich aber noch eine weitere Konsequenz: Die wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Bedeutung der landwirtschaftlichen Betriebe für den ländlichen Raum wird noch weiter zunehmen",
ist Präsident Reisecker überzeugt.
Landwirtschaftliche Entwicklungstrends bis 2025
Bis 2025 wird sich die oberösterreichische Landwirtschaft in allen Produktionssparten weiter entwickeln.
"Wir rechnen mit durchschnittlich 0,7 Prozent Steigerung bei den Weizenerträgen pro Jahr. Obwohl sich
die Anbaufläche beispielsweise in Oberösterreich nicht mehr weiter ausdehnen wird, machen der züchterische
Fortschritt und weitere Verbesserungen in der Kulturführung diese Zuwächse möglich", erläutert
Präsident Reisecker. Bei einer durchschnittlichen Steigerung des menschlichen Verbrauchs von rund einem Prozent
pro Jahr sind für diese zusätzlichen Mengen gute Absatzmöglichkeiten vorhanden. Präsident Reisecker
unterstreicht mit diesen Daten auch eine zentrale Forderung der Landwirtschaftskammer Oberösterreich: "Um
die österreichische Bevölkerung auch in Zukunft zum größten Teil von österreichischen
Flächen ernähren zu können, muss mehr für einen aktiven Bodenschutz getan werden. Österreich
mit seinem beschränkten Angebot an fruchtbaren Ackerflächen wird es sich auf Dauer nicht leisten können,
jeden Tag rund 20 Hektar für Wohnraum, Wirtschaftsflächen und Infrastruktur zu verlieren."
Bei der Entwicklung der Fleischerzeugung bietet sich ein differenzierteres Bild: Während vor allem der Geflügelsektor
mit einem jährlichen Wachstum von 1,3 Prozent stetig zunimmt, stagniert die Erzeugung von Rindfleisch mit
0,1 Prozent Zunahme pro Jahr und auch Schweinefleisch lässt geringere Wachstumsraten von 0,5 Prozent pro Jahr
erwarten. Präsident Reisecker dazu: "Der aktuell etwas geringere Selbstversorgungsgrad bei Geflügel
und die Nachfrageentwicklung hin zu weißen Fleischsorten spiegeln sich auch in der Produktionsentwicklung.
Besonders in der Geflügelmast sind in Österreich große Marktpotenziale vorhanden, die wir mit unseren
Betrieben in den kommenden Jahren auch nutzen möchten."
Im Rinderbereich insgesamt ist mit einer unterschiedlichen Entwicklung zu rechnen: Während die Anzahl der
Rinder in Oberösterreich ungefähr um 0,8 Prozent pro Jahr abnimmt und sich daher von aktuell rund 575.000
Stück auf 520.000 im Jahr 2025 verringern wird, steigt die durchschnittliche Anzahl an Rindern pro Betrieb
signifikant von 36 auf 50. Hierfür zeichnet vor allem auch die positive Entwicklung im Bereich Milch verantwortlich.
Das prognostizierte Wachstum von 4,1 Prozent pro Jahr findet durch den steigenden Käseverbrauch auch einen
langfristig steigenden Absatzmarkt.
Erwartete Preisentwicklungen
Die Preiserwartungen bei Marktfrüchten wie Weichweizen, Mais und Rapssaat für die Jahre bis 2025
sind sowohl in der Prognose der EU-Kommission als auch der FAO nach dem Preistief der Jahre 2015 bis 2016 positiv
und bei Weizen sogar auf dem hohen Niveau der Jahre 2010 und 2012 angesiedelt. Die Preise für tierische Produkte
werden allgemein als leicht steigend prognostiziert und sollten sich im Bereich der erfolgreichen Jahre 2012 bis
2014 befinden. Bei Geflügelfleisch erwartet eine Prognose des Thünen-Institutes ab 2016 sogar laufend
steigende Preise, die auch über die Spitzenergebnisse des Jahres 2015 hinausgehen. Die Betriebe reagieren
auch bereits auf diese Marktchancen, das zeigt die steigende Nachfrage nach Einstiegsberatungen in die Geflügelhaltung.
"Angesichts der ausgeprägten Marktkrisen der Jahre 2015 und 2016, vor allem bei der Milch, und den gedämpften
Aussichten auf den Getreide-Märkten ist die Stimmung bei den Landwirten derzeit entsprechend angespannt. Die
Bäuerinnen und Bauern kämpfen mit einer äußerst schwierigen Einkommenssituation. Daher braucht
es gerade jetzt einen Blick auf die erwartbaren längerfristigen Markt- und Preisentwicklungen. Der generelle
Trend für das nächste Jahrzehnt lässt aber steigende Preise auf den Agrarmärkten erwarten.
Voraussetzung dafür ist aber eine Stabilisierung der allgemeinen wirtschaftlichen Konjunkturentwicklung",
erläutert Präsident Reisecker die Zukunftsaussichten der heimischen Landwirte.
Gute Bedingungen für die heimische Landwirtschaft
Fasst man die vielfältigen Einflüsse auf die österreichische Landwirtschaft zusammen, so ergeben
sich langfristig positive Aussichten für die weitere agrarische Entwicklung. Der steigende Lebensmittelkonsum
bietet stabile Absatzbedingungen für die Landwirtschaft. Zusätzlich werden Agrargüter als Rohstoffe
für Energieträger und Werkstoffe nachgefragt. Der Ersatz von Erdöl durch nachwachsende Ressourcen
im Rahmen der sogenannten Bioökonomie bietet der Landwirtschaft enorme Chancen.
Auch auf den internationalen Märkten sind die österreichischen Qualitätsprodukte gefragt. Dazu Präsident
Franz Reisecker: "Wohlstand und damit Kaufkraft werden vor allem außerhalb Europas stark zunehmen. Damit
wird auch die Nachfrage nach den hochklassigen und teilweise auch aus dem Urlaub bekannten österreichischen
Lebensmitteln entsprechend steigen. Aufbauend auf einer guten Eigenversorgung wird die österreichische Landwirtschaft
daher auch im Export erfolgreich sein."
Wachsender Bedarf an Agrargütern erfordert eine innovative und hochproduktive Landwirtschaft
Der Bedarf der Welt an Agrargütern wird sich in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts mehr als verdoppeln.
Dieser rasch wachsende Bedarf kann dadurch befriedigt werden, dass die weltweiten landwirtschaftlichen Nutzflächen
ausgedehnt werden oder dadurch, dass auf den vorhandenen Flächen mehr produziert wird.
"Nur eine moderne, innovative und hochproduktive Landwirtschaft ist in der Lage, die rasch wachsende Weltbevölkerung
in hinreichendem Umfang mit Nahrung zu versorgen und gleichzeitig Umwelt und natürliche Ressourcen zu schonen,
die weltweite Biodiversität zu erhalten sowie dem Klimaeffekt der landwirtschaftlichen Flächenausdehnung
entgegenzuwirken," präzisiert Prof. von Witzke die Entwicklungschancen und Herausforderungen für
die agrarischen Produzenten. Der Präsident des Humboldt Forums für Nahrung und Landwirtschaft in Berlin
sieht trotz der aktuellen Preiskrisen eine langfristig positive Entwicklung: "Ab dem Jahr 2000 sind im allgemeinen
Trend steigende Preise für Agrargüter zu beobachten, da die Nachfrage stärker zunimmt als die Produktion.
Für die Agrarwirtschaft ergeben sich aus dem zunehmenden Bedarf an Agrargütern wachsende Marktchancen
- einerseits für die menschliche Ernährung, andererseits als Grundlage für die Bioökonomie."
Für Europa bedeutet dies, dass die aktuelle Importabhängigkeit vor allem bei Futtermitteln durch die
Steigerung der Eigenproduktion vermindert werden sollte. Aktuell importiert Europa virtuelles Ackerland im Ausmaß
von 35 Millionen Hektar. "Agrarflächen im Ausmaß der Größe Deutschlands werden weltweit
rein für den europäischen Markt bewirtschaftet", so Prof. von Witzke: "Durch eine stärkere
Eigenproduktion kann Europa den virtuellen Landimport verringern und als Agrar-Exporteur wirtschaftlich noch erfolgreicher
sein, da vor allem in den aktuell ärmeren Erdregionen der Verbrauch an Lebensmitteln und die Kaufkraft zunehmen
werden."
Da die Flächen für die Agrarproduktion begrenzt sind, müssen 90 Prozent des zukünftigen Produktionswachstums
durch Flächenertragssteigerungen erreicht werden und nur noch zehn Prozent können zu Lasten der Flächenausdehnung
gehen. Die positiven Umwelt- und anderen Effekte von Flächenertragssteigerungen sind daher außerordentlich
hoch und übersteigen den reinen Wirtschaftseffekt bei weitem. Prof. von Witzke erläutert
dies anschaulich: "Durch wachsende Nahrungsgüterpreise wächst der Anreiz für die Produktionsflächenausdehnung.
Dies geht in vielen Weltregionen zu Lasten des Urwaldes - Brandrodungen tragen aktuell 18 Prozent zum Klimawandel
bei. Nur durch Produktionssteigerungen auf den bestehenden Flächen können die negativen Effekte auf die
Biodiversität, den Artenschutz und das Weltklima hintangehalten werden." Steigerungen der Produktivität
müssen dabei nicht zwangsläufig mit einer intensiveren Bewirtschaftung (mehr Dünger, mehr Pflanzenschutz)
der Felder einhergehen. Präzisionslandwirtschaft und gentechnisch angepasstes Saatgut können dabei helfen,
hohe Erträge mit ökologischen Zielen in Einklang zu bringen.
Prof. Dr. Harald von Witzke ist ein deutscher Agrarökonom. Er war bis zu seiner Emeritierung Professor
für internationalen Agrarhandel und Entwicklung an der Humboldt- Universität zu Berlin. Witzkes Forschungsgebiete
sind internationaler Handel und wirtschaftliche Entwicklung, Ernährungssicherheit, Qualitätsstandards
im internationalen Handel, Verteilungswirkungen der Globalisierung in der Landwirtschaft, sowie globale Erwärmung
und Landwirtschaft.
Der deutsche Agrarökonom Professor Harald von Witzke (l.) und Landwirtschaftskammer- Präsident Franz
Reisecker sehen trotz der aktuellen Marktkrise längerfristig gute Chancen für die österreichische
Landwirtschaft.
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