Die Agrarmärkte des 21. Jahrhunderts

 

erstellt am
28. 09. 16
11:00 MEZ

Zunehmender Bedarf an Agrargütern schafft Chancen für die moderne Landwirtschaft
Linz (lk-ooe) - Aktuelle Entwicklungen im österreichischen und internationalen Agrar- und Lebensmittelhandel zeigen große Chancen, aber auch Herausforderungen für die heimische Agrarwirtschaft auf. Dies ergab eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes im Auftrag der LK Österreich zur Entwicklung der Agrarmärkte bis 2025. "Das Jahr 2016 war für alle österreichischen Produktionssparten voller Herausforderungen. Angesichts der ersten positiven Signale auf den Milch- und Fleischmärkten lohnt es sich, den Blick ein wenig weiter in die Zukunft zu lenken und die langfristigen Chancen für die heimischen Landwirte zu beleuchten", führt ÖR Ing. Franz Reisecker, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, aus.

Die österreichischen Haushalte im Gesamten verfügen aktuell über eine hohe Kaufkraft und werden diese in Zukunft noch steigern. Vor allem für hochwertige und regionale Lebensmittel werden auch höhere Preise gezahlt. Gleichzeitig befinden sich die durchschnittlichen Ausgaben der österreichischen Haushalte für Lebensmittel mit 12 Prozent auf einem niedrigen Niveau und die Marktmacht der Lebensmittelhändler schwächt die Verhandlungsposition der Landwirte.

In Österreich wird die Nachfrage nach Agrargütern steigen, dies lässt sich anhand der positiven Einwohnerentwicklung mit Sicherheit prognostizieren. "Vor allem ältere Jahrgänge nehmen zahlenmäßig zu, das verändert auch das Einkaufsverhalten und damit die Nachfrage. Für die österreichischen Landwirte ergeben sich im Absatz angepasster Produkte große Marktchancen. Aus der zunehmenden Überalterung der ländlichen Räume ergibt sich aber noch eine weitere Konsequenz: Die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung der landwirtschaftlichen Betriebe für den ländlichen Raum wird noch weiter zunehmen", ist Präsident Reisecker überzeugt.

Landwirtschaftliche Entwicklungstrends bis 2025
Bis 2025 wird sich die oberösterreichische Landwirtschaft in allen Produktionssparten weiter entwickeln. "Wir rechnen mit durchschnittlich 0,7 Prozent Steigerung bei den Weizenerträgen pro Jahr. Obwohl sich die Anbaufläche beispielsweise in Oberösterreich nicht mehr weiter ausdehnen wird, machen der züchterische Fortschritt und weitere Verbesserungen in der Kulturführung diese Zuwächse möglich", erläutert Präsident Reisecker. Bei einer durchschnittlichen Steigerung des menschlichen Verbrauchs von rund einem Prozent pro Jahr sind für diese zusätzlichen Mengen gute Absatzmöglichkeiten vorhanden. Präsident Reisecker unterstreicht mit diesen Daten auch eine zentrale Forderung der Landwirtschaftskammer Oberösterreich: "Um die österreichische Bevölkerung auch in Zukunft zum größten Teil von österreichischen Flächen ernähren zu können, muss mehr für einen aktiven Bodenschutz getan werden. Österreich mit seinem beschränkten Angebot an fruchtbaren Ackerflächen wird es sich auf Dauer nicht leisten können, jeden Tag rund 20 Hektar für Wohnraum, Wirtschaftsflächen und Infrastruktur zu verlieren."

Bei der Entwicklung der Fleischerzeugung bietet sich ein differenzierteres Bild: Während vor allem der Geflügelsektor mit einem jährlichen Wachstum von 1,3 Prozent stetig zunimmt, stagniert die Erzeugung von Rindfleisch mit 0,1 Prozent Zunahme pro Jahr und auch Schweinefleisch lässt geringere Wachstumsraten von 0,5 Prozent pro Jahr erwarten. Präsident Reisecker dazu: "Der aktuell etwas geringere Selbstversorgungsgrad bei Geflügel und die Nachfrageentwicklung hin zu weißen Fleischsorten spiegeln sich auch in der Produktionsentwicklung. Besonders in der Geflügelmast sind in Österreich große Marktpotenziale vorhanden, die wir mit unseren Betrieben in den kommenden Jahren auch nutzen möchten."

Im Rinderbereich insgesamt ist mit einer unterschiedlichen Entwicklung zu rechnen: Während die Anzahl der Rinder in Oberösterreich ungefähr um 0,8 Prozent pro Jahr abnimmt und sich daher von aktuell rund 575.000 Stück auf 520.000 im Jahr 2025 verringern wird, steigt die durchschnittliche Anzahl an Rindern pro Betrieb signifikant von 36 auf 50. Hierfür zeichnet vor allem auch die positive Entwicklung im Bereich Milch verantwortlich. Das prognostizierte Wachstum von 4,1 Prozent pro Jahr findet durch den steigenden Käseverbrauch auch einen langfristig steigenden Absatzmarkt.

Erwartete Preisentwicklungen
Die Preiserwartungen bei Marktfrüchten wie Weichweizen, Mais und Rapssaat für die Jahre bis 2025 sind sowohl in der Prognose der EU-Kommission als auch der FAO nach dem Preistief der Jahre 2015 bis 2016 positiv und bei Weizen sogar auf dem hohen Niveau der Jahre 2010 und 2012 angesiedelt. Die Preise für tierische Produkte werden allgemein als leicht steigend prognostiziert und sollten sich im Bereich der erfolgreichen Jahre 2012 bis 2014 befinden. Bei Geflügelfleisch erwartet eine Prognose des Thünen-Institutes ab 2016 sogar laufend steigende Preise, die auch über die Spitzenergebnisse des Jahres 2015 hinausgehen. Die Betriebe reagieren auch bereits auf diese Marktchancen, das zeigt die steigende Nachfrage nach Einstiegsberatungen in die Geflügelhaltung.

"Angesichts der ausgeprägten Marktkrisen der Jahre 2015 und 2016, vor allem bei der Milch, und den gedämpften Aussichten auf den Getreide-Märkten ist die Stimmung bei den Landwirten derzeit entsprechend angespannt. Die Bäuerinnen und Bauern kämpfen mit einer äußerst schwierigen Einkommenssituation. Daher braucht es gerade jetzt einen Blick auf die erwartbaren längerfristigen Markt- und Preisentwicklungen. Der generelle Trend für das nächste Jahrzehnt lässt aber steigende Preise auf den Agrarmärkten erwarten. Voraussetzung dafür ist aber eine Stabilisierung der allgemeinen wirtschaftlichen Konjunkturentwicklung", erläutert Präsident Reisecker die Zukunftsaussichten der heimischen Landwirte.

Gute Bedingungen für die heimische Landwirtschaft
Fasst man die vielfältigen Einflüsse auf die österreichische Landwirtschaft zusammen, so ergeben sich langfristig positive Aussichten für die weitere agrarische Entwicklung. Der steigende Lebensmittelkonsum bietet stabile Absatzbedingungen für die Landwirtschaft. Zusätzlich werden Agrargüter als Rohstoffe für Energieträger und Werkstoffe nachgefragt. Der Ersatz von Erdöl durch nachwachsende Ressourcen im Rahmen der sogenannten Bioökonomie bietet der Landwirtschaft enorme Chancen.
Auch auf den internationalen Märkten sind die österreichischen Qualitätsprodukte gefragt. Dazu Präsident Franz Reisecker: "Wohlstand und damit Kaufkraft werden vor allem außerhalb Europas stark zunehmen. Damit wird auch die Nachfrage nach den hochklassigen und teilweise auch aus dem Urlaub bekannten österreichischen Lebensmitteln entsprechend steigen. Aufbauend auf einer guten Eigenversorgung wird die österreichische Landwirtschaft daher auch im Export erfolgreich sein."


Wachsender Bedarf an Agrargütern erfordert eine innovative und hochproduktive Landwirtschaft
Der Bedarf der Welt an Agrargütern wird sich in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts mehr als verdoppeln. Dieser rasch wachsende Bedarf kann dadurch befriedigt werden, dass die weltweiten landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgedehnt werden oder dadurch, dass auf den vorhandenen Flächen mehr produziert wird.

"Nur eine moderne, innovative und hochproduktive Landwirtschaft ist in der Lage, die rasch wachsende Weltbevölkerung in hinreichendem Umfang mit Nahrung zu versorgen und gleichzeitig Umwelt und natürliche Ressourcen zu schonen, die weltweite Biodiversität zu erhalten sowie dem Klimaeffekt der landwirtschaftlichen Flächenausdehnung entgegenzuwirken," präzisiert Prof. von Witzke die Entwicklungschancen und Herausforderungen für die agrarischen Produzenten. Der Präsident des Humboldt Forums für Nahrung und Landwirtschaft in Berlin sieht trotz der aktuellen Preiskrisen eine langfristig positive Entwicklung: "Ab dem Jahr 2000 sind im allgemeinen Trend steigende Preise für Agrargüter zu beobachten, da die Nachfrage stärker zunimmt als die Produktion. Für die Agrarwirtschaft ergeben sich aus dem zunehmenden Bedarf an Agrargütern wachsende Marktchancen - einerseits für die menschliche Ernährung, andererseits als Grundlage für die Bioökonomie."

Für Europa bedeutet dies, dass die aktuelle Importabhängigkeit vor allem bei Futtermitteln durch die Steigerung der Eigenproduktion vermindert werden sollte. Aktuell importiert Europa virtuelles Ackerland im Ausmaß von 35 Millionen Hektar. "Agrarflächen im Ausmaß der Größe Deutschlands werden weltweit rein für den europäischen Markt bewirtschaftet", so Prof. von Witzke: "Durch eine stärkere Eigenproduktion kann Europa den virtuellen Landimport verringern und als Agrar-Exporteur wirtschaftlich noch erfolgreicher sein, da vor allem in den aktuell ärmeren Erdregionen der Verbrauch an Lebensmitteln und die Kaufkraft zunehmen werden."

Da die Flächen für die Agrarproduktion begrenzt sind, müssen 90 Prozent des zukünftigen Produktionswachstums durch Flächenertragssteigerungen erreicht werden und nur noch zehn Prozent können zu Lasten der Flächenausdehnung gehen. Die positiven Umwelt- und anderen Effekte von Flächenertragssteigerungen sind daher außerordentlich hoch und übersteigen den reinen Wirtschaftseffekt bei weitem. Prof. von Witzke erläutert dies anschaulich: "Durch wachsende Nahrungsgüterpreise wächst der Anreiz für die Produktionsflächenausdehnung. Dies geht in vielen Weltregionen zu Lasten des Urwaldes - Brandrodungen tragen aktuell 18 Prozent zum Klimawandel bei. Nur durch Produktionssteigerungen auf den bestehenden Flächen können die negativen Effekte auf die Biodiversität, den Artenschutz und das Weltklima hintangehalten werden." Steigerungen der Produktivität müssen dabei nicht zwangsläufig mit einer intensiveren Bewirtschaftung (mehr Dünger, mehr Pflanzenschutz) der Felder einhergehen. Präzisionslandwirtschaft und gentechnisch angepasstes Saatgut können dabei helfen, hohe Erträge mit ökologischen Zielen in Einklang zu bringen.

Prof. Dr. Harald von Witzke ist ein deutscher Agrarökonom. Er war bis zu seiner Emeritierung Professor für internationalen Agrarhandel und Entwicklung an der Humboldt- Universität zu Berlin. Witzkes Forschungsgebiete sind internationaler Handel und wirtschaftliche Entwicklung, Ernährungssicherheit, Qualitätsstandards im internationalen Handel, Verteilungswirkungen der Globalisierung in der Landwirtschaft, sowie globale Erwärmung und Landwirtschaft.

Der deutsche Agrarökonom Professor Harald von Witzke (l.) und Landwirtschaftskammer- Präsident Franz Reisecker sehen trotz der aktuellen Marktkrise längerfristig gute Chancen für die österreichische Landwirtschaft.

 

 

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Allgemeine Informationen:
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