Stadt Graz startet Pilotprojekt "Stärkenpass" in Kindergärten
und Schulen - bundesweiter Bildungskompass mit Pilotphase ab Herbst 2017
Graz/Wien (bmfj) - In unseren Kindern schlummern unglaublich viele Talente und Stärken. Oft werden
diese nicht ausreichend gewürdigt oder gehen an den Übergangen zwischen den Bildungseinrichtungen verloren.
Mit dem Stärkenpass legt die Stadt Graz als erste Kommune österreichweit ein Instrument vor, mit dem
besondere Leistungen und Stärken von Kindern erfasst und über die Bildungskarriere hinweg gesammelt werden.
Ein Pilotprojekt startet ab sofort in 14 städtischen Bildungseinrichtungen. Die Erfahrungen dieses Projekts
flossen in die Entwicklung des österreichweiten Bildungskompass mit ein, der im Herbst 2017 mit einem Pilotversuch
startet und ab Schuljahr 2018/19 in allen Kindergärten Österreichs eingesetzt werden wird.
„Der Stärkenpass ist ein großer Meilenstein für den Bildungsstandort Graz“, ist der Grazer Bildungsstadtrat
Kurt Hohensinner überzeugt, „bei zahlreichen Besuchen in Kindergärten und Schulen habe ich die Erfahrung
gemacht, dass die meisten Kinder auf die Frage nach ihren Stärken oft keine Antwort wissen. Unser Bildungssystem
ist oftmals viel zu defizitorientiert und richtet sich viel zu stark an der Schulfächer-Beurteilung mit Noten
aus.“ Schon in der Bildungsstrategie „Bildung findet Stadt“ hat sich die Stadt Graz das Thema „Stärken stärken“
zum Ziel gesetzt. Mit diesem Pilotprojekt initiiert Graz als erste Stadt Österreichs den Stärkenpass
als ein Portfolio, welches die Kinder vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe II (3-15+ Jahre) begleitet. Der Stärkenpass
hat zum Ziel, die Persönlichkeitsentwicklung bestmöglich zu fördern, indem er die Kinder und Jugendlichen
und all jene, die diese in ihrer Entwicklung begleiten, dazu einlädt, sich miteinander auf Schatzsuche zu
begeben: Auf eine Suche nach den ganz individuellen Stärken der jungen Grazerinnen und Grazer – auf die Suche
nach dem, was zu tun ihnen besondere Freude macht.
Karmasin: Stärkenpass als erster Schritt Richtung bundesweitem Bildungskompass
Auch auf Bundesebene blickt man gespannt auf die Ergebnisse des Grazer Pilotprojektes. „Der Grazer Stärkenpass
ist ein wichtiger erster Schritt am Weg zu unserem österreichweiten Bildungskompass“, erklärt Familienministerin
Sophie Karmasin, „ab dem Betreuungsjahr 2018/19 wird es erstmals österreichweit eine einheitliche Beobachtung
und Dokumentation für die Ressourcen, Potentiale und Interessen jedes einzelnen Kindes während seiner
Bildungskarriere geben. Mit diesem Bildungskompass werden wir eine einheitliche Qualität in der Elementarpädagogik
in ganz Österreich sicherstellen, den Bildungsdialog zwischen Pädagogen, Eltern und Kindern fördern
sowie eine individuelle Entwicklungsförderung für jedes Kind ermöglichen. Die Erfahrungen des Grazer
Stärkenpass sind für uns besonders interessant. Deswegen sind wir froh, dass Vertreter der Stadt Graz
Teil der Arbeitsgruppe zum Bildungskompass waren und die Idee des Stärkenpasses in dessen Entwicklung einfließen
konnte.“
Für Karmasin und Hohensinner ist es wichtig, dass der Bildungskompass auf die bereits bestehenden Konzepte
von Bundesländern und Kommunen, wie etwa den Grazer Stärkenpass, aufbaut und diese Instrumente bestmöglich
ergänzt
Entdecken – Erfassen – Entwickeln
Ziel des Grazer Stärkenpass ist die Förderung und Dokumentation der Begabungspotentiale und Interessen
sowie eine bestmögliche Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen. „Wir wollen, dass der Stärkenpass
unsere Kinder vom dritten bis zum 15. Lebensjahr begleitet. Das Stärkenportfolio wird damit auch an den wichtigen
Schnittstellen zwischen den Bildungseinrichtungen übergeben. Dadurch werden Bildungsbrüche vermieden
und Informationen über die Grenzen der einzelnen Einrichtungen hinweg ausgetauscht“, erklärt Hohensinner.
Die Stärkenorientierung umfasst das Entdecken, Erfassen und Entwickeln von Stärken und Interessen. Herzstück
des Portfolios sind gezielte Reflexionen und Dialoge zwischen allen Beteiligten der Bildungspartnerschaft (Kind-Pädagoge-Eltern).
Stärken entwickeln sich fortwährend von der frühen Kindheit an und zeigen sich zu jeder Zeit in
unterschiedlichsten Zusammenhängen. Der Stärkenpass dokumentiert diese individuellen Entwicklungsschritte
in vier wesentlichen Bereichen:
• Personales – z.B.: Aufgeschlossenheit, Begeisterungsfähigkeit, Belastbarkeit, Durchhaltevermögen, Ehrlichkeit,
Eigeninitiative, Eigenverantwortung, Emotionsregulation, Entscheidungsfähigkeit, Flexibilität, Geduld,
Humor, Konzentrationsfähigkeit, Kreativität, Leistungsbereitschaft, Lernbereitschaft, Motivation, Neugier,
Optimismus, Ordentlichkeit, Pünktlichkeit, Selbstbewusstsein, Selbstdisziplin, Selbstständigkeit, Urteilsfähigkeit,
Verantwortungsbewusstsein, Wertebewusstsein, Zuverlässigkeit, etc.
• Soziales – z.B.: Beziehungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft,
Höflichkeit, Integrationsfähigkeit, Interkulturelle Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit,
Kontaktfähigkeit, Kritikfähigkeit, Teamfähigkeit, Toleranz, Vertrauenswürdigkeit, etc.
• Methodisches – z.B.: Angemessenes Arbeitstempo, Ausdauer, Fleiß, Handwerkliches Geschick, Körperliche
Koordination, Organisationsfähigkeit, Präsentationsfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Auffassungsgabe,
Reaktionsgeschwindigkeit, Recherchefähigkeit, Reflexionsfähigkeit, Sorgfalt, Umgang mit Medien, etc.
• Fachliches – z.B.: Bewegungsfreude, Computerkenntnisse, Darstellungsfähigkeit, Hauswirtschaftliche Fähigkeiten,
Handwerkliche Fähigkeiten, Lebenspraktische Fähigkeiten, Künstlerische Fähigkeiten, Lese/Schreibfähigkeit,
Logisches Denken, Mathematische Fähigkeiten, Mehrsprachigkeit, Musikalität, Natur- und Umweltbewusstsein,
Räumliches Vorstellungsvermögen, Spezielle Fachkenntnisse, Technisches Verständnis, Wirtschaftliche
Grundkenntnisse, etc.
Der Stärkenpass versteht sich damit nicht als Ersatz zur herkömmlichen Leistungsbeurteilung, sondern
ist vielmehr eine sinnvolle Ergänzung um die Kindesentwicklung über die Bildungseinrichtungen hinaus
zu dokumentieren.
Pilotprojekt an 14 Bildungseinrichtungen
Rund ein Jahr dauerten die Vorbereitungen für den Stärkenpass. Mit diesem Betreuungs- bzw. Schuljahr
wird dieser nun an 14 Bildungseinrichtungen eingeführt, darunter 2 Kindergärten, 2 Schülerhorte,
3 Volksschulen, 4 Neue Mittelschulen und 3 AHS Unterstufen. „Gemeinsam mit den zahlreichen Experten aus dem gesamten
Bildungsbereich und mit tatkräftiger Unterstützung des Österreichischen Zentrums für Begabtenförderung
ÖZBF ist uns hier ein wichtiger Meilenstein für den Bildungsstandort Graz gelungen“, ist Bildungsstadtrat
Kurt Hohensinner überzeugt. Alle Beteiligten profitieren vom Stärkenpass: Für die Kinder- und Jugendlichen
werden ihre Stärken sichtbar und dadurch besprechbar gemacht, Denkprozesse werden angeregt und Entwicklungsmöglichkeiten
eröffnet. Das Portfolio dient als Ermutigung und macht Qualitäten für das Kind sichtbar und hilft
ihm diese in die Gesellschaft einzubringen, sowie zunehmend Verantwortung für die eigenen Lernprozesse zu
übernehmen. Eltern bekommen mehr Einblick in den pädagogischen Alltag. Der daraus entstehende Bildungsdialog
fördert das Vertrauen der Eltern in die Stärken des eigenen Kindes und hilft gezielte Entwicklungsgespräche
zu führen. Pädagogen hingegen profitieren von einem stärkeren Beziehungsaufbau zum einzelnen Kind,
sowie einer stärkeren Erziehungspartnerschaft mit den Eltern. Zudem können sie auf Dokumentation der
vorangegangenen Bildungseinrichtung zurückgreifen und gezielter auf das jeweilige Kind eingehen und mit diesem
arbeiten.
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