Symposion vom 27. bis 30. Oktober 2016, Stadttheater Gmunden
Gmunden (festwochen) - "Politik der gemischten Gefühle Angst.Furcht.Sorge" lautet das Thema
der diesjährigen Onerösterreichischen Kulturvermerke. Vom 27. bis 30. Oktober 2016 geht das Symposion
daran, die Zeichen der Zeit zu deuten. Mit Paul Lendvai, Paul Michael Zulehner, Franz Schuh, Renate Becker, Walter
Ötsch, Andreas Gruber, Knut Boeser, Christian Fleck, Otmar Lahodynsky, Anton Pelinka, Karin Kneissl, Christian
Schacherreiter, Lutz Ellrich, Jürgen Spitzmüller, Christian Bendl, Klaus Kastberger, Christoph Leitgeb,
Anton Thuswaldner, Stefan Slupetzky und Peter Huemer.
Philosophen, Soziologen, Theologen, Publizisten, Ökonomen und Vertreter anderer Wissenschaften referieren
und diskutieren über begründete und unbegründete Ängste, Befürchtungen und Sorgen in unserer
Gesellschaft vor dem Hintergrund der aktuellen politisch-ökonomischen Krise. Thematisiert werden die politische
Lage in Europa, den USA und den Krisengebieten des Nahen Ostens, die gegenwärtige Flüchtlingsbewegung
und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, die Bedeutung und Funktionsweisen der Medien und sozialen Netzwerke
im Kontext dieser aktuellen Entwicklungen u.v.m.
Germanisten und Kulturwissenschaftler stellen literarische bzw. historische Bezüge zum Thema her. Stefan Slupetzky
liest aus seinem aktuellen Roman Der letzte große Trost. Der Film Hannas schlafende Hunde des oberösterreichischen
Regisseurs Andreas Gruber bietet einen weiteren interessanten Blickwinkel auf die Problemstellung.
Eröffnungsredner des Symposions ist der bekannte Journalist und Osteuropa-Experte Paul Lendvai. Der Titel
seines Referats: Viktor Orbáns Ungarn. Sehnsucht nach dem großen Mann.
Kurator Franz Schuh zum Thema
Ende der 80iger Jahre erschien in Österreich das Buch von Josef Haslinger Politik der Gefühle. Politik
in Österreich sei Sache des Geschmacks geworden. Sie agiere nach dem Verfahren der Warenästhetik, nach
der Praktik der Produktwerbung, wodurch am Ende zwischen Waldheim und Pepsi-Cola kein prinzipieller Unterschied
mehr bestünde. Haslingers These war, dass die politischen Kräfte mehr Stimmung als Politik machten. Oder
besser: Sie nahmen Stimmungen auf und versuchten auf ihnen durchs Geschehen zu „surfen“.
Auf diese Weise - man sieht es heute – kam es zu einer Entkernung der Politik, die Phänomene wie Berlusconi
und last not least Trump ermöglichte. Es sind Politiker, die in erster Linie nicht strategisch reflektiert
fürs Gemeinwohl handeln, obwohl sie es natürlich behaupten. Es sind Politiker, die ihre Macht akkumulieren,
indem sie ihr Publikum in Stimmung bringen, vorhandene oder erst durch sie hervorgebrachte Gefühle aufputschen.
Es ist auch eine Hetz. „Warum werden die Leute Trump wählen?“, fragt sich der Politikwissenschaftler Van Reybrouck
und er antwortet: „Weil es Spaß macht.“ Und es macht Spaß, weil man mit einer Stimme für Trump
dem politischen Establishment „den Mittelfinger“ zeigt.
Gefühle sind ein unvermeidlicher „Rohstoff“ des Politischen. Eine Politik ohne Gefühle wäre ein
rationalistisches Phantasma. Die Reduktion des Politischen auf rationale, die Leidenschaften abwehrende, nüchterne
Interessen (woran „die Liberalen“ zu glauben scheinen) geht vor allem in Krisenzeiten ins Leere. Was Krisen verursachen,
kann man „gemischte Gefühle“ nennen: Ängste und Erwartungen, Hoffnungen und Enttäuschungen, Hass
und „Liebe“ (libidinöse Besetzungen der Führer, die sich dafür anbieten und in Szene setzen).
In dieser Konstellation ist die einlullende Phrase inflationär geworden: „Wir müssen die Sorgen und
die Ängste der Menschen ernst nehmen.“ Allmählich schlich sich sogar die Ansicht ein, wer Sorgen und
Ängste hat, wäre damit bereits im Recht und dürfe legitim Ansprüche stellen. Wissenschaften
wie die Psychologie, die Geschichtswissenschaft, die Soziologie und die Philosophie haben seit eh und je die Frage
gestellt, was denn das überhaupt ist: Angst, Furcht und Sorge. Auch die Kunst, nicht zuletzt die Literatur,
hat, soweit menschenmöglich, Licht in die Wirrnis der gemischten, politisierbaren und manipulierbaren Gefühle
gebracht.
Darüber und auch über die begründeten Ängste in der derzeitigen politisch-ökonomischen
Krise wollen die Teilnehmer an den Oberösterreichischen Kulturvermerken 2016 referieren und diskutieren.
Die Veranstaltungen finden im Stadttheater Gmunden statt.
Um das Symposion einer breiten Öffentlichkeit zu öffnen, werden die Eröffnung sowie Referate, Autorenlesung
und Gespräche tagsüber bei freiem Eintritt stattfinden.
Eintrittspreise für Film und Gespräch mit Andreas Gruber (28.10.) und Vortrag und Gespräch mit Karin
Kneissl (29.10.): € 10,-
Die Oberösterreichischen Kulturvermerke wurden 1992 von Jutta Skokan initiiert und finden heuer zum 25. Mal
statt. Das Symposion wird von Jutta Skokan, Franz Schuh, Brigitte Zierhut-Bösch, Christian und Silvana Steinbacher
kuratiert.
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