Die Zusatzerklärung zum Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada (CETA) ist fertig.
Ob die strittigen Punkte ausreichend geklärt wurden, lässt Bundeskanzler Christian Kern jetzt prüfen.
Brüssel/Wien (sk) - Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Zusatzerklärung zu CETA umfasst zwar
nur einige wenige Seiten, „entscheidend ist aber das Zusammenspiel mit dem Vertrag, denn dort seien viele Dinge
zu unklar formuliert“, sagte Bundeskanzler Christian Kern am 06.10. nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker in Brüssel. Der Text wird derzeit analysiert und geprüft. Kommende Woche wird der
Kanzler das SPÖ-Präsidium mit CETA und der Zusatzerklärung befassen.
Harte Verhandlungen mit der Kommission
Bundeskanzler Christian Kern hatte in zahlreichen Verhandlungen und Gesprächen mit EU-Kommission und Regierungschefs,
unter anderem mit seinem kanadischen Amtskollegen Trudeau, beharrlich seine Kritikpunkte angesprochen und Nachbesserungen
eingefordert. Zuletzt hatte Kern die roten Linien Österreichs in Sachen CETA gegenüber Kommissionschef
Juncker dargelegt. Juncker, der die österreichische Kritik am CETA-Handelspakt vor wenigen Monaten noch als
„Klamauk“ bezeichnet hatte, sagte zu, dass die Zusatzerklärung den österreichischen Bedenken Rechnung
tragen soll. „Ich bin froh, dass sich der angebliche Klamauk durchzusetzen scheint“, sagte Kern nach seinem erfolgreichen
Gespräch mit Juncker in Straßburg.
Hauptkritikpunkte aus österreichischer Sicht
Die Hauptkritikpunkte bei CETA aus österreichischer Sicht sind die Einführung von Schiedsgerichten für
ausländische Investoren ohne Zustimmung der nationalen Parlamente; dass die öffentliche Daseinsvorsorge
einem Privatisierungsdruck ausgesetzt werden könnte, und dass die hohen europäischen und österreichischen
Standards in Sachen ArbeitnehmerInnen-, Umwelt oder KonsumentInnenschutz Gefahr laufen, gesenkt zu werden.
Viele Erfolge erreicht
„Wir bekennen uns grundsätzlich zum Freihandel und zum Wegfall von Zöllen“, sagt der Kanzler. Es gibt
bei CETA aber auch Punkte, die weit über den Handel hinausgehen. Dass CETA überhaupt den nationalen Parlamenten
zur Ratifizierung vorgelegt wird, ist nur durch den großen politischen Widerstand erreicht worden. „CETA
wurde letztendlich von der Kommission als ‚gemischtes Abkommen‘ klassifiziert – die Parlamente haben also das letzte
Wort“, sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Auch die Befragung von SPÖ-Mitgliedern
sowie Nicht-Mitgliedern zu CETA und TTIP habe auf europäischer Ebene dabei geholfen, „dass die Bedenken Österreichs
ernst genommen werden“, sagt der Bundeskanzler.
Abkommen genau studieren
Der Kanzler plädierte dafür, sich das Abkommen samt Zusatzerklärungen genau anzuschauen, anstatt
es reflexartig abzulehnen, und die Texte genau zu studieren. Klar sei, dass die Entwicklungen bei CETA Österreich
„nicht aus den Schuhen heben“ werden: So sei laut Studien der EU-Kommission mit einem sehr geringen zusätzlichen
Wirtschaftswachstum durch CETA zu rechnen: „Sechs Euro pro Jahr für jeden im besten Fall“, sagt Kern. Es gebe
Handelsabkommen zwischen Österreich und einzelnen Ländern, die größere Effekte hätten.
Dennoch sei es wichtig, sich mit dem Abkommen im „Geiste der europäischen Solidarität“ auseinanderzusetzen,
so Kern.
Niedermühlbichler: Kern holt Bestmögliches für Österreich aus CETA heraus
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler betont, dass man mit dem jetzigen Verhandlungsstand
sehr zufrieden sein kann: „Erinnern wir uns daran, wo CETA im Juni gestanden ist: Der Vertrag sollte als ‚EU-only‘-Materie
nicht den nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt werden und die umstrittenen Schiedsgerichte für
ausländische Investoren hätten in die vorläufige Anwendung gehen sollen – sprich, ohne die Parlamente
damit zu befassen.“ Klar sei: „Ohne die konsequente Haltung des Bundeskanzlers, der dafür sorgt, das Bestmögliche
aus CETA für Österreich herauszuholen, wäre der Handelspakt wohl mit allen Konsequenzen abgenickt
worden – so, wie es die ÖVP bevorzugt hätte.“
Der weitere Fahrplan
Die Erklärung ist an die EU-Mitgliedstaaten versandt worden und wird nun auf technischer Ebene diskutiert.
Kommende Woche sollen sich die EU-BotschafterInnen mit der Erklärung und mit dem CETA-Abkommen befassen, danach
der EU-Handelsministerrat am 18. Oktober in Luxemburg. Planmäßig soll CETA beim EU-Kanada-Gipfel am
27. Oktober in Brüssel unterzeichnet werden.
|