Österreichweit einzigartiges stationäres Therapiekonzept der chronischen Depression
Graz (med-uni) - Frühe traumatisierende Erfahrungen werden oft als Ursache einer chronischen Depression
genannt. Rund ein Viertel aller von Depressionen Betroffenen leidet an der chronischen Form dieser Erkrankung.
An der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am LKH-Universitätsklinikum
Graz wurde nun österreichweit erstmals ein neuer Schwerpunkt in der psychotherapeutischen Behandlung der chronischen
Depression gesetzt.
Chronische Depression: Junge Erwachsene als Hauptbetroffene
Der 10. Oktober gilt seit dem Jahr 1992 als Welttag der geistigen Gesundheit. Mittlerweile nehmen jährlich
rund 900.000 ÖsterreicherInnen das Gesundheitssystem auf Grund psychischer Erkrankungen in Anspruch, wobei
die Zahl der Betroffenen nach wie vor ansteigt. Rund 10% der Frauen und 6% der Männer gaben beispielsweise
bei der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2014 an, in den letzten 12 Monaten an einer Depression gelitten
zu haben. Etwa ein Viertel aller an einer Depression Erkrankten leidet an einer chronischen Depression. Davon spricht
man, wenn die Depression mindestens zwei Jahre andauert. "Die chronische Depression ist in 75% der Fälle
durch einen sehr frühen Beginn bereits vor dem 21. Lebensjahr gekennzeichnet", erklärt OA Dr. Helmut
Schöggl, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am LKH-Universitätsklinikum
Graz. Die chronische Depression ist eine extrem beeinträchtigende Störung, die bisher als schwer therapierbar
gilt. Eine schwierige Kindheit verbunden mit Vernachlässigung, Verlusterfahrungen oder dem Durchleben verschiedener
Formen der Misshandlung, vor allem auch emotionaler Missbrauch, gelten als Auslöser dieser Form der Depression.
"Chronisch Depressive sind meist nicht in der Lage mit ihrer Umwelt ungestört zu interagieren",
sagt Helmut Schöggl. Durch negative Erfahrungen in der Kindheit versuchen chronisch depressive Menschen soziale
Interaktionen zu vermeiden, um nicht wieder verletzt zu werden. "Dieses automatisierte Verhaltensmuster wird
immer weitergetragen, so dass PatientInnen in ihren sozialen Interaktionen erheblich beeinträchtigt sind",
beschreibt Helmut Schöggl den Krankheitsverlauf.
CBASP: Beziehungsgestaltung als zentrales Element
Die Behandlung von chronisch depressiven Menschen stellt die Medizin vor eine große Herausforderung, da PatientInnen
mitunter unzureichend auf eine antidepressive Medikation bzw. auf klassische antidepressive Psychotherapiekonzepte
ansprechen. Österreichweit einzigartig wird an der Grazer Universitätsklinik für Psychiatrie und
Psychotherapeutische Medizin nun ein neues Therapiekonzept schwerpunktmäßig eingesetzt. Das Cognitive
Behaviroral Analysis System of Psychotherapie - kurz CBASP - ist ein relativ neues Behandlungsverfahren, welches
von Prof. James P. McCullough an der Virginia Commonwealth University, USA, entwickelt wurde. Bis heute ist es
weltweit der einzige Therapieansatz, der speziell für chronisch depressive PatientInnen ausgerichtet ist.
Helmut Schöggl und seine Kollegin OA Dr. Daniela Otti absolvierten die Ausbildung zum zertifizierten CBASP-Therapeuten
an der Psychologischen Hochschule in Berlin und haben dieses Therapiekonzept nun erstmals an eine Universitätsklinik
nach Österreich gebracht.
Das CBASP Konzept lebt von der multidisziplinären Zusammenarbeit unter aktiver Einbeziehung von Pflegepersonen,
Ergo- und PhysiotherapeutInnen, PsychotherapeutInnen und SozialarbeiterInnen. "Wir führen das neue Therapiekonzept
mittlerweile im ambulanten als auch stationären Setting durch", berichtet Helmut Schöggl. Das Therapiekonzept
selbst ist dreistufig aufgebaut. In der Akutphase arbeiten die TherapeutInnen mit den PatientInnen an den Prägungen
durch die wichtigsten Bezugspersonen, welche das Denken, Empfinden und Handeln der PatientInnen bis heute stark
beeinflussen. In weiterer Folge wird die "Übertragungshypothese" formuliert, welche die Angst der
PatientInnen widerspiegelt, vom Therapeuten z.B. für wertlos erachtet oder gar "bestraft" zu werden,
wenn emotionale Brennpunkte ("Hot Spots") zwischen den PatientInnen und dem Therapeuten entstehen. In
der Hauptphase des CBASP Konzeptes finden die Situationsanalysen statt. Darunter versteht man eine mehrstufige,
interpersonelle Problemlösungsaufgabe. "Unsere PatientInnen lernen in schwierigen sozialen Situationen
realistische Ziele zu formulieren und diese durch hilfreiche motivierende Gedanken und adäquates Verhalten
auch zu erreichen", erklärt Helmut Schöggl. Die Beziehungsgestaltung ist ein Schlüsselelement
des Therapiekonzeptes. Durch die umsichtige Selbstöffnung des Therapeuten gegenüber dem Patienten können
heilsame Beziehungserfahrungen gelingen. Die Abschiedsphase bildet den Abschluss der Therapie, wenn PatientInnen
von der Einzeltherapie in eine Gruppenphase überführt werden, um einerseits den Therapieerfolg zu stabilisieren
und gleichzeitig eine Rückfallprophylaxe zu erreichen.
Umsetzung an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin
Im letzten Jahr wurden an der Grazer Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin
rund 20 PatientInnen im stationären und ambulanten Setting behandelt. Empfohlen wird eine Therapiedauer von
zumindest 25 Sitzungen. Eine Weiterführung der Behandlung mit niedriger Frequenz oder die Überführung
in ein Gruppensetting erscheint im Sinne einer Erhaltungstherapie zur Rückfallprophylaxe sinnvoll.
Im Rahmen von Diplomarbeiten an der Med Uni Graz werden Systematic-Reviews erstellt, welche die bisherigen Forschungsergebnisse
über die Rolle von CBASP und dessen Effektivität in der Behandlung chronisch Depressiver im ambulanten
und stationären Setting, darstellen. Eine laufende Evaluation der Behandlungserfolge zum Nachweis der Wirksamkeit
von CBASP ist in Planung. Eine internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem CBASP-Netzwerk ist vorstellbar.
Im Rahmen des 47. Integrativen Seminars für Psychotherapie, vom 23. bis 28.10.2016 in Bad Gleichenberg, findet
erstmals ein Workshop zur Behandlung Chronischer Depression mit CBASP statt.
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