Außerdem Berichte von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof sowie Kunst und Kultur
als Themen der Länderkammer
Wien (pk) - Die Volksanwaltschaft (VA) stand am 06.10. im Rampenlicht des Bundesrats. Intensiv debattierten
die LändervertreterInnen anhand des Volksanwaltschaftsberichts diverse Bürgeranliegen von baurechtlichen
Belangen und Unternehmensgründungen bis hin zu Sachwalterschaft und menschenrechtlichen Fragen.
Weitere Programmpunkte der Länderkammersitzung waren die vorjährigen Tätigkeitsberichte des Verfassungs-
und des Verwaltungsgerichtshofs sowie der Kunst- und Kulturbericht 2015. Vom Verfassungsgerichtshof wurde eine
eklatante Steigerung der Anträge auf Gesetzesprüfung verzeichnet, der Verwaltungsgerichtshof rechnet
mit einem deutlichen Anstieg von Asylrechts-Verfahren. Im Kunst und Kulturbereich liegt der Fokus auf der Förderung
zeitgenössischen Schaffens. Die Berichte von Volksanwaltschaft und Verwaltungsgerichtshof wurden einstimmig,
jene des Verfassungsgerichtshofs und des Kulturressorts mehrheitlich zur Kenntnis genommen.
Volksanwaltschaft als wichtige Kontrollinstanz
Die VolksanwältInnen Gertrude Brinek und Peter Fichtenbauer würdigten die Aufmerksamkeit des Bundesrats
für die Arbeit der Volksanwaltschaft, die das gesetzeskonforme Vorgehen der Behörden überprüft.
"Kein Anliegen ist uns zu klein, keines zu groß", so Brinek, die Ombudsstelle lasse sich nicht
einschüchtern. Mit Erfolg: in Justizanstalten habe etwa das wiederholte Drängen zu einer Personalaufstockung
geführt, ein neues Maßnahmenvollzugsgesetz sei in Ausarbeitung und die Sachwalterschaft werde mit Billigung
des Parlaments bald durch ein neues Erwachsenenschutzgesetz ersetzt.
Angesichts der 60%-Steigerung an Individualbeschwerden ersuchte Volksanwalt Günther Kräuter den Gesetzgeber
um fortwährende Unterstützung und Austausch mit den ParlamentarierInnen sowie mit den Mitgliedern aller
Landtage. Für die Bevölkerung sei wichtig, bestimmte Problemfälle auch lokal umfassend zu diskutieren.
So bestehe bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Österreich ein tatsächlicher "Notstand",
dem auf Länderebene beizukommen sei. Im Einklang mit seinem Kollegen Kräuter urgierte Fichtenbauer, drei
weitere Planstellen in der Volksanwaltschaft einzurichten, um den Bürgeranliegen entsprechend nachkommen zu
können. Konkrete Verbesserungen verlangte er von der Legislative für die Situation chronisch kranker
Schulkinder.
Für die Regierungsfraktionen machten Daniela Gruber-Pruner (S/W), Martin Weber (S/St), Ferdinand Tiefnig (V/O)
und Sonja Ledl-Rossmann (V/T) klar, die Arbeit der Volksanwaltschaft zeige auf, wie die Gesetzgebung bei der Bevölkerung
ankommt und wo Missstände in den Strukturen bestehen. Menschenrechte, aktuell im Zusammenhang mit unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlingen, nannte Tiefnig als Beispiel. Die regelmäßige Überprüfung
von Institutionen und deren Machtstrukturen bzw. Praktiken – beispielsweise freiheitsentziehende Maßnahmen
in Psychiatrien – liegt Gruber-Pruner besonders am Herzen, wie sie mit Verweis auf die präventive Menschenrechtskontrolle
durch die Volksanwaltschaft ausführte. Sonja Ledl-Rossmann (V/T) beschrieb in diesem Zusammenhang bei VA-Erhebungen
aufgedeckte Vorfälle in Alten- und Pflegeheimen, wie überschießende Medikation der BewohnerInnen.
Fehlendes Personal und mangelnde Ressourcen für barrierefreie Umbaumaßnahmen bildeten oft den Ursprung
solcher Missstände, weswegen konkret bei den Heimträgern Bewusstseinsbildung nötig sei.
Ausweitung der VA-Kontrollkompetenzen bleibt Debattengegenstand
Werner Herbert (F/N) schloss sich dem Lob der Volksanwaltschaft an, gleichzeitig mahnte er allerdings, die Zusammenarbeit
der Bundesländer mit der Ombudsstelle zu verbessern. Da sich eine weitere 20%-Steigerung von VA-Prüfverfahren
abzeichne, sieht der Freiheitliche die "Decke des finanziell Leistbaren" erreicht, zumal auch die Kontrolle
ausgegliederter Körperschaften geboten sei. Die Notwendigkeit einer objektiven Beurteilung des politischen
Handelns durch die Volksanwaltschaft betonte Ewa Dziedzic (G/W) einmal mehr, gerade zum Schutz der Menschenrechte.
Der VA-Sonderbericht zum Schubhaftzentrum Vordernberg ist für die Grünen-Bundesrätin ein Beleg für
die Bedeutung einer parteiunabhängigen Kontrolle.
Ihren Ausgangspunkt nahm die Debatte im vorjährigen Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle ( III-235 -NR,
III-588 -BR), den Bundesrat Weber vorstellte. Für 2015 weist die Volksanwaltschaft (VA) im Gegensatz zu den
Vorjahren einen Beschwerderückgang auf. Mit insgesamt 17.231 Beschwerden über die öffentliche Verwaltung
gab es um 2.417 weniger Beanstandungen als im Jahr davor. Die ersten Plätze im Beschwerdeaufkommen nehmen
aber weiterhin die Bereiche Inneres (28,16%), Soziales (28,01%) und Justiz (14,31%) ein. In 8.181 Fällen wurde
ein formales Prüfverfahren eingeleitet, 7.850 davon schloss die Ombudsstelle ab, wobei 1.812 Missstände
zutage traten.
Im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle waren die Kommissionen der Volksanwaltschaft 2015 insgesamt
501-mal im Einsatz. 439 der vorjährigen Besuche und Beobachtungen in öffentlichen und privaten Einrichtungen,
die als Orte der Freiheitsentziehung gelten, erfolgten unangekündigt. Als Nationaler Präventionsmechanismus
(NPM) prüfen Kommissionen der Ombudseinrichtung, ob das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter
und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT), sowie Regelungen der UN-
Behindertenrechtskonvention eingehalten werden. Grundlage für die Besuche und Beobachtungen in Justizanstalten,
Polizeianhaltezentren, Krankenhäusern, Jugend-, Alten- bzw. Pflegeheimen und Einrichtungen für Menschen
mit Behinderung sowie von Exekutiveinsätzen (Zwangsakte) etwa bei Demonstrationen, ist eine verfassungsrechtliche
Kompetenzerweiterung, die ab heuer auch die Begleitung von Abschiebeflügen umfasst.
Höchstgerichte mehr beansprucht denn je
Sowohl dem Verfassungs- als auch dem Verwaltungsgerichtshof geht die Arbeit nicht aus – im Gegenteil. Hauptgrund
für die Antragssteigerung im Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist laut Tätigkeitsbericht ( III-273-NR, III-591-BR)
die Einführung der so genannten "Gesetzesbeschwerde", die es nunmehr auch Verfahrensparteien in
Gerichtsverfahren ermöglicht, sich direkt an den Verfassungsgerichtshof wenden, wenn sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
einer vom Gericht anzuwendenden Rechtsvorschrift haben. Erwartet wurden ursprünglich rund 150 zusätzliche
Normenprüfungsverfahren pro Jahr, de facto hat es 2015 aber 321 Parteianträge, davon 312 gegen Gesetze
gegeben. Gleichzeitig ist auch die Zahl der von den Gerichten selbst gestellten Anträge deutlich gestiegen.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat im vergangenen Jahr 5.393 Verfahren abgeschlossen. In 1.255 Fällen wurde
der Beschwerde stattgegeben, angefochtene Bescheide also aufgehoben bzw. abgeändert, geht aus seinem jüngsten
Tätigkeitsbericht hervor ( III-302-NR, III-599-BR). Damit konnten bereits im siebenten Jahr in Folge mehr
Fälle vom VwGH erledigt werden als neu an ihn herangetragen wurden. Auch die durchschnittliche Verfahrensdauer
entwickelte sich überaus positiv. Besorgt sind die VwGH-RichterInnen allerdings vor drohenden Budgetnöten.
Sie rechnen vor allem mit einem deutlichen Anstieg von Asylrechts-Verfahren, die den Aktenrückstand rasch
wieder steigen lassen könnten. Auch den VfGH beschäftigten Asylverfahren massiv, zeigte Michael Raml
(F/O) auf, dennoch sei die Verfahrensdauer mit 89 Tagen relativ kurz. Trotz dieser wertschätzenden Sicht auf
den Verfassungsgerichtshof lehne die FPÖ den VfGH-Bericht ab, erklärte der FPÖ-Mandatar mit Verweis
auf die Äußerungen des Höchstrichters Johannes Schnizer in Verbindung mit der Bundespräsidentenwahl-Anfechtung
durch die Freiheitliche Partei. Als Konsequenzen dieser "Causa" verlangte Raml ein Disziplinarverfahren
gegen Schnizer und einen neuen, nicht parteipolitisch bestimmten Bestellmodus der HöchstricherInnen und fand
dabei Übereinstimmung mit seinem Fraktionskollegen Christoph Längle (F/V), der allerdings die Zustimmung
seiner Fraktion zum VwGH-Bericht zusicherte. Die "ergänzenden Bemerkungen" des VfGH-Richters Schnizer
zum Judikat zur Stichwahlwiederholung der Bundespräsidentenwahl führte Reinhard Todt (S/W) darauf zurück,
dass das Höchstgericht vielfach für sein Erkenntnis kritisiert worden ist. Mehr Transparenz bei der Urteilsfindung
des Gerichtshofs schwebt Todt, ähnlich wie Heidelinde Reiter (G/S), als taugliches Mittel gegen öffentliche
Missstimmung vor.
Edgar Mayer (V/V) verbat sich, an die FPÖ gewandt, wegen eines einmaligen Vorfalls den Bericht des Höchstgerichts
nicht zur Kenntnis zu nehmen. "Das ist für niemanden nachzuvollziehbar". Unabhängig davon prophezeite
der ÖVP-Mandatar, die große Zahle an zu erwartenden Asylverfahren würden beide Gerichtshöfe
noch intensiv beschäftigen, weswegen der geltende Rechtsschutz bei Asylbescheiden zu hinterfragen sei. "Valide
Erfahrungen" der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform liest Reiter schließlich aus dem VwGH-Bericht heraus,
nicht zuletzt, weil die Verfahren durch die Entlastung des Höchstgerichts beschleunigt worden seien. Fortsetzen
lassen werde sich diese Entwicklung wohl kaum, bedauerte sie mit Hinweis auf die kostendämpfenden Maßnahmen
im kommenden Budget.
Erstmals Kunst- und Kulturbericht in einem Band
Auch der Bericht über die österreichische Kulturpolitik und die Verwendung öffentlicher Mittel für
Kunst und Kultur 2015, der heuer erstmals in einem gemeinsamen Band präsentiert wurde, stand in der heutigen
Bundesratssitzung zur Debatte. Neben einer Auflistung der wichtigsten geförderten Institutionen werden darin
auch die wesentlichen Förderungsprogramme, die der Bund anbietet, dargestellt und die Ausgaben im Einzelnen
ausgewiesen. Zahlenmäßig waren die Bundesmittel für Kunst und Kultur 2015 vergleichbar mit jenen
Vorjahrs. Thematisch legten die AutorInnen unter anderem Wert auf die Herausarbeitung des Genderaspekts der Kunst-
und Kulturförderungen. Das Verhältnis der Förderung von Männern und Frauen sei nach Abteilungen
und Sparten zwar unterschiedlich, zeige sich aber insgesamt als sehr ausgewogen, besagt der Bericht.
2015 wurden vom Bund Kunst- und Kulturförderungen in der Höhe von rund 410 Mio. € vergeben. Darin sind
auch die Förderungen nach dem Kunstförderungsgesetz enthalten, diese beliefen sich auf rund 88 Mio. €.
Neben der Stabilisierung der Bundestheater, Digitalisierungsprojekten und steigenden Besucherzahlen bei Bundesmuseen
und Nationalbibliothek werden unter anderem die vielfältigen Formen der Förderung des zeitgenössischen
Kunst- und Kulturschaffens und der Gegenwartskunst thematisiert. Die soziale Absicherung von KünstlerInnen
ist ebenfalls im Fokus der Kulturpolitik. 2015 wird auch als Erfolgsjahr für den österreichischen Film
betrachtet, es gab Neuerungen in der Literaturförderung, auch der Förderung von Kultur in den Regionen
und von neuen Kunstformen wird entsprechende Bedeutung beigemessen.
Drozda: Bessere Vergleichbarkeit durch LIKUS-Systematik
Kanzleramtsminister Thomas Drozda hob hervor, dass die Vergleichbarkeit des Budgets durch die aktuelle Umstellung
auf die LIKUS-Systematik wesentlich optimiert wird. LIKUS ist ein einheitliches kulturstatistisches System, das
auch von der Statistik Austria und den Bundesländern benützt wird, wenn es um Kunst- und Kulturausgaben
geht. Der erstmals gemeinsame Bericht zeige auch, dass "Kunst und Kultur zusammengehört", so der
Minister. Über Verteilung von Mitteln könne man immer diskutieren, es sei ihm aber jedenfalls auch ein
Anliegen, Schwerpunkte für freie Kunst- und Kulturschaffende zu setzen. Weiters sei die Transparenzdatenbank
in Verhandlung, er sei optimistisch, dass es bis 2017 zu einer Umsetzung kommen könne. Dass auch die Bundestheater
in Zukunft den "Kulturpass" - der Menschen mit finanziellen Engpässen Kunst und Kultur ermöglicht
- akzeptieren, hält Minister Drozda grundsätzlich für machbar. Er hofft diesbezüglich auf einen
positiven nächsten Bericht etwaig schon kommendes Jahr.
Von Rosa Ecker (F/O) wurden die in einer anonymen Anzeige erhobenen Compliance-Vorwürfe aus der Zeit vor seiner
Ministertätigkeit bei den Vereinigten Bühnen thematisiert. Drozda betonte, er habe sich nichts vorzuwerfen.
Von Ecker kamen auch Kritikpunkte zum Bericht, unter anderem zur mangelnden Nachvollziehbarkeit, ob Förderempfänger
auch andere Subventionen bekommen. Sie forderte diesbezüglich, die Transparenzdatenbank für Kunst und
Kultur einzuführen. Ihr Parteikollege Reinhard Pisec (F/W) bezog sich mit seiner Kritik hauptsächlich
auf den seiner Meinung nach unzureichenden Denkmalschutz in Wien und forderte, das Bundesdenkmalamt personell aufzustocken,
um für die Erhaltung des kulturellen Erbes die Entscheidungsträger besser kontrollieren zu können.
Begrüßenswert ist für David Stögmüller (G/O) der gemeinsame Bericht für Kunst und
Kultur und die LIKUS-Systematik. Kritisiert wurde von dem Grünen die Verteilung der Mittel zugunsten der großen
"Kulturtanker", wiewohl er erkenne, das zumindest der Wille da sei, die Förderungen für zeitgenössische
Kunst zu erhöhen.
Lobend zum Bericht äußerten sich die Koalitionsparteien. Elisabeth Grimling (S/W) und Rene Pfister (S/N)
hoben auch die neue LIKUS-Systematik und die soziale Unterstützung von in Not geratener Künstler positiv
hervor, und dass speziell der Genderverteilung Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Für Gregor Hammerl (V/St) zeigt
der Bericht die Vielfalt und Dichte von Kunst und Kultur in Österreich. Er wünscht sich in seinem Plädoyer
für diesen Bereich weiterhin, dass sowohl der Pflege des kulturellen Erbes als auch dem "Mut, in der
Kunst Neues zu zeigen" entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Der Kunst- und Kulturbericht 2015 wurde vom Bundesrat mehrheitlich zur Kenntnis genommen.
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