Salzburg (universität) - Pflanzen greifen teilweise tief in die Trickkiste, um ihre Bestäuber anzulocken
und damit ihr Überleben zu sichern. Das Wissenschaftlerteam rund um den Pflanzenökologen Stefan Dötterl
an der Universität Salzburg ist international führend, wenn es darum geht das rätselhafte Wechselspiel
zwischen Pflanzen und Insekten zu erforschen. Nun wurde von der Forscherin Annemarie Heiduk im Rahmen ihrer Promotion
ein weiteres wichtiges Puzzleteil im System der Bestäubung durch Fliegen entdeckt, von dem in der renommierten
Zeitschrift „Current Biology“ berichtet wird.
Die Anklage wiegt schwer, der Vorwurf lautet Betrug. Täterin ist die Ceropegia sandersonii-Blüte, zu
Deutsch Fallschirm-Leuchterblume, ihre Opfer sind zwei Millimeter große Nistfliegen. Unter der Federführung
von Annemarie Heiduk gelang es einem Projektteam aus Salzburg, Deutschland und Südafrika nach sieben Jahren
Forschungsarbeit nachzuweisen, dass die Pflanze den Duft einer sich wehrenden, sterbenden Honigbiene imitiert:
„Es ist fantastisch. Wir konnten feststellen, dass die Pflanze 33 Substanzen nachahmt, die angegriffene Bienen
aus verschiedenen Kopf- und Hinterleibsdrüsen abgeben. Die Lösung des Rätsels, warum die Fliegen
von Blüten der Fallschirm- Leuchterblume angelockt werden, ist der Grundstein zur Aufklärung weiterer
Nistfliegen-Bestäubungssysteme.“
Nistfliegen sind „Futterdiebe“, die ihr Futter normalerweise bei Spinnen oder Gottesanbeterinnen stehlen, sobald
diese eine Honigbiene erbeutet haben. Werden sie allerdings von einer Leuchterblume durch ähnliche Duftstoffe
geködert, fallen die Fliegen in den Blütenkessel. Anstatt hier den ersehnten Sonntagsbraten vorzufinden,
werden die Fliegen etwa 24 Stunden festgehalten, um somit für die Bestäubung der Pflanze zu sorgen. Danach
„spuckt“ die Pflanze ihre Opfer aus und die Fliegen müssen sich erneut auf Futtersuche begeben. Aber auch
für die bereits sehr intensiv erforschte Biene ergaben sich durch diese Untersuchungen neue Erkenntnisse:
In den Duftproben, die von attackierten Bienen gesammelt wurden, konnten Substanzen identifiziert werden, die bisher
bei Honigbienen unbekannt waren.
Die Fallschirm-Leuchterblume, die in Südafrika zu finden ist, ist nur eine von vielen „Täuschpflanzen“,
die Insekten in die Irre führen. „Man kann davon ausgehen, dass es etwa 15.000 Täuschpflanzen gibt, die
ihre Bestäuber nicht mit Nektar, Pollen oder anderem belohnen. Wir versuchen zu entschlüsseln, warum
es so viele dieser Pflanzen gibt und uns interessiert, wie sie sich darauf spezialisiert haben, ihre Bestäuber
anzulocken“, sagt Stefan Dötterl. Das neue Wissen rund um die Bestäubung durch Futterdiebe wird jetzt
genutzt, um zu fragen, inwiefern auch andere Pflanzen diese Strategie wählen. Bei Pfeifenblumen konnte man
etwa nachweisen, dass sie die Inhaltsstoffe von attackierten Wanzen nutzen, um bestäubende Fliegen anzulocken.
Fliegen sind in ihrer Bestäubungsleistung oftmals unterschätzt, denn 15 Prozent aller tierbestäubten
Pflanzen haben sich für ihre sexuelle Reproduktion auf Fliegen spezialisiert. Somit sind sie gleich nach den
Bienen, welche die alleinigen Bestäuber von 20 Prozent der Pflanzen sind, die zweit wichtigsten bestäubenden
Insekten. Zudem bestäuben sie zusammen mit Bienen und anderen Insekten viele weitere Pflanzen, die nicht auf
eine bestimmte Tiergruppe spezialisiert sind. Ein weitaus geringer Anteil von Pflanzen ist für die Übertragung
ihres Pollens von Schmetterlingen, Wespen und Käfern abhängig.
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