Wien (bka) - Der Kunstrückgabebeirat beschloss in seiner Sitzung vom 05.10. drei Empfehlungen. In zwei
Fällen empfiehlt der Beirat Rückgaben: fünf Blätter von Carl Meyer aus der Albertina an die
Erben nach Betty Blum und 363 Objekte aus der Sammlung „Anna Mautner“ des Museums für Volkskunde. Keine Rückgabe
empfiehlt der Beirat zu sechs Blättern von Egon Schiele, die die Albertina im Jahr 1951 von Hubert Jung erwarb.
Die Witwe des Industriellen und Volkskundlers Konrad Mautner (1880-1924), Anna Mautner (1879-1961), wurde vom NS-Regime
als Jüdin verfolgt. Sie musste über Ungarn in die USA fliehen. Anna Mautner und ihr Ehemann waren dem
Museum für Volkskunde als Förderer verbunden. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich
betrieb das Museum die Sicherstellung der Sammlung und erwarb in der Folge Teile der Sammlung, die in mehreren
Tranchen inventarisiert wurden. Da Anna Mautner zum Kreis der verfolgten Personen zählte und die Erwerbungen
überdies im engen Zusammenhang mit der Verfolgung und Flucht von Anna Mautner standen, sah der Beirat die
Voraussetzungen für eine Übereignung der Blätter an die Rechtsnachfolger nach Anna Mautner als erfüllt
an.
Das Ehepaar Noe (1878-1961) und Betty Blum (1875-1967) führten seit dem Jahr 1913 eine Kunsthandlung in München.
Auch sie wurden nach der NS-Machtergreifung als Juden verfolgt. Nach dem Entzug der Gewerbeberechtigung im Oktober
1933 wurde das Geschäft liquidiert und das Ehepaar aus dem Freistaat Bayern ausgewiesen. Seit 1934 lebte die
Familie in Wien. Im Jänner 1938 legte Betty Blum der Albertina die fünf gegenständlichen Blätter
von Carl Meyer vor. Die Albertina kaufte die Zeichnungen im Oktober 1938. 1939 flüchtete das Ehepaar nach
Palästina. Der Beirat sah aufgrund des Verfolgungshintergrundes der Familie Blum die Voraussetzung einer Rückgabe
an die Rechtsnachfolger nach Betty Blum erfüllt.
Im Jahr 1951 erwarb die Albertina laut Inventarbuch von „H. Jung, Jochberg (Hütte) Tirol“ sechs Blätter
von Egon Schiele. Als „H. Jung“ konnte der in Stuttgart geborene Architekt Hubert Jung (1883-1971) identifiziert
werden. Hubert Jung und sein Bruder Hugo Jung waren vor dem Ersten Weltkrieg im Atelier von Josef Hoffmann tätig.
Sie standen in Kontakt zu Egon Schiele und erwarben Werke des Künstlers. Hugo Jung fiel im Ersten Weltkrieg,
Hubert Jung errichtete im Jahr 1920 eine Hütte am Jochberg, Tirol, und erwarb mit seiner Ehefrau Anna einen
Besitz in Zell am See, Salzburg. Im Jahr 1938 übersiedelte das Ehepaar nach Mecklenburg-Vorpommern, Anna Jung
wurde von den Nationalsozialisten als „Halb-Jüdin“ verfolgt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Besitz in
Mecklenburg-Vorpommern enteignet und das Ehepaar floh 1949 in den Westen. Im April 1951 wandte sich Hubert Jung
an die Albertina, um die Zeichnungen zum Kauf anzubieten. Da der Ankauf im Jahr 1951 erfolgte und keine Entziehung
der Blätter anzunehmen ist, ist kein Tatbestand des Kunstrückgabegesetzes erfüllt.
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