Klagenfurt/Wien (gemeindebund) - „In den kommenden Wochen gehen die Verhandlungen zum Finanzausgleich in die
entscheidende Phase“, sagt Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer am 06.10. unmittelbar vor Beginn
des Österreichischen Gemeindetags in Klagenfurt, an dem rund 2.500 Gemeindevertreter/innen aus ganz Österreich
teilnehmen. In einer einstimmig beschlossenen Resolution hat der Bundesvorstand des Gemeindebundes seine Position
klar gelegt. „Unsere Geduld neigt sich ehrlicherweise schön langsam dem Ende zu, die Gemeinden erwarten sich
eine faire und gerechte Abgeltung ihrer vielfältigen Aufgaben. Der Gemeindebund hat viele Vorschläge
eingebracht und Reformen eingefordert, die bei einer Aufgabenreform beginnen und bei einem Abbau bürokratischer
Hürden weitergehen. Uns ist bewusst, dass das komplexe Regelwerk in mehreren Schritten vereinfacht werden
muss. Voraussetzung dafür wäre eine dringend notwendige Neuverteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten
zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Das ist in manchen Bereichen sicherlich sehr einfach machbar, diese
Bereiche sollte man so rasch als möglich fixieren.“
Zum anderen, so Mödlhammer, müsse der neue Finanzausgleich sicherstellen, dass bestehende Vereinbarungen
– wie etwa der Pflegefonds oder die Kofinanzierung der Kinderbetreuung – strukturell abgesichert werden. „Wir haben
oft genug erlebt, dass der Bund Dinge mit Anschubfinanzierungen erzwungen hat, einige Jahre danach die gesamte
Finanzierungsverantwortung den Gemeinden alleine umgehängt hat“, so Mödlhammer. „Das werden wir kein
weiteres Mal zulassen. „Die Gemeinden sind nicht nur politisch, sondern auch organisatorisch das Rückgrat
des Staates. Es hat ja einen Grund, warum wir das mit Abstand höchste Vertrauen bei den Menschen genießen.“
Fast alle Dinge, die im Alltag der Menschen eine Rolle spielen, werden in und von den Gemeinden organisiert und
weitgehend auch finanziert. „Ob Kinderbetreuung, Schulerhaltung, Pflege, Straßenerhaltung, Wasserversorgung,
Abwasser- und Müllentsorgung, Altenbetreuung, Musikschulen, usw.. All das leisten die Gemeinden zur größten
Zufriedenheit der Menschen.“
Für den Finanzausgleich sieht Mödlhammer folgende Punkte als wesentlich an:
- Der Finanzausgleich muss sich verändern, er muss schrittweise einfacher
und gerechter werden. Die Aufgaben, Verantwortungen und Pflichten der Gemeinden haben in den letzten Jahren verändert,
dem muss ein neuer Finanzausgleich Rechnung tragen.
- Ein Teil dieser Gerechtigkeit muss auch die weitere Abflachung bzw. Abschaffung
des abgestuften Bevölkerungsschlüssels sein. Noch immer werden Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern
strukturell bevorzugt. Die Gründe dafür (größere Schäden durch den Krieg) treffen schon
lange nicht mehr zu. Gerechtigkeit besteht auch darin, dass Gemeinden mit Strukturproblemen und schwierigen geographischen
Lagen nicht weiter benachteiligt werden dürfen, genauso wie man funktionierende Systeme nicht zerstören
soll.
- Aufgabenorientierung dort, wo sie außer Streit steht und sofort umgesetzt
werden kann. Der klaren Zuteilung von Aufgaben müssen klare Finanzierungsströme folgen. Eine Kompetenzreform
ist dafür die wichtigste Voraussetzung.
- Zahlungsströme vereinfachen und entflechten. Hunderttausende Zahlungsströme
kosten viel Geld und verstellen den Blick darauf, der die Umsetzungs- und wer die Finanzierungsverantwortung trägt
(Beispiel: Nachmittagsbetreuung, Sprachförderung, etc.).
- Grundsteuerreform endlich umsetzen. Vor fast zwei Jahren hat der Gemeindebund
ein einfaches und nachvollziehbares Modell für eine verfassungsgerechte Grundsteuer auf den Tisch gelegt (Altlengbacher
Modell). Es gibt keine Gründe, dieses Modell nicht rasch zu verhandeln und umzusetzen.
„Die Gemeinden haben in den letzten Jahren viele zusätzliche Aufgaben übernommen, ich denke da an
den Ausbau der Kinderbetreuung, der schulischen Nachmittagsbetreuung oder der Pflege und stehen vor weiteren großen
Herausforderungen, vor allem auch im Bereich der Integration von zehntausenden Flüchtlingen“, sagt Mödlhammer.
„Die Kommunen erwarten daher, dass diese Aufgaben entsprechend abgegolten und sie von Bund und Ländern partnerschaftlich
behandelt werden.“
Besonderer Bedarf bei Abwanderungsgemeinden und strukturschwachen Kommunen:
Auf die besondere Notwendigkeit einer raschen Reform Finanzausgleichs für Abwanderungsgemeinden und strukturschwache
Gemeinden weist Bgm. Peter Stauber, Präsident des Kärntner Gemeindebundes hin. „Der geltende Finanzausgleich
bevorzugt Gemeinden mit einem überdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum. Da Kärnten unterdurchschnittlich
gewachsen ist und langfristig stark an Bevölkerung verlieren wird, gehen Kärntens Gemeinden in Summe
jährlich Finanzmittel verloren. Aber auch viele Gemeinden anderer Bundesländer sind betroffen.“
Bei Abwanderung wirke der abgestufte Bevölkerungsschlüssel (aBS) auf eine besonders perfide Weise: „die
Gemeinden verlieren Ertragsanteile nicht im Verhältnis 1:1 mit den Einwohnern, sondern vervielfacht mit dem
jeweils geltenden Faktor des aBS, zumeist im Verhältnis 1:1,61. Im neuen Finanzausgleich braucht es daher
dringend eine „Demografie-Bremse“, damit Bevölkerungsverluste nicht auf diese Weise durchschlagen können,
denn die Infrastrukturkosten für die Gemeinden bleiben in der Regel trotz Abwanderung dieselben.“
Zusätzlich müssen in strukturschwachen Regionen vermehrt Investitionen gesetzt werden, wenn diese weiterhin
eine Zukunft haben sollen, so Stauber. Nach der Definition des Finanzministeriums gilt ganz Kärnten außerhalb
des Zentralraums als strukturschwach, aber auch weite Teile anderer Bundesländer sind betroffen. „Möchte
man ein wirtschaftliches Auseinanderdriften unterschiedlicher Regionen wie zwischen Nord- und Süditalien vermeiden,
so müssen durch einen auf Landesebene verteilten Strukturfonds gezielte Investitionen gerade in Regionen mit
Aufholbedarf ermöglicht werden. Es geht hier nicht um Klientelpolitik und Lokalkolorit, sondern um die Kohärenz
des Staates, Fairness zwischen Regionen und Gebietskörperschaften, ja um gleichwertige Lebensbedingungen für
die Bürger und um die Vorsorge, dass alle Gemeinden ihre staatlichen Aufgaben weiterhin erfüllen können.“
Dass auch die Gemeinden angehalten sind, ihre Hausaufgaben zu machen und dort, wo dies sinnvoll ist, noch stärker
als bisher auf interkommunale Kooperation setzen sollen (wie z.B. bei der Lohnverrechnung, bei der Nutzung von
Sachverständigen, der Kinderbetreuung oder auch der Abgabeneinhebung), verstehe sich dabei von selbst, so
Stauber. „Bereits jetzt drehen die meisten Gemeinden jeden Euro zweimal um, jedoch gibt es da und dort sicherlich
noch Optimierungspotenziale.“
Gemeinden investieren in Kinderbetreuung und Infrastruktur
Im Vorfeld des Gemeindetages hat der Gemeindebund die Gemeinden zu einigen Themenfeldern außerhalb des Finanzausgleichs
befragt. 479 Gemeinden haben daran teilgenommen, die Befragung ist auch in der Bundesländerverteilung repräsentativ.
Teilgenommen haben Bürgermeister/innen, Mitarbeiter/innen oder Gemeinderät/innen.
„Die Ergebnisse sind zum Teil überraschend“, sagt Gemeindebund-Präsident Mödlhammer. „Sie zeigen
aber auch sehr klar die Prioritäten und Einschätzungen der Gemeinden für die künftige Arbeit
auf.“ Den Ausblick auf die finanzielle und wirtschaftliche Entwicklung in den Gemeinden sehen die Gemeindevertreter
eher nicht rosig. 47 Prozent glauben, dass sich die finanzielle Situation ihrer Gemeinde in den kommenden Jahren
eher verschlechtern wird, weitere 43 Prozent gehen von gleich bleibenden Verhältnissen aus. An eine Verbesserung
der finanziellen und wirtschaftlichen Lage glauben nur neun Prozent.
Klare Aussagen gibt es auf die Frage, in welche Bereiche die Gemeinden in den kommenden Jahren am meisten investieren
wollen und müssen. „Die Errichtung und Instandhaltung der Infrastruktur steht mit großem Abstand an
erster Stelle“, sagt Mödlhammer. 83 Prozent der Gemeinden werden in den kommenden Jahren dafür mehr Geld
als bisher ausgeben müssen. „Das hat sicher auch damit zu tun, dass viele Investitionsvorhaben während
der Finanzkrise aufgeschoben werden mussten. Die Notwendigkeit dieser Investitionen ist aber natürlich weiterhin
da.“
Zweiter großer Investitionsschwerpunkt in den Kommunen ist der Ausbau von Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen.
„Mit der schulischen Nachmittagsbetreuung, aber auch dem Ausbau der Kleinkindbetreuung sind wir in den kommenden
Jahren sehr, sehr stark beansprucht“, so Mödlhammer. 76 Prozent der Gemeinden sehen hier einen großen
Investitionsbedarf. Kopf an Kopf liegen die Investitionsbereiche „Gesundheit, Pflege und Soziales“ (49 Prozent)
und „Umwelt und Energie“ (47 Prozent). „Hier muss man anmerken, dass unter der Kostenstelle „Soziales“ auch die
Gemeindekosten für die Mindestsicherung fallen. Es ist vielfach nicht bekannt, dass die Kommunen im Durchschnitt
die Hälfte der Mindestsicherung finanzieren“, so Mödlhammer.
Die größte Sorge bereitet den Gemeinden die schlechte Wirtschaftsentwicklung. 45 Prozent sehen das mit
großer Besorgnis. „Auch die Arbeitslosigkeit ist in den Überlegungen der Bürgermeister/innen natürlich
ein großes Thema“, so Mödlhammer. „Diese Bereiche gehen natürlich Hand in Hand und jeder hat Sorge,
dass die Arbeitslosigkeit auch in der eigenen Gemeinde steigen könnte. Zu schaffen macht den Ortschefs offensichtlich
auch die mögliche Überalterung ihrer Gemeinde. „Die demographische Entwicklung zeigt ja auch, dass viele
Gemeinden mit Abwanderung und einer daraus resultierenden Überalterung der Bevölkerung umgehen müssen.
Das zieht spürbare Konsequenzen nach sich, da geht es auch um Verkehrswege, um öffentlichen Nahverkehr,
um Einkaufsmöglichkeiten, Pflege, Betreuung, etc.. Das sind alles Dinge, die bei einer überalternden
Gemeinde deutlich an Wichtigkeit gewinnen.“
Kritisch bewerten Österreichs Kommunalpolitiker/innen die Arbeit der Bundesregierung. 67 Prozent sind wenig
oder gar nicht zufrieden mit der Politik auf Bundesebene. „Das ist ein gravierendes Warnsignal“, sagt Mödlhammer.
„Es ist keine Neuigkeit, dass die Kommunalpolitik sehr kritisch gegenüber höheren Ebenen ist, in dieser
Deutlichkeit kenne ich das bislang aber nicht.“ Im Durchschnitt wurden nur 2,11 von 5 möglichen Sternen für
die bundespolitische Arbeit vergeben.
Ein wenig anders sieht die Sache bei der Bewertung der jeweiligen Landesregierungen aus. „Es mag in Wien modern
und üblich sein, die Arbeit der Bundesländer zu verhöhnen oder schlecht zu reden“, so Mödlhammer.
„In den Gemeinden sieht man das anders. Dort sind nur 33 Prozent unzufrieden, der Rest findet, dass in den Ländern
ganz ordentlich gearbeitet wird.
Zufrieden sind die Ortschef/innen mit der Anerkennung, die sie in der eigenen Gemeinde erfahren. 63 Prozent haben
angegeben, dass die Leistungen der Gemeinde von der Bevölkerung in überwiegendem Ausmaß gewürdigt
werden. „Dieser Wert war vor neun Jahren – als wir zuletzt hier in Klagenfurt einen Gemeindetag hatten – ähnlich
hoch“, erinnert sich Mödlhammer. Die Arbeitsbelastung, die Verantwortung und die Schwierigkeit der kommunalen
Arbeit seien in den letzten Jahren aber deutlich gestiegen. 78 Prozent geben an, dass ihre Arbeit sehr viel schwerer
geworden sei.
„Insgesamt gibt uns diese Blitz-Befragung einen guten Überblick darüber, in welche Richtung die Gemeinden
in den kommenden Jahren arbeiten werden“, so Mödlhammer. „Und sie zeigt auch, dass in den Kommunen Pragmatismus
und Hausverstand die wichtigsten Eigenschaften sind. Unsere Gemeindevertreter/innen arbeiten die Themen, die anstehen,
unaufgeregt und lösungsorientiert ab. Das würden wir uns in höherem Ausmaß auch von der Bundespolitik
wünschen.“
Der 63. Österreichische Gemeindetag beginnt am 06.10. in Klagenfurt und endet am 07.10. zu Mittag. Rund 2.500
Gemeindevertreter/innen aus ganz Österreich nehmen am größten kommunalpolitischen Event des Jahres
teil. Zu Gast sind u.a. Finanzminister Hans-Jörg Schelling, Innenminister Wolfgang Sobotka, Verteidigungsminister
Hans-Peter Doskozil, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter und der Kärntner Landeshauptmann Peter
Kaiser.
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