Erfolgreiches erstes Schiele Symposium im Leopold Museum
Wien (leopoldmuseum) - Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Werk und der Persönlichkeit des bedeutenden
österreichischen Expressionisten Egon Schiele (1890—1918) bot das erste „Egon Schiele-Symposium“ des Leopold
Museum am 29. und 30. September 2016. Hans-Peter Wipplinger eröffnete die Tagung, deren Auftakt eine kritische
Rede des Kunsttheoretikers Bazon Brock bildete.
Unter dem Titel „Schiele-Lehmbruck: Eine Parallelaktion der anderen Art. Alle Bildwirkung ist pornogafisch“ erläuterte
Brock das Schaffen eines Kunstwerkes als Setzungshandlung im Fichtschen Sinn. Als Konsequenz daraus müssten
wir, die Betrachtenden, uns vor dem Kunstwerk beweisen und nicht umgekehrt das Werk sich uns erklären. Den
perfekten Zündstoff für diese Position liefert Egon Schiele selbst, wenn er seinem Onkel Leopold Czihaczek
1911 schreibt: „Wer verlangt, daß ihm ein Kunstwerk erklärt werden soll, dem soll nicht Folge geleistet
werden…“.
Für Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger ist das Leopold Museum, mit seiner weltweit größten
und bedeutendsten Schiele-Sammlung, dem Schiele-Dokumentationszentrum und der Datenbank der Schiele-Autographen
der ideale Ort für Begegnung und Diskurs im Zeichen von Egon Schiele. Könne man doch hier, wie in keinem
anderen Haus die theoretischen Ansätze an Hand der in der Sammlungsausstellung chronologisch präsentierten
Originale überprüfen.
Die gut besuchte Veranstaltung beleuchtete verschiedenste Facetten im Schaffen Egon Schieles, so etwa den Zeichner,
den Maler oder den sich im Medium der Fotografie dokumentierenden Künstler.
Stiftungsvorstand Elisabeth Leopold beleuchtete zum Auftakt des zweiten Symposiumstages in Ihrem Vortrag „Ich bin
durch Klimt gegangen“ den Einfluss von Gustav Klimt auf Egon Schiele, die tiefe Verehrung Schieles für den
Secessionsgründer und die Überwindung Klimts durch Schiele hin zum eigenständigen Ausdruckskünstler.
Literaturwissenschaftler Stefan Kutzenberger (Leopold Museum) zog in seinem Beitrag „Selbstdarstellung und Pose.
Egon Schiele und die Literatur seiner Zeit“ Parallelen zwischen den introspektiven Selbstdarstellungen des 1890
geborenen Egon Schiele und der literarischen Figur des Dorian Gray aus Oscar Wildes ebenfalls im Jahr 1890 erschienenem
Roman.
Kunsthaus Zug-Direktor Matthias Haldemann analysierte in seinem Vortrag „Rhetorik der Fläche – Zur Bildlichkeit
von Schieles Zeichnung“ die Bedeutung der freien Fläche im zeichnerischen Œuvre Schieles. Fotoexpertin Monika
Faber, Direktorin des „Photoinstitut Bonartes“ widmete sich der „Selbstverständlichkeit Photographie“. Künstler
im späteren 19. Jahrhundert und um 1900, unter Ihnen auch Klimt und Kokoschka verwendeten die Fotografie belegbar
als Vorlage und Inspirationsquelle in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entstehen Ihrer Gemälde und Zeichnungen.
Schiele hingegen arbeitete zwar in Bezug auf seine Selbstinszenierung mit diesem Medium, für seine Motivgenerierung
hatte die Fotografie jedoch weniger Relevanz.
Wien Museum-Kurator Ralph Gleis betrachtete Berührungspunkte in den Werken von Giovanni Segantini, Ferdinand
Hodler und Egon Schiele in seinem Symposiumsbeitrag „Schiele. Hodler und Segantini. Die beseelte Natur im Symbolismus
und Expressionismus“. Bundes-Provenienzforscherin Sonja Niederacher, die als unabhängige Historikerin seit
2008 den Schiele-Bestand des Leopold Museum beforscht, gab in Ihrem Vortrag „Egon Schiele und die historischen
Zeitläufte des 20. Jahrhunderts“ einen detaillierten Überblick über die Entwicklung der Schiele-Rezeption
in Österreich, den USA und Großbritannien und stellte diese in einen Zusammenhang mit den großen
Zäsuren in der österreichischen Geschichte. Franz Smola, Sammlungskurator des Leopold Museum sprach in
seinem Beitrag über die Besonderheiten von Schieles farbigen Blättern. Die von Sammlern und Kennern besonders
geschätzten farbigen Zeichnungen so etwa Gouachen und Aquarelle stellen eine wichtige Gruppe im Werk des Künstlers
dar.
Zum Abschluss des Schiele-Symposiums erörterte der Philosoph Prof. Allan Janik (Universität Innsbruck),
Vorstand der Wittgenstein Initiative, Wien im Gespräch mit Prof. Carla Carmona Escalera (Universidad de Extremadura)
„Schiele’s Place in Wittgenstein’s Vienna“.
Zu dem von Birgit Summerauer (Leiterin des Egon Schiele-Dokumentationszentrums) und Stefan Kutzenberger (Bibliothek/Archiv
Leopold Museum) organisierten Symposium kamen unter anderem Leopold Museum-Vorstand Carl Aigner, Freud Museum-Direktorin
Monika Pessler, Landesgalerie Niederösterreich-Direktor Christian Bauer, das Sammlerehepaar Diethard und Waltraud
Leopold, die Kuratorinnen Eva Badura (mumok) Ursula Storch (Wien Museum), Antonia Hörschlmann (Albertina)
Kerstin Jesse (Belvedere) und Karin Rhein (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt), Bernadette Reinhold, Leiterin
des Oskar Kokoschka-Zentrums, Patrick Werkner, Leiter der Kunstsammlung der Universität für angewandte
Kunst, Wien, Klimt- und Schiele-Experte Tobias G. Natter (Natter Fine Arts), die Wittgenstein Initiative-Vorstände
Françoise Stonborough, Gabriela Haffner und Radmila Schweitzer, Generalsekretärin der Wittgenstein
Initiative, Galerist Alexander Giese, Kurator Karol Winiarczyk, der Künstler Gregor Schmoll, Robert Seydel
(Wien Tourismus), Sammlerin Christine Kamm, Porzellanmuseum im Augarten-Leiterin Marina Yolbulur-Nissim, Leopold
Birstinger (Vorstand Freunde des Leopold Museum), u. v. a.
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