Nanotechnologisches Verfahren der Uni Graz rettet Papier vor dem Zerfall
Graz (universität) - Die österreichischen Archive sind mit etwa 1,5 Millionen Büchern und
Dokumenten prall gefüllt. Doch rund 80 Prozent des kulturellen Erbes, das zwischen 1850 und 1950 entstanden
ist, könnten buchstäblich zwischen den Fingern zerbröseln. Denn in diesen 100 Jahren wurde Alaun
als Hilfsmittel in der westlichen Papierproduktion eingesetzt – mit drastischen Spätfolgen: Die chemische
Verbindung löst sich auf und damit einen fatalen Prozess aus. Denn eines der Zerfallsprodukte ist Schwefelsäure,
die wiederum die Zellulose zersetzt. Dadurch gehen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wertvolle und historische
Papier-Dokumente, darunter viele aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, unwiederbringlich verloren. In ganz Europa
sind rund 40 Millionen Artefakte von der Zerstörung bedroht.
Die Erfindung eines ForscherInnenteams der Uni Graz kann den folgenschweren Verfall stoppen. Die WissenschafterInnen
haben in Kooperation mit der Restaurationsexpertin Dr. hab. Patricia Engel von der Donau-Universität Krems
eine Anlage entwickelt, die schon bald die Kulturgüter großflächig und kostengünstig retten
und gleichzeitig reinigen soll. Der Prototyp der „Bücher-Waschmaschine“ ist nun für den Einsatz bereit.
Ao.Univ.-Prof.i.R. Dr. Volker Ribitsch erklärt das von ihm erfundene und von der Uni Graz patentierte Verfahren:
„Ein flüssiges Lösungsmittel wird mit Nanopartikeln versehen, mit Stickstoff angereichert und in einem
Kessel unter Druck gesetzt. So erreicht man eine nahezu homogene Verteilung der winzigen Saubermacher-Teilchen.“
Im eigens konstruierten Prototypen, der 20 Liter fasst, haben bis zu sechs Druckwerke im Taschenbuchformat Platz.
Schneller als in jeder Waschmaschine läuft ein Zyklus dann ab: Ein Reinigungsdurchgang dauert gerade einmal
30 Minuten.
Ribitsch nennt weitere Vorteile gegenüber bekannten Systemen: „Das verwendete Lösungsmittel hat eine
sehr geringe Oberflächenspannung sowie einen niedrigen Siedepunkt. Es kann daher mit minimalem Energieaufwand
gereinigt und schließlich mehr als fünfmal wiederverwendet werden.“ Da keine wässrigen Lösungsmittel
zum Einsatz kommen, entfällt ein langwieriger Trocknungsprozess. Nach ein bis zwei Stunden kann das Druckwerk
wieder benutzt werden. Sowohl Buchstaben als auch Bilder bleiben völlig unverändert.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft unterstützt die Entwicklung des Prototypen
im Rahmen der Förderschiene PRIZE – umgesetzt vom Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) – mit 150.000 Euro.
„Es handelt sich um ein mobiles Gerät, das den Einsatz vor Ort ermöglicht und damit die Methode um ein
Vielfaches einfacher, nachhaltiger sowie günstiger gestaltet als andere“, unterstreicht Ribitsch. Die niederösterreichische
Druckerei Berger und das Jaidhof’sche Forstgut planen derzeit die Gründung eines Unternehmens, das die Erfindung
serienreif umsetzen und als Dienstleistung anbieten will.
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