Johannes Hahn für Globalisierung mit europäischer Dimension
Brüssel/Wien (pk) - Europa ist nach wie vor der mit Abstand attraktivste Markt und sollte sich seiner
starken Verhandlungsposition bewusst sein. Bei seinem Treffen mit österreichischen Abgeordneten im Parlament
unter Leitung des Zweitem Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf am 03.10. sah der für Nachbarschaftspolitik
und EU-Erweiterung zuständige Kommissar Johannes Hahn die EU aufgerufen, in internationalen Vertragsverhandlungen
dafür zu sorgen, dass die hohen europäischen Standards sichergestellt und von den Partnern übernommen
werden. In der Migrationskrise wiederum plädierte er für Hilfe vor Ort, um den Menschen bessere Lebensperspektiven
anzubieten. Beim Thema EU-Erweiterung ortet Hahn Fortschritte in allen Ländern des Westbalkans, rechnet aber
aus heutiger Sicht nicht mit aktuellen Beitritten.
Hahn: Europa kann stolz auf seine Standards sein
Die Mitgestaltung der Globalisierung liege im eigenen europäischen Interesse, mahnte der Kommissar und bemerkte,
Europa könne auf seine Standards stolz sein. Nun gelte es, durch umfassende Verträge – so etwa bei den
Freihandelsabkommen – diese europäische Dimension zu wahren. Hahn erinnerte in diesem Zusammenhang, dass Europa
mit 7-8% der Weltbevölkerung 23% an globaler Wirtschaftsleistung erbringt und über 40% an Sozialleistungen
weltweit finanziert. Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Dies gilt, wie Hahn gegenüber
den Abgeordneten Werner Kogler (G) und Josef Cap (S) versicherte, sowohl für CETA als auch für das Verhältnis
zu Russland. Beim Brexit wieder teilte der EU-Kommissar die Meinung von ÖVP-Mandatarin Brigitte Jank, wonach
es keine "Extrawürste" für London geben dürfe.
EU-Fonds für Afrika als Antwort auf Migrationsdruck
Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise appellierten die Abgeordneten Christoph Vavrik (N) und Barbara Rosenkranz
(F) an die EU, eine klare Unterscheidung zwischen Migrationspolitik und Asylpolitik zu treffen. Bei entsprechend
gutem Willen sollte eine gemeinsame Asylpolitik möglich sein, meinte Hahn, zeigte sich allerdings angesichts
der unterschiedlichen Arbeitsmarktsituation skeptisch über die Erfolgschancen einer einheitlichen Migrationspolitik.
Das Problem der Migration muss "an der Wurzel gepackt werden", ist sich der EU-Kommissar bewusst. Durch
Hilfe vor Ort soll die Perspektive der Menschen verbessert und dadurch dem Migrationsdruck entgegengewirkt werden.
Konkret kündigte Hahn nach Vorbild des Juncker-Fonds einen Fonds für den afrikanischen Raum an, der die
Absicherung und Unterstützung von Privatinvestitionen zum Ziel hat. Unterstützung fand diese Idee auch
bei SPÖ-Abgeordnetem Hannes Weninger, der allerdings ebenso wie Alev Korun (G) faire Handelsbedingungen einmahnte.
Die Menschenrechtssprecherin der Grünen gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, Verträge wie das Fischereiabkommen
der EU mit dem Senegal würden die wirtschaftliche Basis der einheimischen Bevölkerung beeinträchtigen
und ihrerseits zur Migration beitragen.
Die EU sollte die von Hahn angesprochene starke Verhandlungsposition für Rückübernahmeabkommen mit
nordafrikanischen Staaten nützen, forderten die FPÖ-Abgeordneten Johannes Hübner und Andreas Karlsböck.
Die Kommission habe vom Rat ein diesbezügliches Verhandlungsmandat erhalten, das auch die Rücknahme von
Drittstaatsangehörigen umfasst, erklärte Hahn. Doch gerade bei diesem Punkt stoße man auf den Widerstand
Marokkos und Algeriens. Asylzentren in Nordafrika, wie dies etwa von Bundesrat Gerald Zelina (T) vorgeschlagen
wurde, scheitern nach den Worten Hahns an der praktischen Umsetzbarkeit und am Fehlen von geeigneten Gesprächspartnern.
Zum Standpunkt Ungarns in der Flüchtlingsfrage hielt Hahn fest, zunächst gelte es, das Verfahren vor
dem EuGH über die Anfechtung des Verteilungsbeschlusses durch Budapest abzuwarten. Sollte dabei festgestellt
werden, dass Ungarn EU-Recht verletzt, dann müsse die EU der Rechtsstaatlichkeit jedenfalls zum Durchbruch
verhelfen.
Hahn: EU-Beitritte aus heutiger Sicht nicht aktuell
Zur EU-Erweiterung meinte Hahn, es gebe in allen Ländern des Westbalkans Fortschritte, man setze auf verstärkte
Kooperation. Aus heutiger Sicht seien Beitritte aber nicht aktuell. Es reiche nicht aus, die von Brüssel geforderten
rechtlichen Adaptierungen umzusetzen, wichtig sei die Nachhaltigkeit. So gebe es etwa bei der Korruptionsbekämpfung
noch zahlreiche Defizite. Bei der Türkei sprach Hahn von einer gut funktionierenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit,
der allerdings Spannungen auf der politischen Ebene gegenüberstehen. Die Türkei als Kandidatenland müsse
akzeptieren, dass auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit höhere Standards angelegt werden. Die Umsetzung des
Flüchtlingsabkommens mit Ankara sieht Hahn hingegen durchaus positiv. Von zentraler Bedeutung sei es nun,
dass die von der EU zugesagten 3 Mrd. € in den Flüchtlingslagern und in den türkischen Gebieten mit überdurchschnittlich
hohem Flüchtlingsanteil ankommen.
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