SPÖ legt sich noch nicht fest, ÖVP und NEOS klare Befürworter des Freihandelsabkommens
– Auch zahlreiche Gemeinden machen gegen TTIP und CETA mobil
Wien (pk) - Bei einem Schlagabtausch in Sachen CETA im Nationalrat beharrten die einzelnen Fraktionen am
12.10. auf ihren bereits bekannten Standpunkten. Während die Redner von ÖVP und NEOS die damit verbundenen
Chancen und positiven Effekte auf den Arbeitsmarkt betonten, legte sich die SPÖ noch nicht fest. Die Grünen
erinnerten an die Stellungnahme der Bundesländer, wonach keine Zustimmung möglich sei, wenn im Vertrag
Schiedsgerichte vorgesehen sind. Die Regierung müsse daher noch nachverhandeln und diverse "Giftzähne"
ziehen. Auch das Team Stronach forderte Bundeskanzler Kern auf, Haltung zu zeigen und im EU-Rat gegen CETA zu stimmen,
da durch diesen Vertrag Jobs vernichtet würden. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sprach von einem "guten
Abkommen" und sah die Reputation der EU in Gefahr, wenn es zu keinem Abschluss von CETA kommen sollte.
Grundlage für die Diskussion war ein Bericht des Wirtschaftsausschusses über das Stenographische Protokoll
der Parlamentarischen Enquete zum Thema "CETA und TTIP – Die Freihandelsabkommen der EU und ihrer Mitgliedstaaten
mit Kanada und den USA" ( III-305 d.B.), der mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde.
SPÖ will weitere Nachbesserungen und legt sich noch nicht fest
Ein Abkommen, das die Grundfesten der europäischen Lebensqualität gefährden könnte, ist nicht
akzeptabel, unterstrich Christoph Matznetter von der SPÖ. Wien werde seit Jahren nicht deshalb als eine der
lebenswertesten Städte der Welt bezeichnet, weil dies "wie Manna vom Himmel fällt", sondern
weil die öffentliche Daseinsvorsorge – von der Kinderbetreuung, der Wasser- und Energieversorgung bis hin
zum Wohnen – auf lokaler Ebene bestens organisiert ist. Die Positionen von Bundeskanzler Kern, der als einziger
wesentliche Veränderungen beim CETA-Vertrag erreicht hat, seien daher richtig und zielführend. Die mit
Juncker ausverhandelte Deklaration sei auch absolut rechtsverbindlich, war Matznetter überzeugt. Anerkennen
sollte man dennoch auch, dass sich die Verhandlungspartner bewegt haben und Kanada inzwischen die ILO-Kernarbeitsnormen
akzeptiert hat. Kritik übte Matznetter an den Aussagen von Hofer, wonach dieser – falls er Bundespräsident
wird – CETA nicht unterzeichnen würde. Dies wäre "ein Verfassungsbruch gigantischen Ausmaßes",
da der Bundespräsident nur das verfassungsmäßige Zustandekommen prüfen muss. Für einen
nüchterneren Zugang zum Thema plädierte Kai Jan Krainer (S), da die Welt nicht untergehen werde, egal
ob CETA nun in Kraft tritt oder nicht. Es habe auch keiner Angst vor der kanadischen Regierung oder dem kanadischen
Volk. Hinterfragen müsse man aber die Sonderrechte, die Konzernen eingeräumt würden. Es werde in
den nächsten Tagen darum gehen, auf weitergehende Nachbesserungen beim Zusatzprotokoll zu drängen, stellte
Christine Muttonen (S) fest; davon sei es dann abhängig, ob der Vertrag annehmbar ist oder nicht.
ÖVP: CETA ist eine Chance, die Globalisierung mitzugestalten
Die Aufgabe der Wirtschaft sei es, Brücken zu bauen und nicht Gräben zu ziehen, so ÖVP-Abgeordneter
Peter Haubner. Mit CETA seien große Chancen für beide Vertragspartner verbunden, war der Redner überzeugt,
der vor allem den positiven Effekt auf den Arbeitsmarkt hervorhob. Die pauschale Kritik sei wirklich nicht nachzuvollziehen,
zumal mit allen Handelsabkommen der letzten Jahre keine negativen Erfahrungen gemacht wurden. Sogar der deutsche
SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel verteidigte CETA, weil damit erstmals vernünftige Regelungen für die Globalisierung
geschaffen werden. Zu einem ähnlichen Befund kam Angelika Winzig (V). Die österreichischen Firmen verdienen
sechs von zehn Euro im Ausland, jeder zweite Arbeitsplatz hänge direkt oder indirekt von der Ausfuhrwirtschaft
ab. Beatrix Karl (V) beleuchtete aus rechtswissenschaftlicher Sicht einige "Mythen", die sich um CETA
ranken, während Hermann Schultes (V) den Grünen und der FPÖ vorwarf, mit ihrer Ablehnung eigentlich
andere Ziele zu verfolgen. Die Linken sind offenbar dagegen, dass es Spielregeln für Leute gibt, die als Unternehmer
bereit sind, persönliches Risiko zu übernehmen; und die Rechten wollten die politischen Führungskräfte
verunglimpfen.
Mitterlehner: "CETA ist ein gutes Abkommen"
Österreich habe derzeit 97 Freihandels- bzw. Investitionsschutzabkommen, informierte Wirtschaftsminister und
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, und damit in den letzten Jahren noch nie ein Problem gehabt. CETA sei nun ein
weiterer Vertrag, der laut Experten noch dazu einer der besten ist, der jemals ausverhandelt wurde. Es sei richtig,
dass dadurch nicht die "Wahnsinnsgewinne" zu erwarten sind, zumal Kanada nur 37 Millionen EinwohnerInnen
hat, räumte der Minister ein. Er halte es aber für wichtig, dass im Zeitalter der Globalisierung verbindliche
Spielregeln entwickelt werden, die für beide Seiten Vorteile bringen. Die EU-Kommission habe zudem klar festgestellt,
dass die Anwendbarkeit der Schiedsgerichte den nationalen Parlamenten vorbehalten ist. Unter Hinweis auf konkrete
Textpassagen verdeutlichte der Vizekanzler, dass weder die Daseinsvorsorge, noch die hohen europäischen Arbeits-,
Sozial- und Konsumentenschutzstandards gefährdet sind. Die EU würde ihre Reputation aufs Spiel setzen,
wenn sie dem Vertragswerk nicht zustimmt, war Mitterlehner überzeugt.
FPÖ: Österreich soll Flagge zeigen und Abkommen nicht ratifizieren
Der freiheitliche Mandatar Johannes Hübner zeigte sich erstaunt darüber, dass die zahlreichen kritischen
Erkenntnisse aus der Enquete nicht zu einer Änderung der politischen Haltung bei den Verantwortlichen in der
Regierung geführt haben. Bundeskanzler Christian Kern habe zwar zunächst in diversen Interviews und Zeitungskommentaren
klare Worte gefunden, sei aber nach den Gesprächen mit Juncker nun wieder zurückgerudert. Seiner Meinung
nach wurden durch den sogenannten Beipacktext keine wirklichen Fortschritte erzielt. CETA könne etwa noch
immer von amerikanischen Firmen dazu benutzt werden, um durch die Hintertür Zugang zum europäischen Markt
zu erhalten. Generell sei das ganze Procedere rund um CETA und TTIP – geheime Verhandlungen, fehlende Transparenz,
mangelnde Einbindung der Bevölkerung und der Parlamente, demokratische Parallelstrukturen, etc. – nicht dazu
angetan, das Vertrauen der BürgerInnen in die Politik zu stärken, urteilte Axel Kassegger (F). Er befürchtete
zudem negative Auswirkungen auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die man einer großen
Konkurrenz aussetzen würde. Ganz klar sprachen sich die Freiheitlichen – u.a. auch Wolfgang Klinger (F) -
gegen die Einrichtung von Schiedsgerichten aus, die nicht notwendig sind und zudem hohe Kosten für die Betroffenen
verursachen würden. In einem Entschließungsantrag wird die Bundesregierung aufgefordert, auf europäischer
Ebene im Sinne der Wahrnehmung der Interessen und des Schutzes der österreichischen Bevölkerung Position
gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA zu beziehen sowie beiden eine klare Absage zu erteilen.
Grüne warnen vor den Schiedsgerichten und befürchten Gefährdung des Vorsorgeprinzips
CETA sei viel mehr als nur ein Handelsvertrag, nämlich ein Regulierungs- bzw. Deregulierungsabkommen, gab
Werner Kogler von den Grünen zu bedenken. Man sollte daher auch so ehrlich sein und diese Dinge beim Namen
nennen. Bei der Enquete sei auch herausgekommen, dass die zu erwartenden ökonomischen Effekte minimal sind.
Im Gegenzug würde man aber sehr viele Nachteile in Kauf nehmen, argumentierte Kogler, wie z.B. die Einrichtung
von Schiedsgerichten oder das "Durchbrechen des Vorsorgeprinzips" durch die Festlegung des sogenannten
"wissenschaftsbasierten Ansatzes". Diese Gefahren seien nach Ansicht von Kogler auch nicht durch die
Formulierungen im "Beipacktext" gebannt. Außerdem wies er darauf hin, dass die Bundesländer
eine bindende Stellungnahme abgegeben haben, wonach die Regierung nicht zustimmen dürfe, wenn im Vertrag Schiedsgerichte
vorgesehen sind. Es sei bedauerlich, dass Wirtschaftsminister Mitterlehner die Befürchtungen vieler BürgerInnen
nicht ernst nehme, konstatierte G-Mandatar Wolfgang Pirklhuber. Dass ihre Sorgen sehr wohl berechtigt sind, werde
u.a. durch die enorme Zunahme an Klagen von Konzernen gegenüber Staaten belegt. Äußerst kritisch
beurteilte er auch die Tatsache, dass ausländische Investoren sofort Schadenersatz einfordern können
und nicht erst – wie üblich - die Rechtswidrigkeit feststellen lassen müssen. Die Grünen stehen
für fairen und vernünftigen Handel, unterstrich Pirklhuber, aber dafür müssen noch einige Giftzähne
gezogen werden. Er brachte daher einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung ersucht wird,
keinen Beschluss zur Unterzeichnung von CETA zu fassen und sich in den nächsten Monaten für Verbesserungen
(Streichung der Schiedsgerichte, Verankerung des Vorsorgeprinzips, Herausnahme der öffentlichen Dienstleistungen)
einzusetzen; dafür gelte es Allianzen mit anderen EU-Staaten zu bilden.
NEOS fordern mehr Sachlichkeit in der Debatte und die Unterzeichnung von CETA
Eine völlig andere Meinung vertraten die NEOS, die für den baldigen Abschluss von CETA plädierten.
Matthias Strolz sprach angesichts der Debattenbeiträge von einer "unheiligen Allianz zwischen Links-
und Rechtspopulisten", die nur schwer auszuhalten sei. Auch sein Kollege Josef Schellhorn (N) forderte mehr
Sachlichkeit in der Diskussioin, die derzeit vor allem durch populistische Äußerungen geprägt sei.
So gebe es etwa keine Sonderklagsrechte für Konzerne, obwohl das immer wieder behauptet wird. Bundeskanzler
Kern müsse nun an der Hand geführt werden, damit er aus der Sackgasse, in die er sich selbst gebracht
hat, wieder heraus kommt. Wenn die EU den Deal mit Kanada nicht genehmigt, dann müsse man sich fragen, mit
wem die EU überhaupt noch Handelsabkommen abschließen kann. Claudia Angela Gamon (N) bezeichnete die
KritikerInnen in den Reihen der Grünen und der FPÖ als "Zukunftsfeinde und Fortschrittsverweigerer",
weil durch ihre Ablehnung des Freihandels der nächsten Generation jener Wohlstand verweigert werde, den sie
selbst jetzt genießen. Es sei völlig absurd, sich gerade mit Kanada, das eine linksliberale Regierung
und sicher kein Interesse an einer Absenkung von Standards hat, zu matchen.
Team Stronach ist gegen CETA, da Arbeitsplätze vernichtet werden
Ihre Fraktion könnte es sich leicht machen und CETA voll unterstützen, da die Autozulieferindustrie zu
den großen Gewinnern des Abkommens zählen würde, erklärte Waltraud Dietrich. Als EU-Sprecherin
ihrer Partei sehe sie aber auch ganz deutlich die zunehmende Skepsis gegenüber der Europäischen Union,
die letztlich im Brexit gegipfelt sei. Immer mehr Menschen müssen nämlich feststellen, dass sie nicht
zu den Gewinnern der Globalisierung gehören, zeigte die Rednerin auf. Die zentrale Frage, die auch für
Frank Stronach im Mittelpunkt steht, sei, werden Arbeitsplätze geschaffen oder vernichtet? Eine aktuelle Studie
aus den USA kommt dabei zum Schluss, dass in Europa bis 2023 200.000 Jobs verloren gehen werden, in Kanada etwa
30.000. Auch Leopold Steinbichler konnte die Befürchtungen der BürgerInnen gegenüber CETA gut nachvollziehen,
da von Seiten der BefürworterInnen gebetsmühlenartig dieselben Argumente wiederholt werden. Außerdem
wies er den Vizekanzler darauf hin, dass Frank Stronach es auch ohne CETA und TTIP geschafft hat, ein sehr erfolgreiches
internationales Unternehmen aufzubauen.
Abgeordneter Rupert Doppler (o.F) schloss sich den Kritikern bezüglich CETA an, da es weit über ein Freihandelsabkommen
hinausgeht. Seiner Einschätzung nach stehen dabei die Interessen der Großkonzerne im Vordergrund und
nicht jene der BürgerInnen, der KMU oder der Landwirtschaft. Auch Gerhard Schmid (o.F.) sah nicht ein, warum
Österreich, das für seine hohen Standards bekannt sei, diese den Interessen von Konzernen opfern sollte.
Außerdem befürchtete er, dass gentechnisch-manipulierte Billigprodukte den heimischen Markt überfluten
werden.
Bei der Abstimmung fanden die Entschließungsanträge der FPÖ und der Grünen keine Mehrheit.
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Nationalrat befasst sich am Ende der Sitzung mit Petitionen und Bürgerinitiativen
Zum Ende der Sitzung ging es noch einmal um TTIP und CETA. Nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen,
auch zahlreiche Gemeinden wie Schwaz, Paternion und Spittal an der Drau sind besorgt, dass durch die Freihandelsabkommen
die hohen österreichischen und europäischen Standards, etwa in Sachen Konsumentenschutz und Lebensmittelsicherheit,
in Gefahr sein könnten. Mit insgesamt neun derartigen Resolutionen hat sich der Petitionsausschuss des Nationalrats
auf Initiative von Grün-Abgeordnetem Wolfgang Pirklhuber auseinandergesetzt. Der entsprechende Ausschussbericht
wurde vom Plenum mehrheitlich zur Kenntnis genommen.
Gegenstand des Berichts sind auch andere Bürgeranliegen. So haben sich etwa tausende BürgerInnen für
die verfassungsrechtliche Absicherung von Bargeld als Zahlungsmittel stark gemacht. Ebenso fand die Forderung nach
einem günstigen Öffi-Ticket für Studierende großen Widerhall. Weitere Initiativen betreffen
etwa eine menschenwürdige Aufnahme von AsylwerberInnen, die Bereitstellung eines ausreichenden Budgets für
das Bundesheer und die Beibehaltung von Sonderschulen bzw. Sonderschulklassen in Modellregionen für die Gesamtschule.
Ebenfalls aus dem Schulbereich stammt die Forderung, die Mitwirkungsrechte der Schulpartner bei der Umwandlung
von Neuen Mittelschulen bzw. Gymnasien in eine gemeinsame Schule nicht einzuschränken.
In der Debatte wiesen Hermann Lipitsch (S) und Michael Bernhard (N) darauf hin, dass sich das österreichische
Parlament intensiv mit CETA und TTIP befasst habe. Es habe nicht nur eine Parlamentarische Enquete, sondern auch
ein Hearing im Petitionsausschuss gegeben. Bernhard begrüßte in diesem Zusammenhang den direkten Austausch
mit einzelnen Gemeinden. Das Engagement der Kommunen wurde ausdrücklich auch von Wolfgang Pirklhuber (G) und
Leopold Steinbichler (T) begrüßt.
FPÖ warnt vor Abschaffung von Bargeld und fordert Beibehaltung von Sonderschulen
Der Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Absicherung des Zahlungsverkehrs mit Bargeld schlossen sich Christian
Hafenecker (F) und Rupert Doppler (o.F.) an. Die EU wolle die BürgerInnen in die elektronische Zahlung treiben
und so vollständig überwachbar machen, glaubt Hafenecker. Zudem hätte sie in Krisenzeiten Kontrolle
über das Geld. Als Indizien für seinen Verdacht nannte der Abgeordnete die geplante Abschaffung des 500-Euro-Scheins
und die in Diskussion stehende Einführung einer Bargeldgrenze. ÖVP-Abgeordneter Erwin Rasinger kann allerdings
keine Pläne der EU zur Abschaffung des Bargelds ausmachen. Auch das Finanzministerium sei für die Beibehaltung
des uneingeschränkten Bargeldverkehrs, bekräftigte er.
Edith Mühlberghuber (F) unterstützte die Forderung nach Einführung eines leistbaren österreichweiten
Studierendentickets für den öffentlichen Verkehr. Es sei an der Zeit, das schon seit Jahren diskutierte
Anliegen endlich umzusetzen, meinte sie. Verständnis für das Anliegen zeigte auch Norbert Sieber (V),
er gab aber zu bedenken, dass eine Ausweitung des in der Ostregion erhältlichen TOP-Jugendtickets auf das
gesamte Bundesgebiet 150 Mio. € kosten würde.
Mühlberghubers Fraktionskollege Gerhard Hauser sagte zur Bürgerinitiative Nr. 102, nicht alle Kinder
mit Behinderung könnten in das Regelschulwesen eingegliedert werden. Wolle man Eltern die Wahlfreiheit lassen,
müssten sonderpädagogische Zentren erhalten bleiben. Dem schloss sich auch ÖVP-Abgeordnete Martina
Diesner-Wais im Grundsatz an. Das Neue dürfe nicht der Feind des Bewährten sein, warnte sie. Es werde
von den LehrerInnen in den Sonderschulen hervorragende Arbeit geleistet.
Ulrike Königsberger-Ludwig (S) gab demgegenüber zu bedenken, dass sowohl der Nationale Aktionsplan für
Menschen mit Behinderung als auch die UN-Behindertenrechtskonvention die Bedeutung eines inklusiven Schulangebots
unterstreichen. Man solle auch die Chance einer gemeinsamen Schule sehen. Johann Hechtl begrüßte in
diesem Zusammenhang die höheren Budgetmittel für den Bildungsbereich.
Assistierter Suizid: ÖVP sieht keinen Bedarf für Gesetzesänderung
Mit der an den Justizausschuss weitergeleiteten Petition Nr. 73 befasste sich Wolfgang Gerstl (V). Er wies darauf
hin, dass in Österreich noch nie jemand wegen assistiertem Suizid oder wegen Tötung auf Verlangen verurteilt
worden sei. Für eine Gesetzesänderung sieht er keinen Bedarf. Anhand aktueller Zahlen aus den Niederlanden,
wo Töten auf Verlangen erlaubt ist, warnte er vor Fehlentwicklungen. Dort würden täglich durchschnittlich
14 Personen mit fremder Hilfe getötet. Wichtig wäre es Gerstl zufolge, die Empfehlungen der Enquete-Kommission
zum Thema "Würde am Ende des Lebens" umzusetzen.
Wendelin Mölzer (F) betonte, dass mehr als 2.000 BürgerInnen eine Petition zur Wiedereröffnung der
Polizeistation am Klagenfurter Hauptbahnhof unterschrieben hätten. Er hält das Anliegen angesichts steigender
Übergriffe im Umfeld des Bahnhofs für berechtigt und beklagte, dass die Initiative vom Nationalrat "schubladisiert
wird". Es sei das Ziel der Zusammenlegung von Polizeiinspektionen gewesen, mehr PolizistInnen auf die Straße
zu bringen, hielt Friedrich Ofenauer (V) dem entgegen.
Team Stronach urgiert Statistik über Schwangerschaftsabbrüche
Martina Schenk (T) brachte eine Petition zur Sprache, die sich nicht im Sammelbericht findet. Man brauche fundierte
Zahlen und Daten über Schwangerschaftsabbrüche, um den Frauen besser helfen zu können, unterstützte
sie die Forderung nach der Erstellung einer anonymisierten Abtreibungsstatistik. Schenk bedauerte in diesen Sinn
den Widerstand von Seiten der SPÖ und der Grünen.
Hermann Gahr (V) machte auf die breite Unterstützung einer Bürgerinitiative aufmerksam, die sich gegen
ein Kaputtsparen des Bundesheers gewandt hatte. Verteidigungsminister Doskozil habe inzwischen ein Maßnahmenpaket
vorgelegt, mit dem den meisten Forderungen der Initiative Rechnung getragen wird, hob er hervor. Auf die zusätzlichen
Budgetmittel für das Heer wiesen auch Hannes Weninger und Erwin Preiner (beide S) hin.
Lob von SPÖ und ÖVP für private FlüchtlingshelferInnen
Johann Hell (S) verwies darauf, dass, neben dem Bundesheer, der Polizei und Hilfsorganisationen, auch private Personen
einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise geleistet haben. Durch ihre Unterstützung
habe der Flüchtlingsandrang bewältigt werden können. Mittlerweile steht, wie ÖVP-Abgeordneter
Johann Singer festhielt, nicht mehr der Zuzug, sondern die Integration im Mittelpunkt. Auch er wollte sich bei
all jenen bedanken, die sich bemühen, hilfs- und schutzbedürftige Menschen zu unterstützen. Der
fraktionslose Abgeordnete Gerhard Schmid glaubt allerdings, dass viele Flüchtlinge die Grundversorgung nicht
entsprechend zu schätzen wissen. Für eine Begrenzung der Zahl von AsylwerberInnen im Sinne der Notverordnung
machte sich Erwin Preiner (S) stark. Bei aller notwendigen Hilfe müsse man aufpassen, dass die heimische Bevölkerung
durch Großquartiere nicht überfordert werde, meinte auch Johannes Rauch (V).
Dietmar Keck (S) sprach sich generell dafür aus, Diskussionen über Bürgeranliegen nicht wie so oft
erst am Ende der Tagesordnung zu führen.
Mit der Kenntnisnahme des Sammelberichts des Petitionsausschusses sind die Beratungen über die Petitionen
Nr. 60, 64, 66, 70, 81, 82, 83, 84, 86, 68, 69, 71 und 77 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 86 und
100 abgeschlossen. Die Petition Nr. 73 betreffend Prüfung der Möglichkeit und Konsequenzen der Entkriminalisierung
von assistiertem Suizid wurde dem Justizausschuss zugewiesen. Der Verkehrsausschuss wird sich mit der Bürgerinitiative
Nr. 101 zur Schaffung eines österreichweiten Studierendentickets für den öffentlichen Verkehr befassen.
An den Unterrichtsausschuss weitergeleitet wurde die Bürgerinitiative Nr. 102, die sich für die Beibehaltung
eines bedarfsgerechten Angebots an Sonderschulen bzw. Sonderschulklassen stark macht.
Keine Mehrheit fand ein von Leopold Steinbichler eingebrachter Entschließungsantrag des Team Stronach. Darin
wurde die Erstellung eines Lebensmittelkrisenplans für Österreich durch Landwirtschaftsminister Andrä
Rupprechter gefordert.
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