Immunsystem: Mechanismus von
 Langerhans-Zellen entschlüsselt

 

erstellt am
13. 10. 16
11:00 MEZ

Steuerung von Immunreaktion als Zukunftsvision
Graz (medunigraz) - Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut, wie beispielsweise Juckreiz oder Rötungen, werden in vielen Fällen durch eine Über- bzw. Fehlreaktion von Zellen des Immunsystems ausgelöst. Dabei spielen gewisse Immunzellen, die Langerhans-Zellen, eine wichtige Rolle. ImmunologInnen an der Med Uni Graz ist es nun gelungen jenen Mechanismus zu entschlüsseln, der es bestimmten Fresszellen des Körpers (Monozyten) erlaubt, sich zu Langerhans-Zellen zu entwickeln. Eine vermehrte Nachbildung dieser Zellen könnte einen natürlichen Heilungsmechanismus darstellen. So bedeutet das Wissen um die molekularen Mechanismen zur Umprogrammierung von Monozyten zu Langerhans-Zellen die Identifikation neuer Ansätze für eine gezielte Förderung oder Verhinderung von Immunreaktionen.

Langerhans-Zellen: Erforschung der Helfer des Immunsystems
Bei einigen Menschen führt der Kontakt mit bestimmten Substanzen zu einer Überempfindlichkeitsreaktion der Haut wie Juckreiz oder Rötungen. Dabei handelt es sich oftmals um allergische Reaktionen welche von einer Überreaktion oder Fehlreaktion von Zellen des Immunsystems ausgelöst werden. "Ein bestimmter Subtyp von Immunzellen, sogenannte Langerhans-Zellen, befindet sich in der äußersten Hautschicht, der Oberhaut. Diese Zellen nehmen Stoffe und krankheitsauslösende Keime aus der Umgebung auf und wandern damit in die Lymphknoten, wo sie mit weiteren Zellen des Immunsystems, den T-Lymphozyten oder kurz T-Zellen, in Kontakt treten", erklärt Univ.-Prof. Dr. Herbert Strobl, Institut für Pathophysiologie und Immunologie der Med Uni Graz. Dabei "präsentieren" Langerhans-Zellen Bestandteile der in der Oberhaut aufgenommenen Substanzen - sogenannte Antigene - hauptsächlich den T-Lymphozyten und sichern somit, dass diese eine überschießende Immunreaktion verhindern.

T-Zellen tragen bestimmte Oberflächenmoleküle (sogenannte T-Zell Rezeptoren), mit denen sie sehr spezifische Substanzen erkennen können. Dieser Mechanismus ist von enormer Bedeutung für die Verhinderung von Allergien und entzündlichen Erkrankungen bzw. Autoimmunerkrankungen, bei denen fälschlicherweise auch körpereigene Substanzen angegriffen werden. Andererseits dient dieser Mechanismus auch zur Bekämpfung von Infektionen durch Viren, Pilze und Bakterien. Langerhans-Zellen werden zur Klasse der sogenannten Dendritischen Zellen gezählt, die in verschiedensten Organen und Geweben vorkommen. Wie genau der Körper das System der Dendritischen Zellen nutzt, um einerseits überschießende Immunreaktionen zu verhindern und andererseits eine gegen Mikroben oder gegen Tumoren gerichtete Immunität sicherzustellen, ist noch nicht im Detail erforscht. Dabei spielt die zelluläre Identität von Immunzellen eine wesentliche Rolle.

Mechanismus entschlüsselt: Umprogrammierung der zellulären Identität
Langerhans-Zellen der Oberhaut werden schon im ungeborenen Organismus ausgebildet und besitzen die Fähigkeit zur Selbsterneuerung. "Während allergischen Reaktionen oder bei Autoimmunerkrankungen wie der Schuppenflechte besteht ein erhöhter Bedarf an Langerhans-Zellen", erklärt Herbert Strobl. Dieser wird nicht zur Gänze durch Selbsterneuerung sondern zusätzlich durch Rekrutierung von Vorläufern aus dem Blutstrom gewährleistet. Die Identität dieser Vorläuferzellen ist noch nicht eindeutig bekannt. Es handelt sich wahrscheinlich um sogenannte Monozyten, welche aus dem Knochenmark nachgebildet werden. Monozyten unterscheiden sich wesentlich von Langerhans-Zellen, und besitzen die Fähigkeit sich in unterschiedliche Zelltypen zu differenzieren. Einem Team von WissenschafterInnen rund um Herbert Strobl ist es in Kooperation mit KollegInnen aus Wien und Erlangen nun gelungen jenen Mechanismus aufzuklären, welcher es Monozyten erlaubt sich in Langerhans-Zellen zu verwandeln. Faktoren, welche durch Epithelien produziert werden, wirken auf die Monozyten ein, sodass sie ihre ursprüngliche Identität verlieren und im Gegenzug Eigenschaften von Langerhans-Zellen annehmen. Hierbei handelt es sich um eine Reprogrammierung der zellulären Identität, welche durch den Transkriptionsfaktor KLF4 (Kruppel-like factor 4) ausgelöst bzw. gesteuert wird. KLF4 findet sich im Zellkern von Monozyten und aktiviert dort Gene welche für die Identität von Monozyten wichtig sind. Durch den Verlust von KLF4 verlieren Monozyten damit auch ihre Identität, eine Voraussetzung zu deren Umprogrammierung in Langerhans Zellen.

Zukunftsvision: Gezielte Steuerung von Immunreaktionen
Eine vermehrte Nachbildung von Langerhans-Zellen könnte einen wichtigen Mechanismus des Körpers zur Unterdrückung von überschießenden Immunreaktionen, und somit einen natürlichen Gegen-Steuerungsmechanismus bzw. Heilungsmechanismus darstellen. Andererseits ist bekannt, dass Tumoren der Haut oder anderen Epithelien (Karzinome) auch von Langerhans-Zellen besiedelt werden. Diese Tumor-assoziierten Langerhans-Zellen könnten eine Abwehr gegen Tumoren unterdrücken. Somit könnten Tumore die natürliche Fähigkeit von Langerhans-Zellen zur Gegensteuerung von Immunreaktionen für ihren eigenen Vorteil ausnutzen. "Das Wissen um die molekularen Mechanismen der Umprogrammierung von Blut-Vorläuferzellen zu Langerhans-Zellen bildet eine Basis zur präzisen Herstellung dieser Immunzellen unter definierten Bedingungen in der Zellkultur und könnte zu neuen Ansätzen für eine gezielte Förderung oder Verhinderung von Immunreaktionen führen.", so Herbert Strobl abschließend.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.medunigraz.at

 

 

 

 

 

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