Bures: Erster U-Ausschuss nach neuem Regelwerk hat wichtige Judikatur und stabile Basis für
kommende U-Ausschüsse geschaffen
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin und Hypo-U-Ausschuss-Vorsitzende Doris Bures zog am 11.10. gemeinsam
mit Verfahrensrichter Walter Pilgermair und Verfahrensanwalt Bruno Binder in einer Pressekonferenz Bilanz über
den Hypo-Untersuchungsausschuss. Nach nunmehr 670 Stunden Ausschussdauer, 79 Sitzungen und 142 Befragungen von
124 Auskunftspersonen zog die Nationalratspräsidentin das Resümee, dass die "Premiere für die
neue Verfahrensordnung gelungen" und dass das "Regelwerk erfolgreich mit Leben erfüllt" worden
ist.
Nationalratspräsidentin Doris Bures: "Die Geschehnisse rund um die Hypo wurden im U-Ausschuss im Rahmen
demokratischer Legitimation, transparent und so umfassend, wie noch nie zuvor, durchleuchtet. Die Befragungen fanden
unter Wahrheitspflicht statt und behandelten alle Facetten der Causa Hypo. Sowohl alle Befragungsprotokolle wie
auch der Bericht und die Fraktionsberichte sind auf der Homepage des Parlaments für alle Bürgerinnen
und Bürger einsehbar und dokumentiert. Der Hypo-U-Ausschuss hat Zusammenhänge rund um die Bank verdeutlicht
und damit zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit beigetragen."
Auch Verfahrensrichter Walter Pilgermair zog eine positive Bilanz über das neue Regelwerk: "Der große
Umfang und die Tiefe der Untersuchungen des Untersuchungsausschusses haben wichtige neue Erkenntnisse gebracht."
Neben dem Ausschussbericht hätten sich dabei auch die sechs Fraktionsberichte im Sinn der Untersuchungsarbeit
als sehr wertvoll erwiesen, so Pilgermair.
142 Befragungen ohne Verletzung von Persönlichkeitsrechten
Verfahrensanwalt Bruno Binder sagte, es freue ihn, dass alle 142 Befragungen ohne die Verletzung von Persönlichkeitsrechten
durchgeführt worden seien. Binder: "Das einzige Verfahren beim Verfassungsgerichtshof, das die allfällige
Verletzung von Persönlichkeitsrechten zum Thema hatte, wurde im Sinne des Untersuchungsausschusses entschieden."
Der Untersuchungsgegenstand des Hypo-U-Ausschusses war äußerst umfangreich: Er umfasste einen Untersuchungszeitraum
von 15 Jahren (2000 bis 2014) und die Mitglieder des Ausschusses konnten für ihre Untersuchungstätigkeit
auf Unterlagen zum Untersuchungsgegenstand im Umfang von 16 Millionen A4-Seiten zurückgreifen.
Herausforderungen des neuen Regelwerks bewältigt
Der Hypo-U-Ausschuss ist der erste Untersuchungsausschuss, der nach den neuen Regeln der im Dezember 2014 von SPÖ,
ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS beschlossenen Verfahrensordnung abgehalten wird und damit weitgehend auf
Minderheitsrecht basiert. Weiters brachte das neue Regelwerk unter anderem die Änderungen, dass die Nationalratspräsidentin
den Vorsitz führt, dass es nunmehr in U-Ausschüssen einen Verfahrensrichter gibt und dass bei unterschiedlichen
Rechtspositionen und strittigen Fragen der Verfassungsgerichtshof (VfGH), das Bundesverwaltungsgericht oder die
Mitglieder der Volksanwaltschaft (als Schiedsstelle) befasst werden können.
Unter anderem wurden folgende Herausforderungen wurden im Lauf des Untersuchungsausschusses bewältigt: Zusammenarbeit
mit Gerichten: Es gab vor Beginn des U-Ausschusses Bedenken, dass ausständige Gerichtsentscheidungen die Arbeit
des Ausschusses aufhalten könnten. Die raschen Entscheidungen des VfGH und des Bundesverwaltungsgerichts haben
sich aber als sehr kompatibel mit dem Ablauf des Ausschusses erwiesen. Der VfGH hat in den vergangenen Monaten
gleich mehrere Entscheidungen zum Hypo-U-Ausschuss getroffen, nicht nur über die Vorlage geschwärzter
Akten durch das BMF, sondern etwa auch über die Vorlagepflichten von Unterlagen der Finanzmarktbeteiligung
AG des Bundes oder der Kärntner Landesholding. Gleichfalls waren Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen
Gegenstand von VfGH-Verfahren. Das Bundesverwaltungsgericht kam wiederum zum Einsatz, indem es eine Beugestrafe
wegen Nicht-Erscheinens einer Auskunftsperson verhängte.
Schwärzung von Akten und Unterlagen: Die neue Verfahrensordnung intendiert in Zusammenwirken mit dem ebenfalls
neuen Informationsordnungsgesetz klar, dass Akten, die Teil des Untersuchungsgegenstands sind, ohne Schwärzungen
zu übermitteln sind. In dieser Frage gab es unter anderem zwischen dem Finanzministerium und dem Ausschuss
unterschiedliche Rechtsauffassungen. Der VfGH stellte im Juni 2015 jedoch klar: Schwärzungen im Rahmen des
Untersuchungsgegenstandes sind unzulässig.
Konsultationsverfahren: Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) sprach Bedenken gegen die Befragung von zwei
Auskunftspersonen wegen laufender Ermittlungsverfahren aus. Daraufhin einigten sich der Untersuchungsausschuss
und das BMJ im Rahmen des in der Verfahrensordnung so vorgesehenen Konsultationsverfahrens erfolgreich auf eine
Vorgehensweise, die sowohl die Befragung der zwei Auskunftspersonen ermöglichte als auch Sorge dafür
trug, dass Ermittlungen der Justiz nicht durch die öffentliche Behandlung von sensiblen Informationen behindert
wurden.
Medienöffentlichkeit des U-Ausschusses: Zu Beginn des Ausschusses war es in der Öffentlichkeit zur Befürchtung
gekommen, es drohe ein "Geheimhaltungsausschuss" unter weitgehendem Ausschluss der Medienöffentlichkeit.
Bewahrheitet hat sich das nicht, der weitaus überwiegende Teil der Befragungen fand durchgehend medienöffentlich
statt. Hintergrund: Ans Parlament übermittelten Akten können in vier Stufen klassifiziert werden (1 =
eingeschränkt; 2 = vertraulich; 3 = geheim; 4 = streng geheim); Akten können aber auch ohne Klassifizierung
vorgelegt werden. Nicht klassifizierte Akten und – unter bestimmten Voraussetzungen – auch Akten der Stufe 1 dürfen
in medienöffentlicher Sitzung erörtert werden. Bei Akten einer höheren Stufe müssen die MedienvertreterInnen
das Ausschusslokal verlassen.
Inhaltliche Bilanz
Es liegt in der Natur eines Untersuchungsausschusses, dass es bei der Untersuchungsarbeit durch mehrere Fraktionen
zu unterschiedlichen Herangehensweisen und Schwerpunkten kommt. Der vom Verfahrensrichter erstellte Bericht stellt
diese inhaltliche Breite in ihrer Vielfalt dar und berücksichtigt auch die unterschiedlichen Ergebnisse, die
die Fraktionen mit ihrer Untersuchungsarbeit erzielt haben. Die sechs Berichte der Fraktionen spiegeln darüber
hinaus die jeweilige Untersuchungsarbeit der Fraktionen wider, die ihrerseits unterschiedlichen Prämissen
folgten und voneinander abweichende Prioritäten setzten.
Trotz dieses breiten Spektrums haben sich im Lauf der Untersuchungstätigkeit des U-Ausschusses ein paar Punkte
verdeutlicht, bei denen ein Bedarf an Reformen festgestellt worden ist und die sich auch in einer Vielzahl der
Fraktionsberichte finden. Dies war etwa der Fall bei folgenden Themen: Landeshaftungen; Insolvenzrecht für
Bundesländer; Reformen bei der Bankenaufsicht; Bestellung von WirtschaftsprüferInnen.
Die Nationalratspräsidentin strich dabei besonders die Bedeutung eines Insolvenzrechts für Bundesländer
hervor, denn derzeit sei "bei Ländern keine geordnete Entschuldung möglich", so Bures. Eine
Reform sei hier auch im Interesse der Bundesländer.
Parlamentarismus gestärkt, Judikatur geschaffen
Es liegt nun an den im Nationalrat vertretenen Parteien, ob und wie sie auf die angesprochenen Bereiche reagieren
beziehungsweise welche Konsequenzen sie aus den Erkenntnissen des U-Ausschusses ziehen.
Nationalratspräsidentin Bures: "Politische Verantwortung bedeutet in diesem Fall, dass der Gesetzgeber
aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, damit sich ein Fall wie die Hypo in Zukunft nicht wiederholt. Untersuchungsausschüsse
sind das schärfste Kontrollinstrument der Legislative gegenüber der Exekutive. Das neue U-Ausschuss-Regelwerk
mit starken Minderheitsrechten führt jedenfalls zu besserer Kontrolle und mehr Transparenz und stärkt
den Parlamentarismus."
Mit Ausblick in Richtung Zukunft lasse sich sagen, so Bures, dass der Hypo-Untersuchungsausschuss wichtige Judikatur
und eine stabile Basis für kommende Untersuchungsausschüsse geschaffen hat.
Am 12. Oktober 2016 wird der Hypo-U-Ausschuss-Bericht planmäßig im Nationalrat behandelt - womit auch
die Tätigkeit des Hypo-Untersuchungsausschusses endet.
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