Kopf für eine mutige Politik, die das Notwendige tut

 

erstellt am
12. 10. 16
11:00 MEZ

Parlaments-Symposium über Reformpolitik und Reformhindernisse
Wien (pk) - Vor 50 Jahren, im Jahre 1966, begann für die Zweite Republik ein neues Kapitel ihrer Geschichte. Bundeskanzler Josef Klaus bildete aufgrund einer absoluten Mandatsmehrheit der ÖVP erstmals eine Alleinregierung in Österreich und startete mit einer reformorientierten Politik in eine neue Ära. Vier Jahre später verlor die ÖVP die Nationalratswahlen. Diese historische Erfahrung nahm der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf zum Anlass, seine parlamentarische Veranstaltungsreihe "Demokratie – Quo Vadis?" am 11.10. mit einem prominent besetzten Symposium zum Thema "Himmelfahrtskommando 'Reformregierung' – vom Risiko, Mut in der Politik zu haben", fortzusetzen.

"Warum laufen Regierungen mit Reformwillen und Mut zur Entscheidung Gefahr, abgewählt zu werden". Diese Frage stand im Mittelpunkt der gemeinsam mit der Politischen Akademie und NZZ.at organisierten Veranstaltung. Antworten suchte der Politikwissenschaftler Peter Filzmair in einem Impulsreferat. Danach nahmen der ehemalige Staatssekretär, Bundesminister, ÖVP-Klubobmann und Zweiter Nationalratspräsident Heinrich Neisser, die Chefredakteurin des "Standard", Alexandra Föderl-Schmid, der Geschäftsführer von "Public Affairs" Thomas Hofer, der Managing Director von "Agenda Austria", Franz Schellhorn am Podium des Abgeordnetensprechzimmers Platz. Für die Moderation der Diskussion sorgte der Chefredakteur von NZZ.at, Michael Fleischhacker.

Kopf: PolitikerInnen brauchen Mut, das Notwendige zu tun
In seiner Einleitung erinnerte der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf an die zwiespältigen Reaktionen, die Reformpolitik auslösen kann, vor allem, wenn es um Veränderungen im Sozialstaat geht. Was manche als nicht ausreichend kritisieren, lehnen andere ab, sei es aus Sehnsucht nach Geborgenheit oder aus Angst vor sozialem Abstieg. Kopf forderte mit Nachdruck Mut zu Reformen und appellierte an die PolitikerInnen, angesichts des nächsten Wahltags nicht in Starre zu verfallen. "Es gibt nichts Gefährlicheres als eine Politik, die den Menschen sagt, sie hätten schon alles getan und können sich zurücklehnen", warnte Kopf und nannte als positive Beispiele drei Reformpolitiker – den ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson, Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel -, die den Mut hatten, den Menschen nicht nur Angenehmes zu versprechen, sondern auch das Notwendige zu tun.

Filzmair: Tabus erschweren den politischen Diskurs über Reformen
Peter Filzmair versteht Reform als nicht revolutionäre, nicht gewaltsame, aber doch einschneidende Umgestaltung im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels. In Österreich drängen manche mit Nachdruck auf Reformen, andere wollen zwar alles ändern, aber nicht bei sich selbst. Es gäbe aber auch Menschen, die Reformen ablehnen und meinen, "früher war alles besser". Den politischen Diskurs über Reformen sieht Filzmair in Österreich durch die starke Tabuisierung bestimmter Themen wie Pensionen und Einkommen erschwert. Für bedenklich hält der Politologe die aktuell schlechten Werte für die Politik und die PolitikerInnen im aktuellen Vertrauensindex sowie Umfrageergebnisse, die eine wachsende Politik-, Demokratie- und Parteienverdrossenheit sowie eine zunehmende Bereitschaft zur Radikalisierung anzeigen.

Eine alternde, sich urbanisierende, digitalisierende und internationalisierende postindustrielle Gesellschaft braucht politische Reformen, betont Filzmair. Verhindert würden Reformen durch Polarisierungen, die auf Klüfte zwischen Alters- und Geschlechtergruppen, zwischen In- und Ausländern, Bildungsunterschiede und Verlustängste zurückzuführen seien. Die Menschen nehmen die Politik oft als institutionell, abstrakt und die PolitikerInnen als Menschen wahr, die nichts vom Leben verstehen. Den Parteien werde immer weniger zugetraut, gute Reformen zu machen. Bevölkerung, Politik und Medien sieht Filzmair in einer Spirale, in der Politikenttäuschung und Desinteresse zu Populismus führen. Dazu kommen mediale Dramatisierungen statt seriösem Journalismus und damit noch mehr Enttäuschung und noch weniger Sachbezug. Wichtig sei beim Thema Reformpolitik die Frage der Interessen, die mit jeder Reform verbunden sind – das ist Sache der Politik, schloss der Politikwissenschaftler.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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