Bakterienart bricht mit altem Dogma der Zellbiologie
Belize/Wien (universität) - Bakterien sind unsterblich, solange sie sich teilen. Jahrzehntelang wurde
angenommen, dass ein geschlossener Proteinring die treibende Kraft hinter dieser Teilung ist. Ein internationales
ForscherInnenteam um die Biologin Silvia Bulgheresi von der Universität Wien hat nun herausgefunden, dass
der bakterielle Symbiont des Meeres-Fadenwurms Robbea hypermnestra mit dieser Ring-Regel bricht. Dieses teilt sich
in einem mehrstufigen Prozess, ganz ohne geschlossene Ringstruktur. Die Ergebnisse dieser Studie erscheinen in
der aktuellen Ausgabe von "Nature Microbiology".
Die meisten Bakterien teilen sich, indem sie ein Protein namens FtsZ an ihrer Zellmitte platzieren. Bislang wurde
angenommen, dass dieses Protein sich immer in einem Ring organisiert. Der Proteinkomplex übt eine gleichmäßige
zusammenziehende Kraft aus, die das Bakterium einschnürt, vergleichbar mit einem stäbchenförmigen
Luftballon, den man mit Daumen und Finger zusammendrückt. Obwohl ForscherInnen noch uneinig sind, welche der
Proteine des Zellteilungskomplexes diese abschnürende Kraft bilden, stand außer Frage, dass das FtsZ-Protein
einen Ring bildet. Egal ob ringförmig, elliptisch oder ungleichmäßig, sine qua non der Zellteilung
war lange die Idee eines Ringes.
Das Wissen über bakterielle Zellbiologie basiert auf Studien von Mikroorganismen, die im Labor gezüchtet
werden. Allerdings sind die meisten Mikroorganismen noch nicht kultiviert und können nur in ihrer natürlichen
Umgebung untersucht werden: beispielsweise Mikroben, die in enger Beziehung mit vielzelligen Organismen stehen.
Silvia Bulgheresi und ihr Team erforschen Bakterien, die auf der Oberfläche von marinen Nematoden, den Stilbonematiden,
wachsen und sich vermehren. Deren natürlicher Lebensraum ist eine kleine tropische Insel inmitten der Karibik.
Dort sammelte das Bulgheresi-Team diese unkonventionelle Mikrobe. Die Analyse dieses Bakteriums, einem Symbionten
vom Robbea hypermnestra-Nematoden (Fadenwurms), hat die Diskussion um die Theorie des geschlossenen Proteinrings
zur Zellteilung neu eröffnet.
Dabei handelt es sich um ein etwa ein mal drei Mikrometer großes, stäbchenförmiges Bakterium, das
mit einem Pol auf der Oberfläche des Nematoden sitzt. Dieses Bakterium hat merkwürdige Eigenschaften:
Es orientiert seine Teilungsebene parallel zur Längsachse und teilt sich damit der Länge nach statt transversal,
wie normale Stäbchenbakterien es tun. Darüber hinaus teilt sich das ressourcenreiche Gammaproteobakterium
auch asynchron: Zuerst stülpt es jene Seite ein, mit der das Bakterium am Nematoden befestigt ist, erst später
folgt der andere Pol. "Aber die größte Überraschung kam, als wir nach dem FtsZ-Ring suchten:
Diesen gab es nämlich nicht", erklärt Nikolaus Leisch, Erstautor der Publikation und derzeit Postdoc
am Max Plank Institut in Bremen.
Die Teilung des Robbea hypermnestra-Symbionten lässt noch einige Fragen offen: Welchen evolutionären
Vorteil könnte dieser außergewöhnliche Prozess bringen? Eine mögliche Erklärung ist,
dass diese ungewöhnliche Teilung dem Symbionten erlaubt, in treuer Partnerschaft mit dem Wurm zu bleiben.
"Wir vermuten, dass diese Teilung sich entwickelt hat, um beiden Tochterzellen eine feste Bindung zum Wurm
zu ermöglichen, d.h., dass keine Tochterzelle an den Sand oder das Meer verloren geht", so Silvia Bulgheresi
abschließend.
Publikation in "Nature Microbiology"
Asynchronous division by non-ring FtsZ in the gammaproteobacterial symbiont
of Robbea hypermnestra: Nikolaus Leisch, Nika Pende, Philipp M. Weber, Harald R. Gruber-Vodicka, Jolanda Verheul,
Norbert O. E. Vischer, Sophie S. Abby, Benedikt Geier, Tanneke den Blaauwen and Silvia Bulgheresi in Nature Microbiology
(2016)
DOI: 10.1038/nmicrobiol.2016.182
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