Auftakt zur Diskussion über Strategien für Zivilcourage im Internet - Enquete und
Grünbuch für 16. November geplant
Wien (pk) - Wie kann ein gesellschaftliches Klima für digitale Zivilcourage geschaffen werden, um der
Situation von "Hate Speech", den vermehrten Hasskommentaren im Internet, entgegenzusteuern? Was können
die Politik, die Zivilgesellschaft und Einzelne dafür tun? Über diesbezügliche Strategien und Lösungsansätze
zu dem aktuellen Thema diskutierten PolitikerInnen mit ExpertInnen am 19.10. bei einer Auftaktveranstaltung zur
Initiative von Bundesratspräsident Mario Lindner im Hohen Haus. Im Vorfeld einer für den 16. November
2016 geplanten parlamentarischen Enquete zum Thema "Digitale Courage" ging es grundsätzlich darum
auszuloten, wo Handlungsbedarf besteht. "Was unser Land braucht, ist ein Schulterschluss für mehr Zivilcourage",
so Lindner bei seiner Begrüßung. "Hass im Netz kann jede und jeden von uns treffen", dazu
müsse man nicht Bundeskanzler, Präsidentschaftskandidat oder Journalistin sein. Denn derzeit "zerbrechen
im Netz die Grenzen, die wir uns für unser Zusammenleben gesetzt haben". Umso mehr ginge es darum, jetzt
über Lösungen zu sprechen und eine Bewegung zu schaffen, die mit unterschiedlichsten Schwerpunkten für
einen Wandel in der digitalen Kultur kämpft, plädierte er dafür, die Debatte lösungsorientiert
auszurichten und in einen neuen Kontext zu setzen. Politik könne aber nur einen Teil zur Lösung des Problems
beitragen, man könne der neuen Situation nicht allein durch Gesetze, Verbote und Verordnungen Herr werden.
"Wir brauchen ein gemeinsames Ziel", unterstrich der Bundesratspräsident seine Intention, auch die
schweigende Mehrheit zu ermutigen, nicht wegzuschauen, sondern zu handeln. So sollte man "die Zivilcourage,
die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger im realen Leben zeigen, auch in die digitale Welt bringen wollen."
Intensive Diskussion und gründliches Abwägen in der Politik sei bei dem Thema insgesamt angebracht, um
dafür so viele Meinungen und Inputs wie möglich aufzunehmen. Die in Aussicht genommene parlamentarische
Enquete im November ist ein wirkungsvoller Weg, sich mit dem Thema zu beschäftigen und Lösungen zu finden.
Auftaktdiskussion mit dem Hashtag #DigitaleCourage
An der Auftaktdiskussion zu dieser Enquete nahmen heute rund 40 PolitikerInnen und ExpertInnen aus verschiedenen
Richtungen und netzpolitischen Bereichen teil. In fünf wechselnden Arbeitsgruppen wurden dabei die vielfältigen
Themen Rechtspolitik, Politische Kultur, Klassische Medien und Medienpolitik, Zivilcourage und Social Media diskutiert,
der Hashtag für Online-Diskussionen dazu ist #DigitaleCourage.
Ebenso vielschichtig wie die Themenblöcke waren in der abschließenden Runde die Zusammenfassungen und
die Debatte dazu. So ging es unter anderem um die Rolle von klassischen Medien und Journalismus für die Online-Debattenkultur.
Betreffend Hasspostings ging es um Unrechtsbewusstsein, strafrechtliche Rahmenbedingungen, zu beachtende Grundrechte
bei der Gesetzgebung und um Fragen der Transparenz und Nutzungsbedingungen der Plattformen. Angesprochen wurde
auch, wie man positive Statements, Fakten und Argumente verstärken könne, wenn hauptsächlich emotionale
Faktoren wahrgenommen werden und dabei für negative Auslöser die höhere Aufmerksamkeit besteht.
Nicht nur auf Hass zu reagieren, sondern positive Themen zu setzen wäre eine der Intentionen, wobei es ein
bekanntes Dilemma sei, dass Negatives viel auslöst, Positives weniger. Eine weitere Frage war, ob die hohe
Geschwindigkeit der sozialen Medien eine Rolle spiele für das entstehende Ausmaß an Hasskommentaren.
Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen für Provider wurde auch angesprochen, dem Community-Management mehr
Beachtung zu schenken. Die Dynamik der Sozialen Medien für die Politik zu erkennen, um durch permanente politische
Kommunikation manche Situationen etwaig zu entschärfen, wurde ebenfalls thematisiert. Es ging auch um Aspekte
einer Beteiligungskultur auf allen Ebenen – die Trennung online-offline könne nicht klar gezogen werden, sondern
greife ineinander, wenn es darum gehe, BürgerInnen anzusprechen.
Dazu kamen Fragen der Quantität versus Qualität im Netz und grundsätzliche Anliegen wie Bewusstseinsbildung,
Medienkompetenz, und Ressourcen-, Bildungs- und Ausbildungsfragen im Zusammenhang mit den Neuen Medien. Das Phänomen
der Meinungsblasenbildung und damit zusammenhängende Konflikte wurden ebenfalls erwähnt. Eine Art Notfallberatung
und Rechtsberatung für Betroffene von Hasskommentaren oder Mobbing war ebenso Thema wie eine Sammlung der
Initiativen, an die man sich im Bedarfsfall wenden kann.
Lindner: Handlungsbedarf betrifft alle Ebenen der Gesellschaft
In seinem Resümee fasste Mario Lindner zusammen, dass der Handlungsbedarf für diesen Themenkomplex für
ihn alle Ebenen der Gesellschaft betrifft. Es sei dem Bundesrat ein wichtiges Anliegen, diesem vielschichtigen
Zukunftsthema auch weiterhin entsprechend Raum zu geben und ein breites, mutiges Netzwerk zu entwickeln. Sei es,
um das Positive im Netz zu verstärken und die schweigende Masse zu unterstützen, sei es bei Themen wie
Community-Management, oder auch nicht zuletzt die Situation um Redefreiheit, Pressefreiheit und Hasspostings –
und wie man diese in Zukunft weiterdenken kann. Er kündigte an, dass der heutige Input für die geplante
Enquete des Bundesrates am 16. November in ein Grünbuch "Digitale Courage" und in den langfristigen
Prozess einfließen werde.
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