Salzburg Research präsentierte den ersten selbstfahrenden Minibus auf Österreichs
Straßen – Im öffentlichen Personennahverkehr ist die Erschließung der „letzten Meile“
Salzburg (salzburg research) - Am 19.10. fand in Salzburg die Premierenfahrt des ersten selbstfahrenden
Minibusses in Österreich statt. Neben Bundesminister Jörg Leichtfried (BMVIT), Landeshauptmann Wilfried
Haslauer, Verkehrslandesrat Hans Mayr, Landesbaudirektor Christian Nagl, Stadtrat Johann Padutsch und Klubvorsitzenden
Bernhard Auinger (in Vertretung von BGM Heinz Schaden) sowie Erzbischof Franz Lackner waren weitere Vertreterinnen
und Vertreter von Stadt und Land Salzburg, vom Salzburger Verkehrsverbund und der Forschungsgesellschaft Salzburg
Research an Board. Gemeinsam wollen die beteiligten Akteure künftig den öffentlichen Personennahverkehr
in Salzburg auch mit Hilfe von automatisierten Fahrzeugen attraktiver machen.
Salzburg Research hat sich als eines der führenden Forschungsinstitute in Österreich für eine Testgenehmigung
für selbstfahrende Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr sowie für die Sondierung einer Testregion
im Bundesland Salzburg beworben. In dieser Salzburger Testregion sollen Möglichkeiten zur Attraktivierung
des vorhandenen öffentlichen Verkehrs mit Hilfe von selbstfahrenden Fahrzeugen erforscht und erprobt werden.
Im Rahmen dieser Initiative und anlässlich der 14. Salzburger Verkehrstage präsentierte Salzburg Research
am 19. Oktober 2016 den ersten selbstfahrenden Minibus auf Österreichs Straßen.
Grundlage für die angestrebte Testregion ist das kürzlich entwickelte Mobilitätskonzept „salzburg.mobil
2025“ des Landes Salzburg, das die künftige Strategie für nachhaltige Mobilität im Bundesland Salzburg
festlegt. Die Attraktivierung des ÖV-Angebots auf der „letzten Meile“ ist eines der wesentlichen strategischen
Ziele.
Automatisiertes Fahren als Zukunftsvision
Verkehrsminister Jörg Leichtfried: „Selbstfahrende Busse sind eine spannende Ergänzung für den öffentlichen
Verkehr. Oft gibt es eine Lücke zwischen dem Wohnort und dem nächsten Bahnhof oder dem Bahnhof und dem
eigentlichen Reiseziel. Diese Lücke kann man mit selbstfahrenden Bussen schließen. Damit wird der öffentliche
Verkehr auch für jene erreichbar und attraktiv, die sonst vielleicht das Auto genommen hätten.“
Landeshauptmann Wilfried Haslauer stellt fest: „Es ist wichtig, die Balance zwischen Erhalt und Neubau von Infrastruktur
und der Stärkung des öffentlichen Verkehrs sowie umweltfreundlicher Alternativen zum motorisierten Verkehr
zu schaffen. Dazu gehören auch neue Denkmodelle und der Einsatz moderner Technologien. Unsere landeseigene
Forschungsgesellschaft Salzburg Research forscht seit über einem Jahrzehnt erfolgreich im Bereich der digitalen
Infrastruktur, die wichtige Basis für automatisiertes Fahren ist.“
„Die Integration neuer Technologien stellt einen wesentlichen Bestandteil unseres Mobilitätskonzeptes dar
und hilft dabei, das Verkehrssystem attraktiver und effizienter zu gestalten und dem Wunsch der BürgerInnen
nach Multimodalität, also der freien Verkehrsmittelwahl, nachzukommen“, so Verkehrslandesrat Hans Mayr. Landesbaudirektor
Christian Nagl ist davon überzeugt, „dass wir Rahmenbedingungen schaffen müssen, damit die Menschen ihre
persönliche Mobilität nach ihren Bedürfnissen gestalten können. Gemeinsam mit der Landesforschungsgesellschaft
arbeiten wir an digitalen Innovationen, um dieser ständig steigenden Herausforderung zu begegnen.“ Allegra
Frommer (Salzburger Verkehrsverbund) und Eveline Ablinger (LEADER Region Fuschlsee MondSeeLand) freuen sich über
„den Ausbau und die Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Verkehrs und das Schaffen von alternativen
Mobilitätsangeboten, was auch zur Erreichung der Klimaziele beitragen wird.“
„Selbstfahrende Minibusse könnten zukünftig das Angebot im öffentlichen Verkehr auf der letzten
Meile ergänzen und für bessere Kundenakzeptanz sorgen“, sagt Bernhard Auinger (Stadt Salzburg). „Der
automatisierte Verkehr wird kommen. Laut Expert/-innen ist das 2030 wahrscheinlich Standard.“
Innovationslabor zur Erschließung der „letzten Meile“ beantragt
„Automatisierte und teilautomatisierte Fahrzeuge werden sich wahrscheinlich schneller durchsetzen, als sich viele
heute vorstellen können. Bis derartige Fahrzeuge tatsächlich im Realbetrieb fahren, sind aber noch viele
Fragen und Rahmenbedingungen zu klären“, sagt Karl Rehrl, Leiter des Forschungsschwerpunkts Mobilität
bei Salzburg Research. „Viele Fragestellungen können nur durch systematische Testumgebungen mit Simulationen,
Labortests sowie geschlossenen und auch öffentlichen Teststrecken beantwortet werden. Daher hat sich die Salzburg
Research für eine Testgenehmigung für selbstfahrende Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr
sowie für die Sondierung einer Testregion im Bundesland Salzburg beworben.“
Salzburg Research forscht seit über 10 Jahren am Thema Mobilität. Im Fokus stehen neue Informations-
und Kommunikationstechnologien, die bei Orientierung, Routenwahl, intelligenter Verkehrssteuerung und Attraktivierung
des öffentlichen Verkehrs unterstützen. Das Forschungsinstitut forscht vor allem zur digitalen Infrastruktur,
die für automatisiertes Fahren notwendig ist: Sensordateninfrastrukturen, hochgenaue Straßen- und Verkehrsdaten
sowie digitale Mobilitätsdienste. Die beantragte Testumgebung fokussiert auf Bereitstellung und Betrieb von
physischer und digitaler Testinfrastruktur zur systematischen Erprobung und (Weiter-)Entwicklung von automatisierten
Personentransportsystemen. Dazu zählen neue Fahrzeugkonzepte, wie (teil)automatisierte Minibusse, physische
und digitale Systemkomponenten sowie digitale Dienstleistungen. Mit diesen Hilfsmitteln soll die sogenannte „letzte
Meile“ im öffentlichen Verkehr, sowohl im städtischen als auch im ländlichen Umfeld, erschlossen
werden.
Probefahrt in Salzburg
Die Testfahrten mit dem französischen Minibus NAVYA ARMA werden ermöglicht durch die Unterstützung
von Salzburg Research, Land Salzburg, Stadt Salzburg, Salzburg Verkehr und der LEADER Region Fumo.
HINTERGRUNDINFORMATION
Mikro-ÖV: Selbstfahrende Minibusse zur Attraktivierung der letzten Meile
Der Trend zur Automatisierung im Verkehrswesen erfasst zunehmend den öffentlichen Personennahverkehr. Hier
hat sich vor allem die Erschließung der letzten Meile - also der Weg von einer Bahnstation zum Fahrtziel
und umgekehrt - immer wieder als kritischer Aspekt für die Kundenakzeptanz herausgestellt. Mikro-ÖV-Systeme,
also Zubringer-Dienste zu vorhandenen öffentlichen Verkehrsmitteln, haben vor allem auch im ländlichen
Raum in den letzten Jahren zu einer Qualitätsverbesserung geführt. Allerdings ist der Betrieb von Mikro-ÖV-Systemen
entweder kostenintensiv oder beruht auf Leistungen Freiwilliger. Dadurch ist eine Ausrollung solcher Systeme derzeit
nicht flächendeckend möglich. Automatisierte Personentransportsysteme – hochautomatisierte Fahrzeuge
oder autonom fahrende Minibusse – können neuartige Mikro-ÖV-Systeme ermöglichen, die vor allem zur
Erschließung von ländlichen Regionen oder Stadtteilen eingesetzt werden können.
Damit steht der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) mit zunehmender Automatisierung des Mobilitätssystems
vor enormen Veränderungen. Fahrerlose Systeme zum Personentransport, so genannte Cybercars, werden zukünftig
heutige Mikro-ÖV-Systeme ersetzen, vor allem auch im Hinblick auf einen effizienten Personentransport in ländlichen
Regionen. Aber auch im städtischen Umfeld bietet der automatisierte Personennahverkehr ein hohes Potenzial.
Aktueller Stand der Technik: Cybercars im Jahr 2016
Der technologische Stand von Cybercars im Jahr 2016 kann folgendermaßen charakterisiert werden: Teilautonomisierte
Fahrzeuge können auf Teststrecken oder in abgegrenzten öffentlichen Räumen bestimmte Fahraufgaben
übernehmen und entlang von vordefinierten Routen automatisiert fahren. Die Fahrt wird dabei aus der Ferne
oder durch eine mitfahrende Person kontrolliert. Beim Fahren in öffentlichen Umgebungen ist eine mitfahrende
Kontrollperson (Operator) Pflicht. Diese Kontrollperson muss jederzeit in der Lage sein, die Kontrolle über
das Fahrzeug zu übernehmen. Ziel ist es, zukünftig immer mehr Aufgaben dem Fahrzeug zu überlassen
und nach Möglichkeit die Kontrollpersonen in den Fahrzeugen durch eine Kontrollperson in einer Leitzentrale,
die mehrere Fahrzeuge kontrolliert, zu ersetzen. Längerfristiges Ziel ist das vollständig automatisierte
Fahren ohne Kontrollperson. Um dieses Ziel zu erreichen, sind wesentliche technologische, organisatorische, rechtliche
aber auch sozioökonomische Herausforderungen zu bewältigen.
Das Fahrzeug im Salzburger Testbetrieb: NAVYA ARMA
Der französische Hersteller NAVYA TECH stellte 2015 erstmalig den automatisierten Minibus NAVYA ARMA vor,
der zu 100 Prozent fahrerlos fährt (bei Testfahrten fährt ein Operator mit, der jederzeit eingreifen
kann). Das ganzheitlich elektronische Fahrzeug hat eine Kapazität von bis zu 15 Personen und eine Maximalgeschwindigkeit
von 50 km/h. Technologisch ist der Bus mit Multi-Sensor-Technologie ausgestattet, wie LIDAR-Sensoren, GPS, Stereokamera,
etc.
Bis dato wurden bereits einige Testprojekte mit dem Bus umgesetzt, darunter u.a. das SmartShuttle in Sion (Schweiz)
oder bei der Passenger Terminal Expo 2016 (Köln). Diese ersten Feldversuche sind wichtige Meilensteine auf
dem Weg zum automatisierten Fahren, zeigen aber gleichzeitig auch die derzeitigen Grenzen und die zukünftigen
Herausforderungen, die die Entwicklung und Einführung von automatisierten Mikro-ÖV-Systeme mit sich bringen.
Aktuelle Gesetzeslage und Rahmenbedingungen für die Testfahrt in Salzburg
Laut aktueller Gesetzeslage ist autonomes Fahren auf Österreichs Straßen nur für Testfahrten unter
bestimmten Auflagen und per Verordnung möglich. Verordnungen können über die Kontaktstelle für
automatisiertes Fahren (AustriaTech) beantragt werden. Für den Termin am 19.10.2016 in der Salzburger Altstadt
lagen Sondergenehmigungen mit besonderen Auflagen vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
(BMVIT) sowie vom Verkehrs- und Straßenrechtsamts der Stadt Salzburg vor.
Für die Testfahrten in Salzburg stehen 10 Sitzplätze zur Verfügung. Der Bus fährt autonom.
Bei allen Testfahrten ist ein Operator anwesend, der jederzeit eingreifen kann.
Mobilitätskonzept salzburg.mobil 2025
Das Landesmobilitätskonzept salzburg.mobil 2025 legt die aktuelle Strategie des Landes für besonders
nachhaltige Mobilität sowie auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnittene verkehrspolitische
Maßnahmen für die Zukunft fest. Das Mobilitätskonzept entstand unter Einbindung sämtlicher
Regierungsmitglieder, von Mitgliedern des Landtags, der Interessenvertretungen der Sozialpartner, der Verbundorganisation
Salzburg Verkehr, der Regionalverbände und der Salzburger Gemeinden. Auf einer eigenen Internetplattform wurde
die Öffentlichkeit zum Meinungsaustausch eingeladen. Darüber hinaus identifizierte ein eigens einberufener
Bürgerinnen- und Bürgerrat Herausforderungen und erarbeitete konkrete Lösungsvorschläge. Mit
dem neuen Landesmobilitätskonzept liegt ein Maßnahmenprogramm vor für Organisation und Finanzierung
von Verkehrsinfrastruktur, -information und -steuerung, für bewusstseinsbildende Maßnahmen bis hin zu
nachhaltigen Mobilitätsformen.
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