Arbeitszeitflexibilisierung: Eine Zeitreise ins Jahr 2021

 

erstellt am
20. 10. 16
11:00 MEZ

Wirtschaftsbund Wien veranstaltete kontroverse Podiumsdiskussion
Wien (wirtschaftsbund) - Julia Herr, Veit Schmid-Schmidsfelden, Markus Marterbauer und Ulrich Schuh diskutierten auf Einladung des Wiener Wirtschaftsbundes und dessen neuer Veranstaltungsreihe „Zukunftsthesen“ über Pro und Contra von Arbeitszeitflexibilisierung und neue Modelle der Arbeitsorganisation am 19.10. Christoph Biegelmayer, der Direktor des Wiener Wirtschaftsbundes, begrüßte die rund 100 Gäste des Abends im forum Mozartplatz und die Geschäftsführerin der Julius Raab Stiftung, Elisabeth Mayerhofer, moderierte die Konfrontation. Ziel war es einen Ausblick auf die Arbeitsorganisation in 5 Jahren zu skizzieren.

„Der technische Fortschritt ist viel mehr Segen, als Fluch“, wählte Julia Herr, Vorsitzende der sozialistischen Jugend Österreich, den direkten Einstieg in die Diskussion des Abends. Sie plädierte dafür, dass „sowohl Arbeitgeber, als auch Arbeitnehmer neue Jobs schaffen, weil viele Arbeiten in Zukunft einfach wegfallen werden.“ Zusätzlich brauche es für diese neuen Arbeitsplätze eine „gesellschaftspolitische Lenkung“, so sollte auch die bisher unbezahlte Arbeit der häuslichen und familienbezogenen Arbeit sowie Pflegeleistungen in die Arbeitszeit eingerechnet werden. Aufgrund der über 400.000 Arbeitslosen fordert sie zudem „die Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer zu verkürzen und gerecht auf die größere Menge zu verteilen.“

Für den Unternehmer und Verhandler der Metaller-Kollektivverträge, Veit Schmid-Schmidsfelden, ist es unverständlich „bei einer Diskussion über flexiblere Arbeitszeiten ständig auch eine Reduktion der Gesamtarbeitszeit zu diskutieren. Das ist nicht zielführend“, so der Geschäftsführer der Rupert Fertinger GmbH. Für ihn bringe eine Verkürzung insbesondere für die Arbeitnehmer steigenden Druck, weil die einfachen manuellen und repetitiven Arbeiten immer stärker wegfallen und damit immer komplexere Arbeiten in kürzerer Zeit stattfinden müssen. „Es muss dahin gehen, dass wir auf betrieblicher Ebene mehr Freiheiten schaffen zur selbstständigen Organisation der Betriebsabläufe. Der Kollektivvertrag in der Metallbranche ist hier ein erster Schritt in die richtige Richtung“, so Schmid-Schmidsfelden.

Der zeitlichen Flexibilität in Kollektivverträgen kann Markus Marterbauer, Leiter der Wirtschaftswissenschaften und Statistik in der Arbeiterkammer Wien, viel abgewinnen. So meint er zum Beispiel, dass das Zeitwertkonto in der Metallindustrie „zukunftsweisend und ein Erfolg der sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen ist.“ Ganz allgemein sieht er die Kollektivverträge als bestes System zum Interessensausgleich beider Seiten an und für ihn sind sie der Grund, warum wir in Österreich „heute überhaupt erst so gut dastehen.“ Trotzdem geht aber für ihn an einer insgesamt kürzeren Arbeitszeit in Zukunft kein Weg vorbei: Im Jahr 2021 werden wir seiner Meinung nach noch mehr Wohlstand erarbeiten und bis dahin bereits erwirtschaftet haben. Eine Flexibilisierung und die gleichzeitige Verkürzung der Arbeitszeit gehe für ihn „Hand in Hand“.

„Es ist wichtig aus der knappsten Ressource in Betrieben, der Arbeitszeit, das Meiste herauszuholen. Daran gibt es ein partnerschaftliches Interesse von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite“, sieht Ulrich Schuh, wissenschaftlicher Vorstand des EcoAustria Instituts für Wirtschaftsforschung, die Diskussion aus einem anderen Blickwinkel. Für ihn ist es entscheidend, dass die Politik den Rechtsrahmen vorgibt, aber mehr Kompetenzen auf betrieblicher Ebene ansiedelt: „Den Rahmen setzen und Vertrauen an die Betriebe zurückgeben. Nur dann kann der Turnaround und ein Anschluss an das europäische Spitzenfeld wieder passieren“, so Schuh, der Pessimismus in der heutigen Zeit nicht als angebracht ansieht, Kritik an der politischen und bürokratischen Überregulierung der Betriebe aber sehr wohl.

„Das neue Veranstaltungsformat und die durchaus kontroversen Diskussionsteilnehmer waren ein voller Erfolg. Es geht uns nämlich darum, inhaltliche Positionen in Debatten immer wieder zu hinterfragen und gemeinsam konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Wir freuen uns schon auf die nächsten Veranstaltungen unserer Zukunftsthesen-Reihe“, so das Resümee von Wirtschaftsbund Wien Direktor, Christoph Biegelmayer, zum Ende der Podiumsdiskussion. Die Diskutanten des Abends standen den Gästen nach Ende der Veranstaltung beim Buffet und dem ein oder anderem Glas Wein an der Bar weiter zum gedanklichen Austausch zur Verfügung.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at