Wirtschaftsbund Wien veranstaltete kontroverse Podiumsdiskussion
Wien (wirtschaftsbund) - Julia Herr, Veit Schmid-Schmidsfelden, Markus Marterbauer und Ulrich Schuh diskutierten
auf Einladung des Wiener Wirtschaftsbundes und dessen neuer Veranstaltungsreihe „Zukunftsthesen“ über Pro
und Contra von Arbeitszeitflexibilisierung und neue Modelle der Arbeitsorganisation am 19.10. Christoph Biegelmayer,
der Direktor des Wiener Wirtschaftsbundes, begrüßte die rund 100 Gäste des Abends im forum Mozartplatz
und die Geschäftsführerin der Julius Raab Stiftung, Elisabeth Mayerhofer, moderierte die Konfrontation.
Ziel war es einen Ausblick auf die Arbeitsorganisation in 5 Jahren zu skizzieren.
„Der technische Fortschritt ist viel mehr Segen, als Fluch“, wählte Julia Herr, Vorsitzende der sozialistischen
Jugend Österreich, den direkten Einstieg in die Diskussion des Abends. Sie plädierte dafür, dass
„sowohl Arbeitgeber, als auch Arbeitnehmer neue Jobs schaffen, weil viele Arbeiten in Zukunft einfach wegfallen
werden.“ Zusätzlich brauche es für diese neuen Arbeitsplätze eine „gesellschaftspolitische Lenkung“,
so sollte auch die bisher unbezahlte Arbeit der häuslichen und familienbezogenen Arbeit sowie Pflegeleistungen
in die Arbeitszeit eingerechnet werden. Aufgrund der über 400.000 Arbeitslosen fordert sie zudem „die Arbeitszeit
für die einzelnen Arbeitnehmer zu verkürzen und gerecht auf die größere Menge zu verteilen.“
Für den Unternehmer und Verhandler der Metaller-Kollektivverträge, Veit Schmid-Schmidsfelden, ist es
unverständlich „bei einer Diskussion über flexiblere Arbeitszeiten ständig auch eine Reduktion der
Gesamtarbeitszeit zu diskutieren. Das ist nicht zielführend“, so der Geschäftsführer der Rupert
Fertinger GmbH. Für ihn bringe eine Verkürzung insbesondere für die Arbeitnehmer steigenden Druck,
weil die einfachen manuellen und repetitiven Arbeiten immer stärker wegfallen und damit immer komplexere Arbeiten
in kürzerer Zeit stattfinden müssen. „Es muss dahin gehen, dass wir auf betrieblicher Ebene mehr Freiheiten
schaffen zur selbstständigen Organisation der Betriebsabläufe. Der Kollektivvertrag in der Metallbranche
ist hier ein erster Schritt in die richtige Richtung“, so Schmid-Schmidsfelden.
Der zeitlichen Flexibilität in Kollektivverträgen kann Markus Marterbauer, Leiter der Wirtschaftswissenschaften
und Statistik in der Arbeiterkammer Wien, viel abgewinnen. So meint er zum Beispiel, dass das Zeitwertkonto in
der Metallindustrie „zukunftsweisend und ein Erfolg der sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen ist.“ Ganz allgemein
sieht er die Kollektivverträge als bestes System zum Interessensausgleich beider Seiten an und für ihn
sind sie der Grund, warum wir in Österreich „heute überhaupt erst so gut dastehen.“ Trotzdem geht aber
für ihn an einer insgesamt kürzeren Arbeitszeit in Zukunft kein Weg vorbei: Im Jahr 2021 werden wir seiner
Meinung nach noch mehr Wohlstand erarbeiten und bis dahin bereits erwirtschaftet haben. Eine Flexibilisierung und
die gleichzeitige Verkürzung der Arbeitszeit gehe für ihn „Hand in Hand“.
„Es ist wichtig aus der knappsten Ressource in Betrieben, der Arbeitszeit, das Meiste herauszuholen. Daran gibt
es ein partnerschaftliches Interesse von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite“, sieht Ulrich Schuh, wissenschaftlicher
Vorstand des EcoAustria Instituts für Wirtschaftsforschung, die Diskussion aus einem anderen Blickwinkel.
Für ihn ist es entscheidend, dass die Politik den Rechtsrahmen vorgibt, aber mehr Kompetenzen auf betrieblicher
Ebene ansiedelt: „Den Rahmen setzen und Vertrauen an die Betriebe zurückgeben. Nur dann kann der Turnaround
und ein Anschluss an das europäische Spitzenfeld wieder passieren“, so Schuh, der Pessimismus in der heutigen
Zeit nicht als angebracht ansieht, Kritik an der politischen und bürokratischen Überregulierung der Betriebe
aber sehr wohl.
„Das neue Veranstaltungsformat und die durchaus kontroversen Diskussionsteilnehmer waren ein voller Erfolg. Es
geht uns nämlich darum, inhaltliche Positionen in Debatten immer wieder zu hinterfragen und gemeinsam konstruktive
Lösungen zu erarbeiten. Wir freuen uns schon auf die nächsten Veranstaltungen unserer Zukunftsthesen-Reihe“,
so das Resümee von Wirtschaftsbund Wien Direktor, Christoph Biegelmayer, zum Ende der Podiumsdiskussion. Die
Diskutanten des Abends standen den Gästen nach Ende der Veranstaltung beim Buffet und dem ein oder anderem
Glas Wein an der Bar weiter zum gedanklichen Austausch zur Verfügung.
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