Hochkarätige Vertreter aus Wirtschaft, Industrie und Politik diskutierten im Haus der
Ingenieure zum Thema „Österreich 2020 – Standort und Perspektiven“
Wien (loebell nordberg) - Von Standortpolitik bis Innovationskultur, von Arbeitszeitflexibilisierung bis
Deregulierung, von Digitalisierung bis zu Bildung und Arbeitsmarkt spannte sich der Themenbogen, der am 18.10.
unter dem Titel „Österreich 2020“ bei der ersten ZEIT KONFERENZ in Österreich von hochkarätigen
Vertretern aus Wirtschaft, Industrie und Politik vor über 200 Gästen im „Haus der Ingenieure" diskutiert
wurde.
Im Zuge des ersten Themenblocks Politik & Rahmenbedingungen zur Frage „Was braucht die Industrie von der Politik?“,
moderiert von Joachim Riedl, Leiter des Wiener Büros der ZEIT, betonte Finanzminister Hans Jörg Schelling,
dass Österreich ein „guter Standort, jedoch mit Luft nach oben“ sei. Das System der Sozialpartnerschaft, das
sich im Aufbau Österreichs nach 1945 bewährt habe, müsse jedoch neu definiert werden und dürfe
nicht als „Abtauschsystem“ gesehen werden: „Wenn wir es nicht schaffen, aus der Sozialpartnerschaft eine Standortpartnerschaft
zu machen, ist diese heute auch ein Auslaufmodell“, so Schelling.
Für Dr. Monika Kirchner, Senior Director Industrial Affairs der Infineon AG, sei Politik zwar „verantwortlich
für den Interessensausgleich“, jedes „Abtauschen müsse aber auch langfristige Visionen und Ziele unterstützen“.
Sie forderte eine „neue Innovationskultur“, die von Bildung bis zu Deregulierung reichen müsse.
Man müsse den Menschen bewusst machen, dass Leistung „etwas Erstrebenswertes“ sei, betonte Dr. Wolfgang Eder,
CEO der voestalpine AG, der in Österreich ein „gesellschaftliches und stimmungsmäßiges Problem“
ortete. „Wir brauchen Offenheit, Aufgeschlossenheit und Toleranz statt Neid und Missgunst“, so Eder, für den
gut ausgebildete Mitarbeiter „Österreichs Asset“ sind.
Für Stefan Pierer, CEO KTM Industries AG, stehen drei Themen als Hemmschuhe für die österreichische
Industrie im Vordergrund: die noch immer restriktiven Arbeitszeitregelungen, Bürokratie und Gesetzesänderungen
in Form von teilweise überschießenden Novellierungen sowie die Steuerbelastung auf Arbeit, in deren
Zusammenhang Pierer von „Lohnhauptkosten statt Lohnnebenkosten“ sprach. Gesetzesänderungen – die auch rückwirkend
erfolgten - seien ein Grund, warum österreichische Unternehmen “vorsichtig beim Investieren“ seien, so Pierer.
Der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, kritisierte, dass in Österreich „keine Konflikt-,
sondern eine Kompromisskultur“ bestehe. Mit dem Föderalismus und der Sozialpartnerschaft, wie sie heute gelebt
würden, habe Österreich seiner Ansicht nach „zwei Totengräber“: Dieses System habe nichts mit Ausgleich
zu tun, sondern sei „reine Interessenspolitik für Funktionäre“, so Kapsch.
Chefsache Digitalisierung & Nachwuchs
Am Nachmittag folgten die beiden weiteren Schwerpunktthemen Digitalisierung & Innovation sowie Bildung
& Arbeitsmarkt. Ersteres startete mit einem Impulsvortrag von Jörg Busch Partner und Leiter Consulting,
PwC unter dem Titel „Österreichs Industrie im Digital-Check“. Busch sprach über das Paradoxon, dass Freizeitaktivitäten
und privater Zugang zum Internet „von Neugierde, Transparenz und Offenheit“ geprägt seien, während genau
diese Eigenschaften „in den Unternehmen und am Arbeitsplatz als Bedrohung und Risiko“ wahrgenommen würden.
„Dieses Paradoxon zu überwinden, bedarf eines gesellschaftlichen Wandels, der mutigen Annahme eines digitalen
Wettbewerbs und einer guten Position im Wettlauf zum smarten Tor des Kunden“, sagte Busch.
Die Themen Rahmenbedingungen, Vernetzung und Transparenz sowie die Forderung, dass Digitalisierung Chefsache sein
müsse, standen im Vordergrund der anschließenden Podiumsdiskussion unter dem Titel „Eine Frage der Kultur
oder des Kapitals – Innovationsgeist dringend gesucht“.
In Österreich könnte „ein Prozent des Wirtschaftswachstums aus Digitalisierung kommen“, meinte Dorothee
Ritz, General Manager Microsoft Österreich. Umgekehrt bedeute dies aber auch: Wenn Österreich die Digitalisierung
nicht vorantreibe, würden „die Arbeitsplätze auch wegfallen“. Je mutiger digitalisiert werde, desto mehr
Arbeitsplätze entstünden, so Ritz.
„Transparenz und Vernetzung mit Wissenschaft und Forschung auf Plattformen, die teilweise auch von der Politik
geschaffen werden müssten“, forderte Bettina Glatz-Kremser, Vorstandsdirektorin Casinos Austria AG und Österreichische
Lotterien, „um auch Klein- und Mittelbetriebe auf das Thema Digitalisierung aufmerksam zu machen“.
Digitalisierung sei die beste Chance, Transparenz im Geschäftsverlauf zu erreichen, formulierte Thomas Birtel
, CEO STRABAG AG, und sei so eine große Chance für „effizienteres Projekt- und Risikomanagement mit
höherer Termin- und Kostentreue“.
Der letzte Themenblock befasste sich mit dem Thema „Der Rohstoff der Zukunft – der Nachwuchs zwischen Sinnsuche
und Leistungsdruck“. Sebastian Loudon, Verlagsrepräsentant der ZEIT in Österreich, führt als Moderator
durch die Podiumsdiskussion mit Unterrichtsministerin Sonja Hammerschmid, Johannes Kopf, Vorstand AMS und Günther
Tengel, Chairman Amrop Jenewein CEE.
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