Bronzezeitlicher Kultwagen als Teil
 der kulturellen Identität eines Staates

 

erstellt am
28. 10. 16
10:00 MEZ

Übergabe einer Replik des Vogelwagens aus Glasinac an das Nationalmuseum von Bosnien-Herzegowina
Sarajevo/Wien (nhm) - Im Rahmen des Empfangs der Österreichischen Botschaft in Sarajevo am Nationalfeiertag, dem 26.10., übergab NHM Wien-Generaldirektor Christian Köberl eine Replik des weltberühmten Vogelwagens aus Glasinac, der im Naturhistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird, an den Direktor des Landesmuseums von Bosnien-Herzegowina, Mirsad Sijarc.

Auf Initiative des Österreichischen Botschafters in Sarajevo, Martin Pammer, der im Rahmen des Kulturjahres Österreich – Bosnien und Herzegowina heuer auch die Zusammenarbeit mit dem kürzlich wiedereröffneten Landesmuseum etablierte, soll die gesamtstaatliche Bedeutung dieser Institution sichtbar gemacht werden.

Das am 1. Februar 1888, ein Jahr vor dem Naturhistorischen Museum in Wien, eröffnete k. u .k. Landesmuseum von Bosnien und Herzegowina befindet sich seit 1913 in einem von Stadtbaumeister Karl Parschik erbauten Neorenaissance-Gebäude in Sarajevo. Bei seiner Eröffnung war das Museum die erste Einrichtung seiner Art in Bosnien und Herzegowina und ist heute die bedeutendste museale Institution des gesamten Staates. Ab 2017 ist die Replik des Vogelwagens aus Glasinac dort zu sehen.

Der Wagen von Glasinac
„Der Wagen wurde 1880 in einem Grabhügel auf der Hochebene von Glasinac, östlich von Sarajevo, gefunden. Der Vogelwagen ist eine herausragende künstlerische Arbeit vorgeschichtlicher Bronzegießer und ein sehr seltenes Kultobjekt mit hohem Symbolgehalt aus einer noch schriftlosen Kultur,“ erklärt NHM Wien-Generaldirektor Christian Köberl. Der Wagen stammt aus der Bronzezeit/Eisenzeit, zwischen 1.000 und 600 v. Chr. und gelangte aufgrund einer Schenkung nach Wien, wie im Inventarbuch der prähistorischen Abteilung des NHM Wien nachzulesen ist: „... von Herrn I. Lexa, k.k. Lieutnant im Genie-Regiment No. 1 aus Goražda, für das k.k. Hofmuseum eingesendet an Herrn Hofrath Ferdinand von Hochstetter im März 1880.“

Der aus Bronze in verschiedenen Einzelteilen gegossene und dann zusammengesetzte Wagen von Glasinac hat ein rechteckiges, von kleinen Vogelfiguren geschmücktes Wagengestell und einen Kessel in Vogelgestalt. Auch der Deckel wird von einem Vogel gebildet. Die Achsen des Wagens sind aus Eisen gefertigt. Die Funktion des Vogelwagens ist nicht bekannt. Möglicherweise diente er dazu, mythische Geschichten in Bewegung darzustellen und durch eine eindrucksvolle Inszenierung greifbarer zu machen.

Replik der mythischen Wasservögel
Exklusiv für das Landesmuseum in Sarajevo wurde von Walter Prenner, dem Restaurator der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien, eine originalgetreue Replik des Kultwagens angefertigt. Dafür wurde der Originalwagen in seine Einzelteile zerlegt und von jedem Einzelteil eine detailgetreue zwei- oder mehrteilige Silikonform hergestellt. Die Silikonformen wurden innen mit Farbpigmenten eingefärbt, um beim Guss das Epoxidharz bereits in die richtige Farbnuance einzufärben. Um das originale Aussehen des Wagens farbecht wiederzugeben, wurde beim fertigen Guss nachkoloriert. Bei der Nachbildung ist vor allem der Guss des Vogelaufsatzes eine Herausforderung, weil er innen hohl ist. Es wurde genau darauf geachtet, dass selbst die Wandstärke dem Original genau entspricht. Die Replik wurde Großteils aus Epoxidharz gegossen, es kamen jedoch auch verschiedene Metallelemente zum Einsatz. Bei den Achsen finden sich zwei Gewindestangen (3 mm Durchmesser) aus Eisen, und auch beim Unterbau des Wagens wurden Eisenstifte und zwei Eisenbänder verwendet. Kleinere Details am Vogelkörper wurden ebenfalls aus Metall gefertigt, so ist die Halterung für die Klapperbleche aus Kupfer. Nach dem Zusammensetzen der einzelnen Elemente sind Original und Kopie mit freiem Auge nicht mehr zu unterscheiden.

Finanziert wurde die Herstellung der Replik jeweils zur Hälfte durch das NHM Wien und das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres. Die Replik des Vogelwagens von Glasinac wird ab 2017 im Nationalmuseum Bosnien Herzegowina zu sehen sein.

Das Landesmuseum in Sarajevo
Das Landesmuseum Museum in Sarajevo beherbergt mehr als vier Millionen Objekte, nur etwa fünf Prozent des Bestandes sind ausgestellt. Darunter die Sarajevoer Haggada, eine reichbebilderte Handschrift aus dem 14.Jahrhundert, die sephardische Juden nach der Vertreibung aus Spanien nach Bosnien brachten. Dieses Symbol der kulturellen Vielfalt und Offenheit des gesamten Landes hat einen Schätzwert von bis zu 630 Millionen Euro.

Der Friedensvertrag von Dayton im Jahr 1995 hat das moderne Bosnien und Herzegowina in zwei substaatliche Entitäten geteilt, die Serbische Republik und die bosnisch-kroatische Föderation, letztere ist wiederum in zehn Kantone zergliedert. Kulturfragen wurden zunächst ausgeklammert. Da sich die politische Führung der drei ‚konstitutiven Völker‘ des Landes nicht über Rechtsfragen und Finanzierung zentraler Kultureinrichtungen einigen können, war das Museum von Oktober 2012 bis September 2015 geschlossen. Zivilgesellschaft, Mitarbeiter, Künstler, Prominente und ausländische Botschaften, u.a. Österreichs, bewirkten mit einer Kampagne die Wiedereröffnung dieser, für das ganze Land wichtigen Kultureinrichtung. Die Finanzierung ist provisorisch bis 2018 sichergestellt und wird von verschiedenen Trägern übernommen.

„Dass wir mit voller Kapazität arbeiten und dass alles gesetzlich geregelt ist, ist aus politischen Gründen derzeit wenig realistisch. Die Wiedereröffnung 2015 war ein erster Schritt und sehr gut. Wer für unser Museum in Zukunft zuständig sein wird, ist noch immer offen“, so der Direktor des Nationalmuseums in Sarajevo, Mirsad Sijaric.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.nhm.ac.at

 

 

 

 

 

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