Weltwirtschaft durch EU-Austritt
 Großbritanniens kaum beeinträchtigt

 

erstellt am
27. 10. 16
10:00 MEZ

WIFO: Mittelfristige Prognose bis 2021
Wien (wifo) - Das Weltwirtschaftswachstum beschleunigt sich mittelfristig nur leicht. Zügig expandieren wird die Wirtschaft auf Basis einer robusten Binnennachfrage und einer zunehmenden Erwerbsbevölkerung in den USA. Im Euro-Raum verläuft die Expansion langsamer, da die institutionellen Mängel der Währungsunion die Erwartungen dämpfen und die Erwerbsbevölkerung stagniert. Der EU-Austritt Großbritanniens wird vor allem die britische Wirtschaft selbst treffen, weniger deren Handelspartner. Die Zugkraft des Wachstums in den Schwellenländern lässt weiter nach. In China verlangsamt es sich, in Russland und Brasilien erholt sich die Konjunktur aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise nur schleppend aus der aktuellen Krise.

Das Weltwirtschaftswachstum wird sich in den kommenden fünf Jahren nur leicht beschleunigen (auf 3,5% p. a.) und damit etwas höher sein als in der vorangegangenen Fünfjahresperiode, aber niedriger als im längerfristigen Durchschnitt. In den USA sind die Wachstumsperspektiven relativ gut: Die Arbeitslosenquote ist niedrig, die private Verschuldung gesunken, und die Erwerbsbevölkerung expandiert. Die Dollarstärke belastet zwar die Produktion, aufgrund der niedrigen Exportquote aber nur leicht. Vor diesem Hintergrund wird für die USA eine mittelfristige Wachstumsrate von 2,4% p. a. prognostiziert. Die Wohlstandslücke, die sich im Euro-Raum seit der Krise der Währungsunion 2012/13 gegenüber den USA aufgetan hat, vergrößert sich weiter. Die Erwerbsbevölkerung stagniert im Euro-Raum, die Arbeitslosigkeit sinkt schrittweise. Der Preisauftrieb bleibt aufgrund der schwachen Nachfrage unter dem Inflationsziel der EZB, Verschärfungen der Fiskalregeln engen den Spielraum der öffentlichen Hand ein. Das mittelfristige Wachstum wird für den Euro-Raum auf 1,5% prognostiziert.

Die Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens ("Brexit") werden die Unsicherheit erhöhen und daher die Binnennachfrage dämpfen. Infolge des Austrittes werden die Exportmarktanteile Großbritanniens in der EU und die europäischen Direktinvestitionen in Großbritannien zurückgehen; das Ausmaß dieses Rückganges hängt davon ab, wieweit die Handelsfreizügigkeit eingeschränkt werden wird. Die negativen Wachstumseffekte beschränken sich im Großen und Ganzen aber auf Großbritannien selbst und - aufgrund der engen Handelsverflechtungen - auf Irland. Für die anderen Volkswirtschaften wird Großbritanniens EU-Austritt mittel- bis langfristig nur wenig Folgen haben.

In den großen Schwellenländern verliert die Wirtschaft weiter an Expansionskraft. Die chinesische Volkswirtschaft leidet unter Überkapazitäten und wird in den kommenden Jahren mit erhöhten Finanzmarktrisiken konfrontiert sein, wenn Kapitalverkehrsbeschränkungen abgebaut werden. In Russland und Brasilien erholt sich die Konjunktur schleppend aus der schweren Krise, da die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen nur mäßig zunehmen wird. Von dem damit einhergehenden mäßigen Rohstoffpreisniveau könnte hingegen Indiens Wirtschaft profitieren, falls sie durch die Zinswende in den USA nicht weiteren Schaden nimmt.

Die mittelfristige Prognose für die Weltwirtschaft wurde mit dem makroökonometrischen Weltmodell von Oxford Economics (Global Economic Model) erstellt. Es umfasst insgesamt 80 Länder, darunter China, die USA, die meisten EU-Länder, Indien, Japan, Russland und Brasilien in hohem Detailgrad.

 

 

 

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