WIFO: Mittelfristige Prognose bis 2021
Wien (wifo) - Das Weltwirtschaftswachstum beschleunigt sich mittelfristig nur leicht. Zügig expandieren
wird die Wirtschaft auf Basis einer robusten Binnennachfrage und einer zunehmenden Erwerbsbevölkerung in den
USA. Im Euro-Raum verläuft die Expansion langsamer, da die institutionellen Mängel der Währungsunion
die Erwartungen dämpfen und die Erwerbsbevölkerung stagniert. Der EU-Austritt Großbritanniens wird
vor allem die britische Wirtschaft selbst treffen, weniger deren Handelspartner. Die Zugkraft des Wachstums in
den Schwellenländern lässt weiter nach. In China verlangsamt es sich, in Russland und Brasilien erholt
sich die Konjunktur aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise nur schleppend aus der aktuellen Krise.
Das Weltwirtschaftswachstum wird sich in den kommenden fünf Jahren nur leicht beschleunigen (auf 3,5% p. a.)
und damit etwas höher sein als in der vorangegangenen Fünfjahresperiode, aber niedriger als im längerfristigen
Durchschnitt. In den USA sind die Wachstumsperspektiven relativ gut: Die Arbeitslosenquote ist niedrig, die private
Verschuldung gesunken, und die Erwerbsbevölkerung expandiert. Die Dollarstärke belastet zwar die Produktion,
aufgrund der niedrigen Exportquote aber nur leicht. Vor diesem Hintergrund wird für die USA eine mittelfristige
Wachstumsrate von 2,4% p. a. prognostiziert. Die Wohlstandslücke, die sich im Euro-Raum seit der Krise der
Währungsunion 2012/13 gegenüber den USA aufgetan hat, vergrößert sich weiter. Die Erwerbsbevölkerung
stagniert im Euro-Raum, die Arbeitslosigkeit sinkt schrittweise. Der Preisauftrieb bleibt aufgrund der schwachen
Nachfrage unter dem Inflationsziel der EZB, Verschärfungen der Fiskalregeln engen den Spielraum der öffentlichen
Hand ein. Das mittelfristige Wachstum wird für den Euro-Raum auf 1,5% prognostiziert.
Die Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens ("Brexit") werden die Unsicherheit
erhöhen und daher die Binnennachfrage dämpfen. Infolge des Austrittes werden die Exportmarktanteile Großbritanniens
in der EU und die europäischen Direktinvestitionen in Großbritannien zurückgehen; das Ausmaß
dieses Rückganges hängt davon ab, wieweit die Handelsfreizügigkeit eingeschränkt werden wird.
Die negativen Wachstumseffekte beschränken sich im Großen und Ganzen aber auf Großbritannien selbst
und - aufgrund der engen Handelsverflechtungen - auf Irland. Für die anderen Volkswirtschaften wird Großbritanniens
EU-Austritt mittel- bis langfristig nur wenig Folgen haben.
In den großen Schwellenländern verliert die Wirtschaft weiter an Expansionskraft. Die chinesische Volkswirtschaft
leidet unter Überkapazitäten und wird in den kommenden Jahren mit erhöhten Finanzmarktrisiken konfrontiert
sein, wenn Kapitalverkehrsbeschränkungen abgebaut werden. In Russland und Brasilien erholt sich die Konjunktur
schleppend aus der schweren Krise, da die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen nur mäßig zunehmen wird.
Von dem damit einhergehenden mäßigen Rohstoffpreisniveau könnte hingegen Indiens Wirtschaft profitieren,
falls sie durch die Zinswende in den USA nicht weiteren Schaden nimmt.
Die mittelfristige Prognose für die Weltwirtschaft wurde mit dem makroökonometrischen Weltmodell von
Oxford Economics (Global Economic Model) erstellt. Es umfasst insgesamt 80 Länder, darunter China, die USA,
die meisten EU-Länder, Indien, Japan, Russland und Brasilien in hohem Detailgrad.
|