Von 28. Oktober 2016 bis 12. Februar 2017 im Winterpalais des Prinzen Eugen
Wien (belvedere) - Das Belvedere würdigt den genialen, jedoch weithin unbekannten Bildhauer des Spätbarock
Johann Georg Pinsel erstmalig mit einer Ausstellung in Österreich. Vom 28. Oktober 2016 bis 12. Februar 2017
wird im Winterpalais des Prinzen Eugen von Savoyen ein barockes Spektakel expressiver Mal- und Schnitzkunst geboten.
Neben den rund zwanzig Exponaten von Pinsel und seiner Werkstatt werden auch Werke österreichischer Maler
aus dem Spätbarock gezeigt.
Johann Georg Pinsel gibt der Forschung bis heute Rätsel auf: Über sein Leben, seine Herkunft und seine
Ausbildung ist wenig überliefert. Seine Vornamen sind erst vor wenigen Jahren identifiziert worden, Geburtsdatum
und -ort liegen gänzlich im Dunkeln. Pinsel war in den Gebieten der heutigen Westukraine, vor allem rund um
Lemberg tätig. Zu seinen Lebzeiten gehörte dieses Gebiet zu Polen, danach wurde es in das Habsburgerreich
eingegliedert, nach 1918 kam es zur Sowjetunion und 1991 wurde es Teil der heutigen Ukraine
Während Pinsels Leben und Wirken florierte die Region. Vermögende polnische Adelsfamilien sorgten für
eine gute Auftragslage der Künstler. Es ist anzunehmen, dass Pinsel zugewandert ist. Die Migration von Künstlern
stand im Zeitalter des Barock auf der Tagesordnung. Sie waren auf der Suche nach Aufträgen oder wollten ihre
künstlerischen Fähigkeiten erweitern.
"Mit der Ausstellung über Johann Georg Pinsel wollen wir einen unbekannten Barockbildhauer präsentieren,
der fernab der üblichen Kulturzentren einen außergewöhnlichen Stil entwickelte. Jeder, der die
ausdrucksstarken Skulpturen sieht, wird zustimmen, dass Pinsel in den Kanon der internationalen Kunstgeschichtsschreibung
aufgenommen werden muss", so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere.
Pinsels Oeuvre ist im Vergleich zu seiner Biografie besser bekannt. Gemeinsam mit seinem Architektenfreund Meretyn
stattete er vor allem Kirchen zwischen Lemberg und Butschatsch (poln. Buczacz) mit ausdrucksstarken Skulpturen
aus Holz und Stein aus. Die expressiven Bildwerke entstanden innerhalb eines Jahrzehnts, von 1750 bis 1760.
"Pinsel erhielt binnen kurzer Zeit mehrere umfangreiche Aufträge. Dies erforderte bald die Einstellung
von Mitarbeitern und die Ausbildung von Schülern, die seinen expressiven Stil durchaus mit eigener Prägung
fortführten", so die Kuratoren der Ausstellung, Maike Hohn und Georg Lechner über den weitreichenden
Einfluss des Barockbildhauers.
Die große Ausdruckskraft seiner Figuren geht nicht nur von deren Mimik und Gestik aus, sondern vor allem
von der oft ausufernden Gestaltung der Gewänder. In der Expressivität zeigen sich Parallelen zur Malerei
derselben Zeit im Umfeld der Akademie der bildenden Künste in Wien. Insbesondere die Gemälde von Franz
Anton Maulbertsch mit ihren bisweilen bizarren Gestalten stehen den exaltierten Skulpturen besonders nahe.
Unter sowjetischer Herrschaft wurde ein wesentlicher Teil von Pinsels Werken aus Sakralbauten entfernt oder zerstört.
Viele seiner Skulpturen wurden dem Verfall überlassen, andere konnten gerettet und in Museen aufgenommen werden.
Viele der in der Ausstellung gezeigten Statuetten und Skulpturen waren ursprünglich in Klöstern oder
Kirchen zu sehen, der ursprüngliche Aufstellungsort kann heute jedoch oft nicht mehr bestimmt werden.
Um die Bildwerke verstehen und einordnen zu können, ist der Kontext jedoch maßgeblich. Gerade im Zeitalter
des Barock wurden Architektur, Malerei und Skulptur bis zur Perfektion miteinander verwoben. Die isolierte Präsentation
der Skulpturen verleitet heute mitunter dazu, sie als unabhängige Kunstwerke einzustufen. Sie waren jedoch
formal, kompositorisch und inhaltlich in ein übergeordnetes sakrales Gestaltungsprogramm eingebunden. In der
Ausstellung werden daher Gemälde und Statuetten gemeinsam arrangiert, um den Eindruck der ursprünglichen
Anordnung um einen Altar zu vermitteln.
In dem begleitenden Katalog zur Ausstellung werden Leben und Wirken des Bildhauers, die Region um Lemberg im 18.
Jahrhundert sowie Johann Georg Pinsels Skulpturen und sein Werk im europäischen Kontext näher betrachtet.
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