Wien (wifo - Die von der Politik diskutierte Einführung einer Wertschöpfungsabgabe dürfte zwar
kurzfristig positive Effekte haben, die möglichen Nachteile sind aber schwierig einzuschätzen. Auf lange
Sicht könnte die Nachfrage nach Arbeitskräften sogar sinken. Zu diesem Schluss kommt WIFO-Steuerexpertin
Margit Schratzenstaller in einer aktuellen Kurzexpertise. Sie verweist auf zusätzlichen Forschungsbedarf.
Die politisch umstrittene Wertschöpfungsabgabe könnte sich kurzfristig positiv auf die Beschäftigung
auswirken. Ob sie sich jedoch eignet, die soziale Sicherung in Österreich besser zu finanzieren, lässt
sich nicht belegen: Die neue Abgabe könnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Investitionsnachfrage
hemmen. Das ergibt eine gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erstellte Kurzexpertise
des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), die in Kürze erscheint.
Es ist geplant, die Wertschöpfungsabgabe als Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung auszugestalten. Sie
würde die derzeit rein lohnsummenbasierten Arbeitgeberbeiträge teilweise ersetzen und stattdessen Unternehmens-
und Kapitalerträge besteuern. In Zeiten von Digitalisierung und Automatisierung, die die Arbeitskräftenachfrage
dämpfen können, soll die neue Abgabe beitragen, die soziale Sicherung zu finanzieren. Zudem wäre,
so die Idee, der Faktor Arbeit entlastet.
Ob eine derartige Steuer langfristig eine Beschäftigungssteigerung mit sich bringt und zur sozialen Sicherung
beiträgt, ist aber nicht belegbar: "Für gesicherte Aussagen fehlen die Daten. Die Forschung ist
lückenhaft", sagt WIFO-Ökonomin Margit Schratzenstaller. Dass die Finanzierungsbasis der Sozialversicherungen
massiv gefährdet ist, sei zudem in Österreich derzeit nicht absehbar. Unklar ist auch, wie sich eine
Wertschöpfungsabgabe auf die Einkommensverteilung auswirkt:
"Falls Unternehmen die Abgabe über die Preise auf die privaten Haushalte teilweise überwälzen,
würden einkommensschwache Bevölkerungsschichten sogar darunter leiden."
Auf lange Sicht könnte die Abgabe die Investitionen der Unternehmen dämpfen. Wenn die inländischen
Unternehmensgewinne stärker belastet werden, dürften Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum leiden. "Damit
würde die Nachfrage nach Arbeitskräften letztlich sogar sinken und nicht - wie erhofft - steigen",
sagt Schratzenstaller. Ebenfalls zu bedenken: Gewinne sind von Unternehmen besser zu ihren Gunsten gestaltbar als
die Lohnsumme. Vor allem multinationale Unternehmen, die einen größeren Spielraum zur Gewinnverlagerung
ins Ausland haben, wären schwierig zu besteuern.
Eine Diskussion über die Zukunft der sozialen Sicherung hält WIFO-Ökonomin Schratzenstaller dennoch
für überfällig. "Der Faktor Arbeit ist in Österreich definitiv zu stark belastet. Einzelne
neue Abgaben wie die Wertschöpfungsabgabe greifen aber zu kurz. Was fehlt, ist ein umfassendes Konzept zum
Umbau des Steuer- und Abgabensystems."
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