ORF-"Pressestunde" – Nationalratspräsidentin
zur Mindestsicherung: Zuversichtlich, dass es bis Jahresende zu einer bundesweit einheitlichen Lösung kommen
wird
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Doris Bures war am 06.11. zu Gast in der ORF-"Pressestunde".
Befragt wurde sie von den JournalistInnen Claudia Dannhauser und Georg Wailand gleich zu Beginn zu ihrer aktuellen
Funktion als Vorsitzende des Kollegiums in Ausübung der Funktionen des Bundespräsidenten. Bures sagte
dazu: "Mein Ziel war und ist es, diese Aufgabe im Kollegium verfassungskonform zu erledigen." Auf die
Frage, ob es überhaupt noch einen Bundespräsidenten brauche, antwortete die Nationalratspräsidentin:
"Ich bin zutiefst überzeugt, es ist gut und wichtig, dass es in Österreich einen Bundespräsidenten
gibt und dass damit die Macht auch im Sinn gegenseitiger Kontrolle, wie in der Verfassung vorgesehen, auf drei
Säulen aufgeteilt ist."
Gefragt, ob sie an den Machtbefugnissen des Bundespräsidenten etwas ändern wollen würde, sagte Bures:
"Wir haben im Nationalrat einen eigenen Unterausschuss, der sich dieser Frage widmen wird. Persönlich
glaube ich, dass es keine großen Änderungen geben muss." Es gebe in der Zweiten Republik die Tradition,
mit den Befugnissen des Bundespräsidenten sehr sorgsam umzugehen, sie hätten zudem Berechtigung für
Krisenfälle. Bures zitierte dazu auch Alt-Bundespräsidenten Heinz Fischer, der einmal sagte, nur weil
man in einem Zug die Notbremse lange nicht mehr gebraucht habe, sei das kein Grund, diese auszubauen.
Auch das Thema "Mindestsicherung", bei dem es zurzeit innerhalb der Regierung Meinungsunterschiede gibt,
wurde in der "Pressestunde" angesprochen. Bures sagte dazu: "Ich halte den Entwurf, der zurzeit
auf dem Tisch liegt, durchaus für tauglich. Ich bin auch zuversichtlich, dass es bis zum Ende des Jahres zu
einer bundesweit einheitlichen Lösung kommen wird – das wäre zu begrüßen, denn Armut fühlt
sich in Vorarlberg gleich an wie in der Steiermark. Keine Lösung wäre ein Rückschritt, denn ohne
eine Einigung wären wir nach Jahresende wieder beim alten Modell der Sozialhilfe." Nachsatz: "In
einer Koalitionsregierung sei es immer eine Herausforderung, trotz unterschiedlicher Weltanschauungen zu einer
gemeinsamen Lösung zu kommen."
Migrationskrise: Eine gute Lösung ist eine europäische Lösung
Zum Thema Migration sagte die Nationalratspräsidentin: "Österreich wird die Migrationsströme
gemeinsam mit zwei oder drei anderen EU-Staaten nicht allein bewältigen können. Hier ist die EU gefragt,
es braucht einen gemeinsamen europäischen Weg." Weil die EU zurzeit aber in dieser Frage zögerlich
sei, habe Österreich mit der Möglichkeit einer Asylnotverordnung für den Fall der Fälle vorgesorgt.
"Dies kann aber nur der Plan B sein. Eine gute Lösung ist eine europäische Lösung", so
Bures.
Auch die jüngsten politischen Entwicklungen in der Türkei wurden von den InterviewerInnen angesprochen,
etwa die Festnahme von zwei türkischen Abgeordneten, die der Oppositionspartei HDP vorstehen. Die Nationalratspräsidentin
sagte dazu: "Ich beobachte die Entwicklungen in der Türkei mit großer Sorge. Der zu verurteilende
Putschversuch in der Türkei wird nun genutzt, um politische Gegner zum Schweigen zu bringen. Ich habe gegenüber
meinem türkischen Amtskollegen Ismail Kahraman am vergangenen Freitag meine Betroffenheit und Bestürzung
über die Verhaftung von Abgeordneten, Richtern, Journalisten und vielen anderen ausgedrückt. Die Türkei
entfernt sich zunehmend von demokratischen und rechtsstaatlichen Standards."
Hypo-U-Ausschuss hat Pionierarbeit geleistet
Zum Hypo-Untersuchungsausschuss sagte Bures: "Der U-Ausschuss und die neue Verfahrensordnung sind ein
starkes Kontrollinstrument des Parlaments. Der Ausschuss hat Pionierarbeit geleistet, davon werden kommende U-Ausschüsse
profitieren. So hat etwa der VfGH festgestellt, dass Schwärzungen von Unterlagen zum Untersuchungsgegenstand
unzulässig sind. Und das Bundesverwaltungsgericht hat zum Beispiel Beugestrafen gegen Auskunftspersonen ausgesprochen,
die nicht vor dem Ausschuss zur Befragung erschienen sind." Der U-Ausschuss habe die gesamte Causa Hypo gründlich
durchleuchtet und in seinem Bericht Empfehlungen ausgesprochen. Nachsatz der Nationalratspräsidentin: Kriminelle
Handlungen werde man auch in Zukunft nicht ausschließen können.
Zum Schluss wurde noch das Parlamentsgebäude selbst zum Thema – sowohl der Brand am vergangenen Freitag wie
die bevorstehende Sanierung und Übersiedelung ins Ausweichquartier auf den Heldenplatz und in die Hofburg.
Zum Feuer sagte Bures: "Das Wichtigste ist für mich, dass nach meinen Informationen zu keinem Zeitpunkt
Gefahr für Menschen bestand. Es ist auch kein Schaden an historischer Bausubstanz entstanden." Die Nationalratspräsidentin
dankte den Einsatzkräften für ihr rasches Handeln und auch den MitarbeiterInnen des Parlaments, die vorbildlich
reagiert und das Gebäude sofort evakuiert haben.
Zur anstehenden Sanierung sagte Bures: "Das Parlamentsgebäude ist ein kulturarchitektonisches Juwel,
dessen notwendige Sanierung einstimmig beschlossen worden ist." Befragt, ob das Ausweichquartier am Heldenplatz
nach der Sanierung stehen bleiben werde, sagte Bures, das könne sie ausschließen. "Das Ausweichquartier
wird mit einer ökologischen Holzbauweise errichtet und kann nach 2020, wenn die Abgeordneten ins Parlament
zurückkehren, an anderer Stelle für einen anderen Zweck wiederverwendet werden. Aus den verwendeten Baumodulen
könnte man etwa einige Schulen errichten", so die Nationalratspräsidentin.
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