Langhornfalter über mehr als 200 Jahre unerkannt
Innsbruck (tlm) - Langhornfalter sind wegen ihrer auffallend langen Fühler, die bei einigen Arten
die dreifache Flügellänge erreichen, eine unverwechselbare Schmetterlingsfamilie. Sie fliegen überwiegend
am Tag im Sonnenschein, in einem eigenartig pendelnden Flug. Manche Falter können auf Blüten beobachtet
werden. Etwa 50 Arten von Langhornfaltern kommen in Europa vor, 32 in Österreich. Die oft bunt metallisch
gefärbten Tiere lassen sich meistens schon äußerlich gut unterscheiden.
Die letzte Neuentdeckung in Mitteleuropa erfolgte 1943. Damals wurde eine unbekannte Art im Brennergebiet Tirols
gefunden. Einem österreichisch-finnischem Forscherteam ist nun durch den Einsatz modernster genetischer Methoden
eine erstaunliche Entdeckung gelungen: eine bisher namenlose Langhornfalterart mitten in Europa! Wie konnte diese
Art so lange unentdeckt bleiben? Die Erklärung ist simpel: Die Art wurde über mehr als 200 Jahre von
allen Experten mit einem De Geer´s Langhornfalter verwechselt. Dieser Falter galt seit seiner Beschreibung
nach schwedischen Tieren durch den berühmten Naturforscher Carl von Linné im Jahr 1758 als unverwechselbarer
Schmetterling. Nun steht aber fest, dass es diese Art in weiten Teilen Mitteleuropas gar nicht gibt. In Österreich,
aber auch in Italien und Süddeutschland fliegt stattdessen als äußerst ähnlicher Doppelgänger
Scopoli´s Langhornfalter. Nachgewiesen wurde die Art beispielsweise in Innsbruck, in Nörsach in Osttirol
und im Großraum Bozen.
Doppelgänger durch genetische Methoden entlarvt
Die Entdeckung ist laut Peter Huemer, der maßgeblich am Fund beteiligte Kustos der Naturwissenschaftlichen
Sammlungen der Tiroler Landesmuseen, gleich mehreren glücklichen Umständen zu verdanken. Aufgrund umfassender
Bestrebungen zur genetischen Erfassung der Fauna Tirols und Südtirols sowie Finnlands lagen erstmals genetische
Fingerprints für diese Art sowie ihren nördlichen Doppelgänger vor. Die Methode analysiert die Abfolge
der Basenpaare als Kennzeichen für eine Art ähnlich wie bei einem Strichcode auf Produktverpackungen.
Diese arttypischen Sequenzen werden in Fachkreisen daher auch als DNA-Barcodes (Strichcodes) bezeichnet. „Der Vergleich
dieser genetischen Daten über die globale Datenbank BOLD – www.boldsystems.org – gab starke Hinweise auf eine
mögliche versteckte Artenvielfalt. In einem weiteren Schritt wurden neueste molekulare Methoden, die das gesamte
Genom berücksichtigen, eingesetzt“, so Huemer. Die von der finnischen Akademie finanzierten Untersuchungen
durch Marko Mutanen und Kyung Min Lee von der Universität Oulu und exakte Analysen des Körperbaus durch
Mikhail Kozlov von der Universität Turku bestätigten schließlich die Neuentdeckung. Der bisher
namenlose Schmetterling wurde von den Forschern nach dem berühmten Alttiroler Naturforscher Johann Anton Scopoli
(1723-1788) benannt. Er wurde nunmehr in der renommierten Fachzeitschrift Systematic Entomology unter dem wissenschaftlichen
Namen Nemophora scopolii veröffentlicht.
Museale Forschungstätigkeit mit internationaler Dimension
„Die Entdeckung ist ein weiteres Glanzstück für die weltberühmten alpinen Schmetterlingssammlungen
der Tiroler Landesmuseen. Diese stehen zunehmend im Fokus überregionalen Interesses“, betont PD Dr. Wolfgang
Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen. Es handelt sich dabei um das zweite Projekt zur genetischen
Erforschung von Schmetterlingen und weiteren Tiergruppen, das vom Südtiroler Forschungsfond getragen wird.
Die Naturwissenschaftlichen Sammlungen spielen aber auch in der genetischen Erfassung der österreichischen
Organismen eine bedeutende Rolle. In einem vom Wissenschaftsministerium geförderten Pilotprojekt werden alle
Schmetterlinge Österreichs untersucht. Inzwischen liegen allein aus der Alpenrepublik bereits für mehr
als 2.000 Falterarten DNA-Strichcodes vor. Weltweit gibt es Daten zu 84.000 Schmetterlingsarten. Proben bisher
unbekannter Arten lassen sich so ebenso wie eingeschleppte Tiere in wenigen Sekunden vergleichen und korrekt zuordnen.
„Museale Forschungstätigkeit erreicht damit eine völlig neue Dimension der Internationalität“, so
Meighörner.
Die ausführliche Beschreibung des neu entdeckten Langhornfalters Nemophora scopolii von Kozlov, Mutanen, Min
Lee und Huemer finden Sie hier >
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