Sensationeller Schmetterlingsfund in Mitteleuropa

 

erstellt am
02. 11. 16
11:00 MEZ

Langhornfalter über mehr als 200 Jahre unerkannt
Innsbruck (tlm) - Langhornfalter sind wegen ihrer auffallend langen Fühler, die bei einigen Arten die dreifache Flügellänge erreichen, eine unverwechselbare Schmetterlingsfamilie. Sie fliegen überwiegend am Tag im Sonnenschein, in einem eigenartig pendelnden Flug. Manche Falter können auf Blüten beobachtet werden. Etwa 50 Arten von Langhornfaltern kommen in Europa vor, 32 in Österreich. Die oft bunt metallisch gefärbten Tiere lassen sich meistens schon äußerlich gut unterscheiden.

Die letzte Neuentdeckung in Mitteleuropa erfolgte 1943. Damals wurde eine unbekannte Art im Brennergebiet Tirols gefunden. Einem österreichisch-finnischem Forscherteam ist nun durch den Einsatz modernster genetischer Methoden eine erstaunliche Entdeckung gelungen: eine bisher namenlose Langhornfalterart mitten in Europa! Wie konnte diese Art so lange unentdeckt bleiben? Die Erklärung ist simpel: Die Art wurde über mehr als 200 Jahre von allen Experten mit einem De Geer´s Langhornfalter verwechselt. Dieser Falter galt seit seiner Beschreibung nach schwedischen Tieren durch den berühmten Naturforscher Carl von Linné im Jahr 1758 als unverwechselbarer Schmetterling. Nun steht aber fest, dass es diese Art in weiten Teilen Mitteleuropas gar nicht gibt. In Österreich, aber auch in Italien und Süddeutschland fliegt stattdessen als äußerst ähnlicher Doppelgänger Scopoli´s Langhornfalter. Nachgewiesen wurde die Art beispielsweise in Innsbruck, in Nörsach in Osttirol und im Großraum Bozen.

Doppelgänger durch genetische Methoden entlarvt
Die Entdeckung ist laut Peter Huemer, der maßgeblich am Fund beteiligte Kustos der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen, gleich mehreren glücklichen Umständen zu verdanken. Aufgrund umfassender Bestrebungen zur genetischen Erfassung der Fauna Tirols und Südtirols sowie Finnlands lagen erstmals genetische Fingerprints für diese Art sowie ihren nördlichen Doppelgänger vor. Die Methode analysiert die Abfolge der Basenpaare als Kennzeichen für eine Art ähnlich wie bei einem Strichcode auf Produktverpackungen. Diese arttypischen Sequenzen werden in Fachkreisen daher auch als DNA-Barcodes (Strichcodes) bezeichnet. „Der Vergleich dieser genetischen Daten über die globale Datenbank BOLD – www.boldsystems.org – gab starke Hinweise auf eine mögliche versteckte Artenvielfalt. In einem weiteren Schritt wurden neueste molekulare Methoden, die das gesamte Genom berücksichtigen, eingesetzt“, so Huemer. Die von der finnischen Akademie finanzierten Untersuchungen durch Marko Mutanen und Kyung Min Lee von der Universität Oulu und exakte Analysen des Körperbaus durch Mikhail Kozlov von der Universität Turku bestätigten schließlich die Neuentdeckung. Der bisher namenlose Schmetterling wurde von den Forschern nach dem berühmten Alttiroler Naturforscher Johann Anton Scopoli (1723-1788) benannt. Er wurde nunmehr in der renommierten Fachzeitschrift Systematic Entomology unter dem wissenschaftlichen Namen Nemophora scopolii veröffentlicht.

Museale Forschungstätigkeit mit internationaler Dimension
„Die Entdeckung ist ein weiteres Glanzstück für die weltberühmten alpinen Schmetterlingssammlungen der Tiroler Landesmuseen. Diese stehen zunehmend im Fokus überregionalen Interesses“, betont PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen. Es handelt sich dabei um das zweite Projekt zur genetischen Erforschung von Schmetterlingen und weiteren Tiergruppen, das vom Südtiroler Forschungsfond getragen wird.

Die Naturwissenschaftlichen Sammlungen spielen aber auch in der genetischen Erfassung der österreichischen Organismen eine bedeutende Rolle. In einem vom Wissenschaftsministerium geförderten Pilotprojekt werden alle Schmetterlinge Österreichs untersucht. Inzwischen liegen allein aus der Alpenrepublik bereits für mehr als 2.000 Falterarten DNA-Strichcodes vor. Weltweit gibt es Daten zu 84.000 Schmetterlingsarten. Proben bisher unbekannter Arten lassen sich so ebenso wie eingeschleppte Tiere in wenigen Sekunden vergleichen und korrekt zuordnen. „Museale Forschungstätigkeit erreicht damit eine völlig neue Dimension der Internationalität“, so Meighörner.

Die ausführliche Beschreibung des neu entdeckten Langhornfalters Nemophora scopolii von Kozlov, Mutanen, Min Lee und Huemer finden Sie hier >

 

 

 

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