Wien (aau) - Die Preisverleihung fand vor rund 200 geladenen Gästen im Rahmen einer Matinee im ORF Radiokulturhaus
am 13.11. statt. Andrea Eckert las Lavant-Texte, Edgar Unterkirchner untermalte mit seinem Saxophon, Daniela Strigl
sprach die Laudatio, Katja Gasser moderierte. Die Internationale Christine Lavant Gesellschaft (ICLG) - im November
2015 gegründet - hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verbreitung und die Kenntnis des literarischen Werks
von Christine Lavant zu fördern. Dies geschieht unter anderem durch die Unterstützung der Arbeiten an
der seit 2014 im Wallstein-Verlag erscheinenden 4-bändigen Werkausgabe und durch die jährliche Vergabe
eines Christine Lavant Preises.
Der mit 15.000 Euro dotierte Preis für Lyrik und Prosa - gestiftet von Unternehmerin Ingrid Flick - würdigt
Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die in ihrem literarischen Schaffen – so wie auch Christine Lavant – einen
hohen ästhetischen Anspruch mit humaner Haltung und gesellschaftskritischem Blick vereinen. Der Preis wird
auf Vorschlag des international besetzten Literarischen Beirats der ICLG an Personen vergeben, die in deutscher
Sprache schreiben und die von der Öffentlichkeit bereits als wichtige literarische Stimmen wahrgenommen wurden.
Dem Beirat gehören die Schriftstellerinnen Friederike Mayröcker und Terezia Mora, die Literaturwissenschaftlerin
und Literaturkritikerin Daniela Strigl und der Professor an der Hochschule der Künste Bern und Mitglied des
Literaturclubs des Schweizerischen Fernsehens Thomas Strässle an, ferner Karl Wagner, zuletzt Germanistikprofessor
an der Universität Zürich und Klaus Amann, der Gründer und langjährige Leiter des Musil-Instituts
der Universität Klagenfurt und Lavant-Herausgeber.
Die erste Preisträgerin des bislang ausschließlich von privaten Sponsoren (Ingrid Flick, Allianz-Elementar
Versicherung, Hans Schmid Privatstiftung) finanzierten ersten Christine Lavant Preises ist die deutsche Schriftstellerin
Kathrin Schmidt aus Gotha.
In der Begründung der Jury heißt es: Mit Kathrin Schmidt würdigt die Internationale Christine
Lavant Gesellschaft eine herausragende Vertreterin der deutschsprachigen Literatur, eine Schriftstellerin, die
sich als psychologisch versierte, politisch hellwache und sprachlich virtuose Autorin einen Namen gemacht hat.
1958 in Gotha, in der ehemaligen DDR, geboren, war die Wahlberlinerin als Diplompsychologin, Sozialwissenschaftlerin
und Redakteurin tätig, ehe sie 1998 mit einem Ausschnitt aus ihrem Romandebut ‚Die Gunnar-Lennefsen-Expedition‘
beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb reüssierte.
Als genuine Lyrikerin hat Kathrin Schmidt sich, wortgewaltig und mit barocker Lust an der Stofffülle, das
Terrain der Prosa erobert und mit ihren Erkundungen menschlicher Schicksale in Zeiten des Umbruchs einen subtilen
Kommentar zu den Verwerfungen der deutschen Zeitgeschichte abgegeben.
Wie Christine Lavant bewegt Kathrin Schmidt sich mit Vorliebe in den Lebenswelten der armen Teufel, der Enttäuschten
und um ihr Glück Geprellten. Ihre Sphäre ist die Peripherie, die Tristesse der deutschen Vorstadt.
Schmidts empathisches Interesse gilt, auch in ihren Gedichten, dem persönlichen und kollektiven Trauma, der
Macht und Ohnmacht des Körpers, den Verwirrungen des Geschlechts. In ihrem Roman ‚Du stirbst nicht‘, für
den sie 2009 den Deutschen Buchpreis erhielt, reflektiert sie, einmal mehr mit erstaunlichem Humor und sprachspielerischer
Verve, ihre eigene lebensbedrohliche Krankheit, den Verlust von Sprache und Erinnerung als Folge eines Aneurysmas
– und den langwierigen Weg zurück ins Leben und Schreiben.
Als beherzte Chronistin der kleinen Leute, wie als Spezialistin für die Kernfragen der Existenz, ist Kathrin
Schmidt die geradezu ideale erste Trägerin des Christine Lavant Preises, so die Begründung der Jury.
|