… am 17. November im Historischen Sitzungssaal im Parlament – Nationalratspräsidentin
Doris Bures: Staatsakt kann und soll keinen Schlusspunkt unter offene Diskussionen und Aufarbeitung setzen
Wien (pk) - In der Zweiten Republik haben tausende Kinder in Heimen der öffentlichen Hand und der Kirche
unvorstellbares Leid und großes Unrecht erfahren. Sie haben brutale Gewalt, Demütigung und Missbrauch
erlitten, statt Liebe, Schutz und Fürsorge zu erfahren. Staat und Kirche haben bei diesen Verbrechen zu lange
weggesehen.
Vielen Betroffenen dieser Gewalt ist nicht nur die Kindheit geraubt worden. Die dunklen Erlebnisse haben einen
Schatten über ihr ganzes Leben geworfen. Das Erlittene ist – oft bis heute – eine Bürde, die eine glückliche
Existenz erschwert. Der Mantel des Schweigens über diese unfassbaren Taten ist seitens der Politik und der
Kirche erst vor wenigen Jahren gelüftet worden. Es folgte das von großer Ernsthaftigkeit getragene Bemühen
vieler Personen, Institutionen und Kommissionen das Geschehene aufzuarbeiten.
Geste ist eine Station auf dem langen Weg der Aufarbeitung
Auf Initiative von Nationalratspräsidentin Doris Bures findet am 17. November, um 17.00 Uhr, ein Staatsakt
im Parlament statt. Das offizielle Österreich und die Kirche wollen mit dieser "Geste der Verantwortung"
zum Ausdruck bringen, dass die Republik das unfassbare Leid der Betroffenen mitsamt seiner lebenslangen Konsequenzen
anerkennt und Lehren aus dem geschehenen Unrecht gezogen hat. Republik und Kirche kommen damit einer langjährige
Forderung der Betroffenen nach.
Neben Nationalratspräsidentin Doris Bures und Bundesratspräsident Mario Lindner werden Bundeskanzler
Christian Kern, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Kardinal Christoph Schönborn und der steirische Landeshauptmann
Hermann Schützenhöfer Reden halten.
Für Nationalratspräsidentin Bures ist es dabei von großer Bedeutung, dass die Geste der Verantwortung
nur eine Station auf dem langen Weg der Aufarbeitung des geschehenen Unrechts sein kann. "Die Geste kann und
soll keinen Schlusspunkt unter offene Diskussionen und unter die Aufarbeitung setzen. Es geht darum, dass Staat
und Kirche gemeinsam das Unrecht benennen und anerkennen", so Doris Bures.
Mahnung für die Zukunft
Die Veranstaltung soll zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit beitragen; sie dient der Erinnerung an
die Vergangenheit, ist gleichzeitig Mahnung für die Gegenwart und Auftrag für die Zukunft.
"Auch heute sind viele Menschen in unserer Gesellschaft auf Hilfe und Obhut in Heimen angewiesen: Kinder,
Menschen mit Behinderungen, Kranke und immer mehr alte, pflegebedürftige Frauen und Männer. Vieles hat
sich zum Besseren verändert. Aber wir müssen dennoch sehr wachsam sein, denn die Würde von Menschen
ist dort besonders leicht verletzlich, wo Abhängigkeit besteht. Es liegt leider nicht in unserer Macht, Missbrauch
und Gewalt durch einzelne Täter für immer zu verhindern. Was aber in unserer Macht und in unserer Aller
Verantwortung liegt, ist zu verhindern, dass Missbrauch und Gewalt wie einst still geduldet, systemisch vertuscht
und kollektiv geleugnet werden", so die Botschaft der Nationalratspräsidentin.
Betroffene stehen im Mittelpunkt der Veranstaltung
Das Leid und die Erfahrungen der Betroffenen sind zu unterschiedlich und individuell, um das unfassbare Ausmaß
bei der Veranstaltung durch einzelne Biographien darstellen zu können. Das Thema soll daher durch künstlerische
Verdichtung und Vermittlung wahrnehmbar werden.
Grundlage der künstlerischen Beiträge sind Texte von Betroffenen sowie Forschungs- und Kommissionsberichte.
Die Dramaturgin Doris Happl hat die Auswahl der Texte übernommen, Regie führt Christine Wipplinger. Erfreulicherweise
haben sich die namhaften SchauspielerInnen Wolfang Böck, Regina Fritsch, Miriam Fussenegger, Karl Markovics
und Florian Teichtmeister bereit erklärt, an der Geste der Verantwortung mitzuwirken.
Der Staatsakt findet im Historischen Sitzungssaal des Parlaments statt, dem würdigsten Ort, den die Republik
anzubieten hat, dem Ort, an dem Bundespräsidenten angelobt werden. Die zentralen Sitzplätze in der Saalmitte
sind für die Betroffenen reserviert – insgesamt werden mehr als 250 anwesend sein. Der Staatsakt wird live
auf ORF3 übertragen und es wird einen Live-Stream auf der Homepage des Parlaments geben.
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