Keine Mehrheit für Fristsetzungsantrag der Grünen
Wien (pk) - Nach der Unterzeichnung der gemeinsamen überparteilichen Erklärung durch die Abgeordneten
war die Zuspitzung der Situation in der Türkei am 10.11. auch Gegenstand einer Kurzdebatte im Nationalrat.
Den Anlass dafür bot ein Entschließungsantrag der Grünen, in dem Eva Glawischnig-Piesczek auf rasches
Handeln und entschlossene Schritte seitens der Bundesregierung und der EU drängte. So appellieren die Grünen
an Außenminister Kurz, den österreichischen Botschafter aus Ankara zur Berichterstattung zurückzurufen
und darüber hinaus von der türkischen Regierung die sofortige Freilassung der inhaftierten Abgeordneten
sowie aller anderen politisch Verfolgten zu verlangen. Auf EU-Ebene wiederum sollte auf eine formelle Aussetzung
der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hingewirkt werden, bis demokratische Mindeststandards wieder hergestellt
sind. Zudem wollen die Grünen die EU-Heranführungshilfen an die Türkei sistieren, soweit sie der
türkischen Regierung zugutekommen.
Ein Fristsetzungsantrag, mit dem die Grünen eine Entscheidung über ihre Initiative bis 13.12.2016 – dem
Vortag des EU-Gipfels - einmahnten, fand allerdings nicht die ausreichende Unterstützung. Die Sprecher der
Regierungsparteien begrüßten zwar den Vorstoß der Grünen, räumten aber der gemeinsamen
Erklärung Priorität ein. Unterschiedliche Standpunkte vertraten die Fraktionen in der Frage des EU-Beitrittsprozesses,
wo FPÖ, NEOS und Team Stronach für einen Abbruch anstelle des vorgeschlagenen Aussetzens plädierten.
Scharfe Kritik der Grünen an Zurückhaltung der EU
Wenn zentrale Grundrechte einer westlichen Demokratie außer Kraft gesetzt werden, dann muss das auch Anlass
für uns Abgeordnete sein, über Konsequenzen nachzudenken und eine gemeinsame Sichtweise zu entwickeln,
betonte Eva Glawischnig-Piesczek (G). Kein Verständnis hat die Klubobfrau der Grünen für die zurückhaltende
Position der EU-Kommission, wobei sie kritisch von Appeasement-Politik sprach und von Brüssel deutliche Worte
und eine klare Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen forderte. Die Beitrittsverhandlungen sollen nicht abgebrochen,
sondern ausgesetzt werden, um die Tür nicht ganz zuzuschlagen und den Dialog aufrechtzuhalten, bekräftigte
Glawischnig im Einklang mit der außenpolitischen Sprecherin der Grünen Tanja Windbüchler-Souschill.
Regierungsparteien warnen vor Erpressbarkeit der Union in der Flüchtlingsfrage
Dass man gegenüber Ankara deutliche Worte finden muss, steht auch für Josef Cap (S) außer Streit.
Der Putschversuch dürfe nicht als Vorwand genommen werden, fundamentale demokratische Rechte zu beseitigen.
Der Obmann des Außenpolitischen Ausschusses sieht Österreich darüber hinaus auch gefordert, eigene
Wege zu finden, um in der Flüchtlingsfrage nicht erpressbar zu werden. Dezidiert ablehnend steht Cap einem
EU-Beitritt der Türkei gegenüber, wobei er argumentierte, die Aufnahmefähigkeit der Union sei nicht
gegeben. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka konnte der Initiative der Grünen viel Positives abgewinnen,
erinnerte aber wie Cap an die heute unterzeichnete überparteiliche Erklärung der Abgeordneten zur Türkei
und sprach von einem Signal, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen lasse. Nicht die EU, sondern Präsident
Erdogan schlage die Tür zu. Menschenrechte und Grundfreiheiten seien jedenfalls nicht verhandelbar, dies gelte
auch vor dem Hintergrund der Visafrage. Lopatka forderte nun eine klare Positionierung der Union gegenüber
der Türkei und betonte überdies, Europa müsse in der Flüchtlingsfrage seine eigenen Interessen
selbst vertreten und dürfe sich nicht in Abhängigkeit der Türkei begeben.
FPÖ, NEOS und Team Stronach fordern Abbruch des EU-Beitrittsprozesses mit Ankara
Johannes Hübner von der FPÖ vermisste sowohl in der gemeinsamen Erklärung der Abgeordneten als auch
im Entschließungsantrag der Grünen eine klare Forderung nach Abbruch der Beitrittsverhandlungen und
gab zu bedenken, die formelle Aussetzung des Prozesses sei zu wenig. Ähnlich äußerte sich NEOS-Mandatar
Nikolaus Scherak, der die Initiative der Grünen als zu zögerlich einstufte. Neben einem Abbruch der Beitrittsverhandlungen
pochte er auch auf die gänzliche Einstellung der Förderungen aus der EU-Heranführungshilfe. "Kein
Cent mehr an die Türkei", lautet seine Devise. In diese Kerbe schlug auch Robert Luger (T), der sich
zudem kritisch mit der Rolle Ankaras im Syrien-Konflikt auseinandersetzte und ein Ende sämtlicher Waffenlieferungen
an die Türkei verlangte.
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